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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Die Straße ersteigt sogleich eine beträchtliche Anhöhe,
von welcher man die Stadt übersieht. Jch konnte nicht
ohne Erstaunen auf diese türkische Hauptfestung blicken,
die mit ihren langen, dominirten und enfilirten Linien ohne
Außenwerke, bei halber Armirung und schwachem Profil,
doch so kräftigen Widerstand geleistet hatte. Entweder
mußte die Vertheidigung sehr hartnäckig, oder der Angriff
sehr matt sein, oder Beides zusammen.

Anhaltender Regen hatte, ehe der Frost eintrat, den
schweren Lehmboden sehr aufgeweicht. Jetzt waren alle
diese Unebenheiten fest gefroren, und durch hohen, aber lok-
kern Schnee verdeckt. Es war daher ein halsbrechendes
und langwieriges Reiten.

Die Tartaren, wenn sie auch noch so früh ausreiten,
halten erst des Abends an. Die Pferde gehen oft zwölf
bis vierzehn Stunden ohne Futter. Bergauf reitet man
Schritt, in der Ebene einen kurzen Zuckeltrab, der den
Reiter schrecklich ermüdet; bergab aber, selbst auf den ab-
scheulichsten Wegen, geht es Galop. Sobald man das
Nachtquartier nur aus der Ferne sieht, setzt sich Alles in
Carriere, und nun geht es in vollem Rennen und mit lau-
tem Allah-Ruf über halsbrechendes Steinpflaster, durch
enge abschüssige Straßen bis an den Hof des Hann oder
Caravanseraj. Der Surudschi führt dann die dampfenden
Pferde wohl eine Stunde lang noch herum; der Reiter
aber zieht sogleich die weiten Stiefel aus und streckt sich
auf das Kissen am Kaminfeuer. Man bringt die Kanne
und das Waschbecken (Jbrik Lehenn) und reicht gleich dar-
auf eine winzige Tasse (Fildschan) ohne Unterschaale, aber
auf einem kleinen Messingfuß (Sarf) mit Kaffee ohne Zuk-
ker und ohne Milch, den Kaffeesatz in der Tasse. Dann
kommt die Pfeife zum Vorschein, und endlich breitet man
ein Leder vor Dir aus, auf welches eine Schüssel Pillaw
gesetzt wird, und unmittelbar darauf legt sich Jeder schla-
fen, angezogen, wie er ist. Wer nicht an Reisen zu Pferde
gewöhnt und überhaupt ziemlich rüstig ist, dem kann ich

Die Straße erſteigt ſogleich eine betraͤchtliche Anhoͤhe,
von welcher man die Stadt uͤberſieht. Jch konnte nicht
ohne Erſtaunen auf dieſe tuͤrkiſche Hauptfeſtung blicken,
die mit ihren langen, dominirten und enfilirten Linien ohne
Außenwerke, bei halber Armirung und ſchwachem Profil,
doch ſo kraͤftigen Widerſtand geleiſtet hatte. Entweder
mußte die Vertheidigung ſehr hartnaͤckig, oder der Angriff
ſehr matt ſein, oder Beides zuſammen.

Anhaltender Regen hatte, ehe der Froſt eintrat, den
ſchweren Lehmboden ſehr aufgeweicht. Jetzt waren alle
dieſe Unebenheiten feſt gefroren, und durch hohen, aber lok-
kern Schnee verdeckt. Es war daher ein halsbrechendes
und langwieriges Reiten.

Die Tartaren, wenn ſie auch noch ſo fruͤh ausreiten,
halten erſt des Abends an. Die Pferde gehen oft zwoͤlf
bis vierzehn Stunden ohne Futter. Bergauf reitet man
Schritt, in der Ebene einen kurzen Zuckeltrab, der den
Reiter ſchrecklich ermuͤdet; bergab aber, ſelbſt auf den ab-
ſcheulichſten Wegen, geht es Galop. Sobald man das
Nachtquartier nur aus der Ferne ſieht, ſetzt ſich Alles in
Carrière, und nun geht es in vollem Rennen und mit lau-
tem Allah-Ruf uͤber halsbrechendes Steinpflaſter, durch
enge abſchuͤſſige Straßen bis an den Hof des Hann oder
Caravanſeraj. Der Surudſchi fuͤhrt dann die dampfenden
Pferde wohl eine Stunde lang noch herum; der Reiter
aber zieht ſogleich die weiten Stiefel aus und ſtreckt ſich
auf das Kiſſen am Kaminfeuer. Man bringt die Kanne
und das Waſchbecken (Jbrik Lehenn) und reicht gleich dar-
auf eine winzige Taſſe (Fildſchan) ohne Unterſchaale, aber
auf einem kleinen Meſſingfuß (Sarf) mit Kaffee ohne Zuk-
ker und ohne Milch, den Kaffeeſatz in der Taſſe. Dann
kommt die Pfeife zum Vorſchein, und endlich breitet man
ein Leder vor Dir aus, auf welches eine Schuͤſſel Pillaw
geſetzt wird, und unmittelbar darauf legt ſich Jeder ſchla-
fen, angezogen, wie er iſt. Wer nicht an Reiſen zu Pferde
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[13/0023] Die Straße erſteigt ſogleich eine betraͤchtliche Anhoͤhe, von welcher man die Stadt uͤberſieht. Jch konnte nicht ohne Erſtaunen auf dieſe tuͤrkiſche Hauptfeſtung blicken, die mit ihren langen, dominirten und enfilirten Linien ohne Außenwerke, bei halber Armirung und ſchwachem Profil, doch ſo kraͤftigen Widerſtand geleiſtet hatte. Entweder mußte die Vertheidigung ſehr hartnaͤckig, oder der Angriff ſehr matt ſein, oder Beides zuſammen. Anhaltender Regen hatte, ehe der Froſt eintrat, den ſchweren Lehmboden ſehr aufgeweicht. Jetzt waren alle dieſe Unebenheiten feſt gefroren, und durch hohen, aber lok- kern Schnee verdeckt. Es war daher ein halsbrechendes und langwieriges Reiten. Die Tartaren, wenn ſie auch noch ſo fruͤh ausreiten, halten erſt des Abends an. Die Pferde gehen oft zwoͤlf bis vierzehn Stunden ohne Futter. Bergauf reitet man Schritt, in der Ebene einen kurzen Zuckeltrab, der den Reiter ſchrecklich ermuͤdet; bergab aber, ſelbſt auf den ab- ſcheulichſten Wegen, geht es Galop. Sobald man das Nachtquartier nur aus der Ferne ſieht, ſetzt ſich Alles in Carrière, und nun geht es in vollem Rennen und mit lau- tem Allah-Ruf uͤber halsbrechendes Steinpflaſter, durch enge abſchuͤſſige Straßen bis an den Hof des Hann oder Caravanſeraj. Der Surudſchi fuͤhrt dann die dampfenden Pferde wohl eine Stunde lang noch herum; der Reiter aber zieht ſogleich die weiten Stiefel aus und ſtreckt ſich auf das Kiſſen am Kaminfeuer. Man bringt die Kanne und das Waſchbecken (Jbrik Lehenn) und reicht gleich dar- auf eine winzige Taſſe (Fildſchan) ohne Unterſchaale, aber auf einem kleinen Meſſingfuß (Sarf) mit Kaffee ohne Zuk- ker und ohne Milch, den Kaffeeſatz in der Taſſe. Dann kommt die Pfeife zum Vorſchein, und endlich breitet man ein Leder vor Dir aus, auf welches eine Schuͤſſel Pillaw geſetzt wird, und unmittelbar darauf legt ſich Jeder ſchla- fen, angezogen, wie er iſt. Wer nicht an Reiſen zu Pferde gewoͤhnt und uͤberhaupt ziemlich ruͤſtig iſt, dem kann ich

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/23>, abgerufen am 21.11.2024.