zuschlagen?" Um nicht erkannt und verschont zu bleiben, warf er den kaiserlichen Purpur ab, mischte sich in das dichteste Gewühl der Streitenden und wurde unter einen Haufen von Erschlagenen begraben. Dicht vor dem Thore Top-Kapu erhebt sich eine Gruppe Cypressen, welche den Ort bezeichnen, wo Konstantin Paläologus, der letzte Kai- ser des Ostens, fiel.
Jch will die Erzählung von den Greueln nicht erneu- ern, welche auf diese Erstürmung folgten; aber die Bela- gerungen und Eroberungen erklären, wie von dem Capitol, von zwei Theatern und dem Circus des Justinian mit zahl- losen Bildsäulen, von dem Forum, von den Bädern des Zeuxippus, von 52 Portiken, von den Kornmagazinen und Hallen, von 14 Kirchen, 14 Pallästen und 4388 Gebäuden, die sich durch Umfang und Schönheit vor den Häusern des Volks in jener ersten Zeit auszeichneten, fast keine Spur mehr vorhanden ist, wie auch von den Denkmälern späte- rer Perioden der Römerherrschaft nichts als die wenigen Trümmer stehen geblieben sind, von denen ich Dir oben gesprochen.
Als das griechische Reich die lateinischen Fürsten um Beistand anrief, schickten sie eine Million Menschen, und Byzanz selbst ging in der Flut dieser Hülfsleistung bei- nahe zu Grunde; als aber die Christenheit im Orient nur hinter den Mauern von Konstantinopel noch Schutz fand, als eine Unterstützung von 20- oder 30,000 Kriegern und einigen Schiffen sie zu retten vermochte, da überließ der Westen Europa's den Osten seinem Schicksal, und das La- barum neigte sich vor dem Sandschak-scherif. Die Ver- geltung ist nicht ausgeblieben, und durch zwei Jahrhun- derte zitterte das Abendland vor den islamitischen Jmpe- ratoren, welche seitdem am Bosphorus herrschten.
Gleich nach der Erstürmung von Konstantinopel ließ Mohammed-Gasi, der Siegreiche, die am meisten beschä- digten Stellen der Befestigung wieder ausbessern. Aber diese Mauern hatten natürlich für die schwachen Fürsten,
zuſchlagen?“ Um nicht erkannt und verſchont zu bleiben, warf er den kaiſerlichen Purpur ab, miſchte ſich in das dichteſte Gewuͤhl der Streitenden und wurde unter einen Haufen von Erſchlagenen begraben. Dicht vor dem Thore Top-Kapu erhebt ſich eine Gruppe Cypreſſen, welche den Ort bezeichnen, wo Konſtantin Palaͤologus, der letzte Kai- ſer des Oſtens, fiel.
Jch will die Erzaͤhlung von den Greueln nicht erneu- ern, welche auf dieſe Erſtuͤrmung folgten; aber die Bela- gerungen und Eroberungen erklaͤren, wie von dem Capitol, von zwei Theatern und dem Circus des Juſtinian mit zahl- loſen Bildſaͤulen, von dem Forum, von den Baͤdern des Zeuxippus, von 52 Portiken, von den Kornmagazinen und Hallen, von 14 Kirchen, 14 Pallaͤſten und 4388 Gebaͤuden, die ſich durch Umfang und Schoͤnheit vor den Haͤuſern des Volks in jener erſten Zeit auszeichneten, faſt keine Spur mehr vorhanden iſt, wie auch von den Denkmaͤlern ſpaͤte- rer Perioden der Roͤmerherrſchaft nichts als die wenigen Truͤmmer ſtehen geblieben ſind, von denen ich Dir oben geſprochen.
Als das griechiſche Reich die lateiniſchen Fuͤrſten um Beiſtand anrief, ſchickten ſie eine Million Menſchen, und Byzanz ſelbſt ging in der Flut dieſer Huͤlfsleiſtung bei- nahe zu Grunde; als aber die Chriſtenheit im Orient nur hinter den Mauern von Konſtantinopel noch Schutz fand, als eine Unterſtuͤtzung von 20- oder 30,000 Kriegern und einigen Schiffen ſie zu retten vermochte, da uͤberließ der Weſten Europa's den Oſten ſeinem Schickſal, und das La- barum neigte ſich vor dem Sandſchak-ſcherif. Die Ver- geltung iſt nicht ausgeblieben, und durch zwei Jahrhun- derte zitterte das Abendland vor den islamitiſchen Jmpe- ratoren, welche ſeitdem am Bosphorus herrſchten.
Gleich nach der Erſtuͤrmung von Konſtantinopel ließ Mohammed-Gaſi, der Siegreiche, die am meiſten beſchaͤ- digten Stellen der Befeſtigung wieder ausbeſſern. Aber dieſe Mauern hatten natuͤrlich fuͤr die ſchwachen Fuͤrſten,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0205"n="195"/>
zuſchlagen?“ Um nicht erkannt und verſchont zu bleiben,<lb/>
warf er den kaiſerlichen Purpur ab, miſchte ſich in das<lb/>
dichteſte Gewuͤhl der Streitenden und wurde unter einen<lb/>
Haufen von Erſchlagenen begraben. Dicht vor dem Thore<lb/>
Top-Kapu erhebt ſich eine Gruppe Cypreſſen, welche den<lb/>
Ort bezeichnen, wo Konſtantin Palaͤologus, der letzte Kai-<lb/>ſer des Oſtens, fiel.</p><lb/><p>Jch will die Erzaͤhlung von den Greueln nicht erneu-<lb/>
ern, welche auf dieſe Erſtuͤrmung folgten; aber die Bela-<lb/>
gerungen und Eroberungen erklaͤren, wie von dem Capitol,<lb/>
von zwei Theatern und dem Circus des Juſtinian mit zahl-<lb/>
loſen Bildſaͤulen, von dem Forum, von den Baͤdern des<lb/>
Zeuxippus, von 52 Portiken, von den Kornmagazinen und<lb/>
Hallen, von 14 Kirchen, 14 Pallaͤſten und 4388 Gebaͤuden,<lb/>
die ſich durch Umfang und Schoͤnheit vor den Haͤuſern des<lb/>
Volks in jener erſten Zeit auszeichneten, faſt keine Spur<lb/>
mehr vorhanden iſt, wie auch von den Denkmaͤlern ſpaͤte-<lb/>
rer Perioden der Roͤmerherrſchaft nichts als die wenigen<lb/>
Truͤmmer ſtehen geblieben ſind, von denen ich Dir oben<lb/>
geſprochen.</p><lb/><p>Als das griechiſche Reich die lateiniſchen Fuͤrſten um<lb/>
Beiſtand anrief, ſchickten ſie eine Million Menſchen, und<lb/>
Byzanz ſelbſt ging in der Flut dieſer Huͤlfsleiſtung bei-<lb/>
nahe zu Grunde; als aber die Chriſtenheit im Orient nur<lb/>
hinter den Mauern von Konſtantinopel noch Schutz fand,<lb/>
als eine Unterſtuͤtzung von 20- oder 30,000 Kriegern und<lb/>
einigen Schiffen ſie zu retten vermochte, da uͤberließ der<lb/>
Weſten Europa's den Oſten ſeinem Schickſal, und das La-<lb/>
barum neigte ſich vor dem Sandſchak-ſcherif. Die Ver-<lb/>
geltung iſt nicht ausgeblieben, und durch zwei Jahrhun-<lb/>
derte zitterte das Abendland vor den islamitiſchen Jmpe-<lb/>
ratoren, welche ſeitdem am Bosphorus herrſchten.</p><lb/><p>Gleich nach der Erſtuͤrmung von Konſtantinopel ließ<lb/>
Mohammed-Gaſi, der Siegreiche, die am meiſten beſchaͤ-<lb/>
digten Stellen der Befeſtigung wieder ausbeſſern. Aber<lb/>
dieſe Mauern hatten natuͤrlich fuͤr die ſchwachen Fuͤrſten,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[195/0205]
zuſchlagen?“ Um nicht erkannt und verſchont zu bleiben,
warf er den kaiſerlichen Purpur ab, miſchte ſich in das
dichteſte Gewuͤhl der Streitenden und wurde unter einen
Haufen von Erſchlagenen begraben. Dicht vor dem Thore
Top-Kapu erhebt ſich eine Gruppe Cypreſſen, welche den
Ort bezeichnen, wo Konſtantin Palaͤologus, der letzte Kai-
ſer des Oſtens, fiel.
Jch will die Erzaͤhlung von den Greueln nicht erneu-
ern, welche auf dieſe Erſtuͤrmung folgten; aber die Bela-
gerungen und Eroberungen erklaͤren, wie von dem Capitol,
von zwei Theatern und dem Circus des Juſtinian mit zahl-
loſen Bildſaͤulen, von dem Forum, von den Baͤdern des
Zeuxippus, von 52 Portiken, von den Kornmagazinen und
Hallen, von 14 Kirchen, 14 Pallaͤſten und 4388 Gebaͤuden,
die ſich durch Umfang und Schoͤnheit vor den Haͤuſern des
Volks in jener erſten Zeit auszeichneten, faſt keine Spur
mehr vorhanden iſt, wie auch von den Denkmaͤlern ſpaͤte-
rer Perioden der Roͤmerherrſchaft nichts als die wenigen
Truͤmmer ſtehen geblieben ſind, von denen ich Dir oben
geſprochen.
Als das griechiſche Reich die lateiniſchen Fuͤrſten um
Beiſtand anrief, ſchickten ſie eine Million Menſchen, und
Byzanz ſelbſt ging in der Flut dieſer Huͤlfsleiſtung bei-
nahe zu Grunde; als aber die Chriſtenheit im Orient nur
hinter den Mauern von Konſtantinopel noch Schutz fand,
als eine Unterſtuͤtzung von 20- oder 30,000 Kriegern und
einigen Schiffen ſie zu retten vermochte, da uͤberließ der
Weſten Europa's den Oſten ſeinem Schickſal, und das La-
barum neigte ſich vor dem Sandſchak-ſcherif. Die Ver-
geltung iſt nicht ausgeblieben, und durch zwei Jahrhun-
derte zitterte das Abendland vor den islamitiſchen Jmpe-
ratoren, welche ſeitdem am Bosphorus herrſchten.
Gleich nach der Erſtuͤrmung von Konſtantinopel ließ
Mohammed-Gaſi, der Siegreiche, die am meiſten beſchaͤ-
digten Stellen der Befeſtigung wieder ausbeſſern. Aber
dieſe Mauern hatten natuͤrlich fuͤr die ſchwachen Fuͤrſten,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/205>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.