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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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den Angreifern als von den Vertheidigern in Anwendung
gebracht. Die hohen engen Thürme waren für Geschütz
ursprünglich nicht eingerichtet, und man fürchtete, die Mau-
ern zu sehr zu erschüttern; dagegen bedienten sich die By-
zantiner der Wallflinten, welche mehrere Kugeln von der
Größe einer Wallnuß auf einmal schossen, nebenher der
Katapulten, Ballisten und des geheimnißvollen griechischen
Feuers.

Sultan Mohammed hatte zu Adrianopel von dem Dä-
nen Urban eine Kanone gießen lassen, welche Steinkugeln
von 600 Pfd. schoß; ein funfzigtägiger Marsch führte sie
bis unter die Mauern von Byzanz, und neben ihr standen
noch zwei ähnliche Riesengeschütze; es war nicht möglich,
sie öfter als siebenmal des Tages zu laden und abzuschie-
ßen. Die Kanone des Urban sprang und tödtete den Ver-
fertiger; man glaubte die übrigen vor ähnlichem Unheil zu
schützen, indem man nach jedem Schusse Oel durch das
Zündloch einflößte. Es wird erwähnt, daß die Türken
vierzehn Batterien neben einander aufgestellt hatten, aber
es ist wohl wahrscheinlich nicht allein von Kanonen, son-
dern auch von den ältern Kriegsmaschinen die Rede.

Die Wirkung der Batterien scheint auch in der That
nur gering gewesen zu sein. Die Türken näherten sich dem
Wall in Laufgräben (Sitschan-jolu, "Mausewege"), sie
füllten den Graben mit Faschinen und Erde aus, schoben
einen hohen Wandelthurm aus Holz, dreifach mit Ochsen-
häuten bedeckt, an den schon schadhaften Thurm des hei-
ligen Romanus heran und versuchten den Sturm; aber
der Kaiser schlug diesen Angriff zurück, und am folgenden
Morgen fand der Sultan seinen Thurm verbrannt, den
Graben aufgeräumt und die Bresche ausgebessert. Die
Minenversuche hatten in dem felsigen Boden eben so wenig
Erfolg, und eine Niederlage erlitt das zahlreiche türkische
Geschwader gegen vier große genuesische und eine griechi-
sche Galeere unter den Augen der Stadt und der Belage-
rer. Der Sultan hielt zu Pferde am Ufer; die Leidenschaft

den Angreifern als von den Vertheidigern in Anwendung
gebracht. Die hohen engen Thuͤrme waren fuͤr Geſchuͤtz
urſpruͤnglich nicht eingerichtet, und man fuͤrchtete, die Mau-
ern zu ſehr zu erſchuͤttern; dagegen bedienten ſich die By-
zantiner der Wallflinten, welche mehrere Kugeln von der
Groͤße einer Wallnuß auf einmal ſchoſſen, nebenher der
Katapulten, Balliſten und des geheimnißvollen griechiſchen
Feuers.

Sultan Mohammed hatte zu Adrianopel von dem Daͤ-
nen Urban eine Kanone gießen laſſen, welche Steinkugeln
von 600 Pfd. ſchoß; ein funfzigtaͤgiger Marſch fuͤhrte ſie
bis unter die Mauern von Byzanz, und neben ihr ſtanden
noch zwei aͤhnliche Rieſengeſchuͤtze; es war nicht moͤglich,
ſie oͤfter als ſiebenmal des Tages zu laden und abzuſchie-
ßen. Die Kanone des Urban ſprang und toͤdtete den Ver-
fertiger; man glaubte die uͤbrigen vor aͤhnlichem Unheil zu
ſchuͤtzen, indem man nach jedem Schuſſe Oel durch das
Zuͤndloch einfloͤßte. Es wird erwaͤhnt, daß die Tuͤrken
vierzehn Batterien neben einander aufgeſtellt hatten, aber
es iſt wohl wahrſcheinlich nicht allein von Kanonen, ſon-
dern auch von den aͤltern Kriegsmaſchinen die Rede.

Die Wirkung der Batterien ſcheint auch in der That
nur gering geweſen zu ſein. Die Tuͤrken naͤherten ſich dem
Wall in Laufgraͤben (Sitſchan-jolu, „Mauſewege“), ſie
fuͤllten den Graben mit Faſchinen und Erde aus, ſchoben
einen hohen Wandelthurm aus Holz, dreifach mit Ochſen-
haͤuten bedeckt, an den ſchon ſchadhaften Thurm des hei-
ligen Romanus heran und verſuchten den Sturm; aber
der Kaiſer ſchlug dieſen Angriff zuruͤck, und am folgenden
Morgen fand der Sultan ſeinen Thurm verbrannt, den
Graben aufgeraͤumt und die Breſche ausgebeſſert. Die
Minenverſuche hatten in dem felſigen Boden eben ſo wenig
Erfolg, und eine Niederlage erlitt das zahlreiche tuͤrkiſche
Geſchwader gegen vier große genueſiſche und eine griechi-
ſche Galeere unter den Augen der Stadt und der Belage-
rer. Der Sultan hielt zu Pferde am Ufer; die Leidenſchaft

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[191/0201] den Angreifern als von den Vertheidigern in Anwendung gebracht. Die hohen engen Thuͤrme waren fuͤr Geſchuͤtz urſpruͤnglich nicht eingerichtet, und man fuͤrchtete, die Mau- ern zu ſehr zu erſchuͤttern; dagegen bedienten ſich die By- zantiner der Wallflinten, welche mehrere Kugeln von der Groͤße einer Wallnuß auf einmal ſchoſſen, nebenher der Katapulten, Balliſten und des geheimnißvollen griechiſchen Feuers. Sultan Mohammed hatte zu Adrianopel von dem Daͤ- nen Urban eine Kanone gießen laſſen, welche Steinkugeln von 600 Pfd. ſchoß; ein funfzigtaͤgiger Marſch fuͤhrte ſie bis unter die Mauern von Byzanz, und neben ihr ſtanden noch zwei aͤhnliche Rieſengeſchuͤtze; es war nicht moͤglich, ſie oͤfter als ſiebenmal des Tages zu laden und abzuſchie- ßen. Die Kanone des Urban ſprang und toͤdtete den Ver- fertiger; man glaubte die uͤbrigen vor aͤhnlichem Unheil zu ſchuͤtzen, indem man nach jedem Schuſſe Oel durch das Zuͤndloch einfloͤßte. Es wird erwaͤhnt, daß die Tuͤrken vierzehn Batterien neben einander aufgeſtellt hatten, aber es iſt wohl wahrſcheinlich nicht allein von Kanonen, ſon- dern auch von den aͤltern Kriegsmaſchinen die Rede. Die Wirkung der Batterien ſcheint auch in der That nur gering geweſen zu ſein. Die Tuͤrken naͤherten ſich dem Wall in Laufgraͤben (Sitſchan-jolu, „Mauſewege“), ſie fuͤllten den Graben mit Faſchinen und Erde aus, ſchoben einen hohen Wandelthurm aus Holz, dreifach mit Ochſen- haͤuten bedeckt, an den ſchon ſchadhaften Thurm des hei- ligen Romanus heran und verſuchten den Sturm; aber der Kaiſer ſchlug dieſen Angriff zuruͤck, und am folgenden Morgen fand der Sultan ſeinen Thurm verbrannt, den Graben aufgeraͤumt und die Breſche ausgebeſſert. Die Minenverſuche hatten in dem felſigen Boden eben ſo wenig Erfolg, und eine Niederlage erlitt das zahlreiche tuͤrkiſche Geſchwader gegen vier große genueſiſche und eine griechi- ſche Galeere unter den Augen der Stadt und der Belage- rer. Der Sultan hielt zu Pferde am Ufer; die Leidenſchaft

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/201>, abgerufen am 28.11.2024.