Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Wollte man jedoch den Werth des Brennmaterials und
der Handarbeit in Anrechnung bringen, so würde man
wohl zu dem Resultat kommen, daß die Bearbeitung der
Minen den Ertrag um das Drei- oder Vierfache über-
steigt.

Der Euphrat wird dicht unterhalb Kjeban-Maaden
von rauhen Bergen eingeschlossen; bald aber flacht sich das
rechte Ufer mehr und mehr ab, und nachdem der Strom im
weiten Bogen den Fuß des eirunden Berges umspült, auf
welchem die Ruinen einer weit sichtbaren alten Kirche sich
erheben, hat man rechts die weite Ebene von Malatia.
Erst bei Kymyrhan, unfern der Keilschrift, von der ich Dir
früher gesprochen, treten hohe wilde Gebirgsmassen von
beiden Seiten zusammen, und der Strom fließt von nun
an in tiefen schauerlichen Felsenspalten fort. Mit außer-
ordentlicher Schnelligkeit glitt unser Fahrzeug hin, und das
Strombette war kaum zur Hälfte so breit, wie es ober-
halb gewesen; bald hörten wir ein fernes Brausen, von
welchem die schroffen Felswände wiederhallten, und die
beschleunigte Schnelligkeit, mit der wir fortschossen, benach-
richtigte uns, daß wir in die Nähe der Jelan-Degermeni
oder Schlangenmühle gekommen seien. Vorsichtig legten
wir an, und beschauten an einer vorspringenden Klippe die
Oertlichkeit, ehe wir uns in die Wirbel hinein wagten;
diese Stromschnellen liegen stets an solchen Punkten, wo
das jähe Bette eines kleinen Gießbachs in den Strom mün-
det. Aus der Schlucht sind im Laufe der Zeit eine Menge
größerer und kleinerer Felstrümmer herabgestürzt; sie ha-
ben vor der Mündung des Bachs (der an sich ganz un-
bedeutend) eine Landzunge angesetzt, welche die Breite des
Stroms vermindert, und oft sind noch zum Ueberfluß ge-
waltige Steinblöcke bis in das Bette selbst gerollt, welche
bei niederm Wasserstande hervorragen, bei höherem aber
von der Flut überspült sind, der sie einen unbesiegbaren
Widerstand entgegensetzen. Der reißende Fluß, verengt
und aus seiner Richtung geworfen, brauset gegen die Un-

Wollte man jedoch den Werth des Brennmaterials und
der Handarbeit in Anrechnung bringen, ſo wuͤrde man
wohl zu dem Reſultat kommen, daß die Bearbeitung der
Minen den Ertrag um das Drei- oder Vierfache uͤber-
ſteigt.

Der Euphrat wird dicht unterhalb Kjeban-Maaden
von rauhen Bergen eingeſchloſſen; bald aber flacht ſich das
rechte Ufer mehr und mehr ab, und nachdem der Strom im
weiten Bogen den Fuß des eirunden Berges umſpuͤlt, auf
welchem die Ruinen einer weit ſichtbaren alten Kirche ſich
erheben, hat man rechts die weite Ebene von Malatia.
Erſt bei Kymyrhan, unfern der Keilſchrift, von der ich Dir
fruͤher geſprochen, treten hohe wilde Gebirgsmaſſen von
beiden Seiten zuſammen, und der Strom fließt von nun
an in tiefen ſchauerlichen Felſenſpalten fort. Mit außer-
ordentlicher Schnelligkeit glitt unſer Fahrzeug hin, und das
Strombette war kaum zur Haͤlfte ſo breit, wie es ober-
halb geweſen; bald hoͤrten wir ein fernes Brauſen, von
welchem die ſchroffen Felswaͤnde wiederhallten, und die
beſchleunigte Schnelligkeit, mit der wir fortſchoſſen, benach-
richtigte uns, daß wir in die Naͤhe der Jelan-Degermeni
oder Schlangenmuͤhle gekommen ſeien. Vorſichtig legten
wir an, und beſchauten an einer vorſpringenden Klippe die
Oertlichkeit, ehe wir uns in die Wirbel hinein wagten;
dieſe Stromſchnellen liegen ſtets an ſolchen Punkten, wo
das jaͤhe Bette eines kleinen Gießbachs in den Strom muͤn-
det. Aus der Schlucht ſind im Laufe der Zeit eine Menge
groͤßerer und kleinerer Felstruͤmmer herabgeſtuͤrzt; ſie ha-
ben vor der Muͤndung des Bachs (der an ſich ganz un-
bedeutend) eine Landzunge angeſetzt, welche die Breite des
Stroms vermindert, und oft ſind noch zum Ueberfluß ge-
waltige Steinbloͤcke bis in das Bette ſelbſt gerollt, welche
bei niederm Waſſerſtande hervorragen, bei hoͤherem aber
von der Flut uͤberſpuͤlt ſind, der ſie einen unbeſiegbaren
Widerſtand entgegenſetzen. Der reißende Fluß, verengt
und aus ſeiner Richtung geworfen, brauſet gegen die Un-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0302" n="292"/>
Wollte man jedoch den Werth des Brennmaterials und<lb/>
der Handarbeit in Anrechnung bringen, &#x017F;o wu&#x0364;rde man<lb/>
wohl zu dem Re&#x017F;ultat kommen, daß die Bearbeitung der<lb/>
Minen den Ertrag um das Drei- oder Vierfache u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;teigt.</p><lb/>
          <p>Der Euphrat wird dicht unterhalb Kjeban-Maaden<lb/>
von rauhen Bergen einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en; bald aber flacht &#x017F;ich das<lb/>
rechte Ufer mehr und mehr ab, und nachdem der Strom im<lb/>
weiten Bogen den Fuß des eirunden Berges um&#x017F;pu&#x0364;lt, auf<lb/>
welchem die Ruinen einer weit &#x017F;ichtbaren alten Kirche &#x017F;ich<lb/>
erheben, hat man rechts die weite Ebene von Malatia.<lb/>
Er&#x017F;t bei Kymyrhan, unfern der Keil&#x017F;chrift, von der ich Dir<lb/>
fru&#x0364;her ge&#x017F;prochen, treten hohe wilde Gebirgsma&#x017F;&#x017F;en von<lb/>
beiden Seiten zu&#x017F;ammen, und der Strom fließt von nun<lb/>
an in tiefen &#x017F;chauerlichen Fel&#x017F;en&#x017F;palten fort. Mit außer-<lb/>
ordentlicher Schnelligkeit glitt un&#x017F;er Fahrzeug hin, und das<lb/>
Strombette war kaum zur Ha&#x0364;lfte &#x017F;o breit, wie es ober-<lb/>
halb gewe&#x017F;en; bald ho&#x0364;rten wir ein fernes Brau&#x017F;en, von<lb/>
welchem die &#x017F;chroffen Felswa&#x0364;nde wiederhallten, und die<lb/>
be&#x017F;chleunigte Schnelligkeit, mit der wir fort&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, benach-<lb/>
richtigte uns, daß wir in die Na&#x0364;he der Jelan-Degermeni<lb/>
oder Schlangenmu&#x0364;hle gekommen &#x017F;eien. Vor&#x017F;ichtig legten<lb/>
wir an, und be&#x017F;chauten an einer vor&#x017F;pringenden Klippe die<lb/>
Oertlichkeit, ehe wir uns in die Wirbel hinein wagten;<lb/>
die&#x017F;e Strom&#x017F;chnellen liegen &#x017F;tets an &#x017F;olchen Punkten, wo<lb/>
das ja&#x0364;he Bette eines kleinen Gießbachs in den Strom mu&#x0364;n-<lb/>
det. Aus der Schlucht &#x017F;ind im Laufe der Zeit eine Menge<lb/>
gro&#x0364;ßerer und kleinerer Felstru&#x0364;mmer herabge&#x017F;tu&#x0364;rzt; &#x017F;ie ha-<lb/>
ben vor der Mu&#x0364;ndung des Bachs (der an &#x017F;ich ganz un-<lb/>
bedeutend) eine Landzunge ange&#x017F;etzt, welche die Breite des<lb/>
Stroms vermindert, und oft &#x017F;ind noch zum Ueberfluß ge-<lb/>
waltige Steinblo&#x0364;cke bis in das Bette &#x017F;elb&#x017F;t gerollt, welche<lb/>
bei niederm Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;tande hervorragen, bei ho&#x0364;herem aber<lb/>
von der Flut u&#x0364;ber&#x017F;pu&#x0364;lt &#x017F;ind, der &#x017F;ie einen unbe&#x017F;iegbaren<lb/>
Wider&#x017F;tand entgegen&#x017F;etzen. Der reißende Fluß, verengt<lb/>
und aus &#x017F;einer Richtung geworfen, brau&#x017F;et gegen die Un-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0302] Wollte man jedoch den Werth des Brennmaterials und der Handarbeit in Anrechnung bringen, ſo wuͤrde man wohl zu dem Reſultat kommen, daß die Bearbeitung der Minen den Ertrag um das Drei- oder Vierfache uͤber- ſteigt. Der Euphrat wird dicht unterhalb Kjeban-Maaden von rauhen Bergen eingeſchloſſen; bald aber flacht ſich das rechte Ufer mehr und mehr ab, und nachdem der Strom im weiten Bogen den Fuß des eirunden Berges umſpuͤlt, auf welchem die Ruinen einer weit ſichtbaren alten Kirche ſich erheben, hat man rechts die weite Ebene von Malatia. Erſt bei Kymyrhan, unfern der Keilſchrift, von der ich Dir fruͤher geſprochen, treten hohe wilde Gebirgsmaſſen von beiden Seiten zuſammen, und der Strom fließt von nun an in tiefen ſchauerlichen Felſenſpalten fort. Mit außer- ordentlicher Schnelligkeit glitt unſer Fahrzeug hin, und das Strombette war kaum zur Haͤlfte ſo breit, wie es ober- halb geweſen; bald hoͤrten wir ein fernes Brauſen, von welchem die ſchroffen Felswaͤnde wiederhallten, und die beſchleunigte Schnelligkeit, mit der wir fortſchoſſen, benach- richtigte uns, daß wir in die Naͤhe der Jelan-Degermeni oder Schlangenmuͤhle gekommen ſeien. Vorſichtig legten wir an, und beſchauten an einer vorſpringenden Klippe die Oertlichkeit, ehe wir uns in die Wirbel hinein wagten; dieſe Stromſchnellen liegen ſtets an ſolchen Punkten, wo das jaͤhe Bette eines kleinen Gießbachs in den Strom muͤn- det. Aus der Schlucht ſind im Laufe der Zeit eine Menge groͤßerer und kleinerer Felstruͤmmer herabgeſtuͤrzt; ſie ha- ben vor der Muͤndung des Bachs (der an ſich ganz un- bedeutend) eine Landzunge angeſetzt, welche die Breite des Stroms vermindert, und oft ſind noch zum Ueberfluß ge- waltige Steinbloͤcke bis in das Bette ſelbſt gerollt, welche bei niederm Waſſerſtande hervorragen, bei hoͤherem aber von der Flut uͤberſpuͤlt ſind, der ſie einen unbeſiegbaren Widerſtand entgegenſetzen. Der reißende Fluß, verengt und aus ſeiner Richtung geworfen, brauſet gegen die Un-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/302
Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/302>, abgerufen am 21.11.2024.