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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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um sich sieht; indeß nachdem wir allgemach alle unsere
Aga's nach verschiedenen Seiten ausgeschickt, und ich fast
allein mit dem Pascha und dem Divan-Effendi übrig war,
setzten wir uns in ein Distelfeld und tranken harmlos eine
Pfeife. Pascha-Effendimis, der anfangs sehr zornig, er-
zählte uns, wie er selbst weiland in Tscherkessien verschie-
dene Male desertirt, besonders einmal, als sein Herr Va-
ter ihn an eine lange Kette gelegt, mit sammt der Kette
auf drei Monate sich entfernt habe. Nachdem die Ge-
schichte zu Ende und der Morgen dämmerte, ritten wir
friedlich nach Hause. Funfzehn der Flüchtlinge sind schon
aufgegriffen, sie werden einige hundert Prügel auf die Fuß-
sohle bekommen und dann zu Mansurieh oder Linien-Sol-
daten gebracht; aber ein trauriges Licht wirft dies Aus-
reißen auf unsere Landwehr.

Jch schrieb Dir letzt, daß unser Pascha vor allen Din-
gen der General-Jntendant seines Corps sei. Wie sehr
dies der Fall ist, wirst Du aus folgendem Vorgang ent-
nehmen: Obwohl die Brigade Mehmet-Pascha's ihr
Hauptgepäck von Karput aus direkt durchs Gebirg über
Argana nach Urfa dirigirt (ein Weg, den man mit den
Truppen um der Desertion willen nicht einschlug), so brauchte
sie hier doch nicht weniger als 1000 Mekiereh (Miethpferde),
um den Rest von Trödel fortzuschaffen; ich war im Be-
griff, dem Pascha hierüber Vorstellungen zu machen, als
Hamdy-Bey (einer der intelligentesten unter den türki-
schen Offizieren) mir ein Memoire brachte, welches die Ra-
tionen und Pferde der ägyptisch-syrischen Armee mit den
unserigen verglich. Jch ermunterte ihn, es dem Pascha zu
überreichen, und versprach ihn dabei auf's Beste zu unter-
stützen. Kaum hatte Hafiß-Pascha die erste Zeile gele-
sen, als er sich beifällig erklärte; er führte eine Menge
Beispiele von den Mißbräuchen an, die hier statt finden,
wie ** Pascha 36 Pferde, außer Klepper und Maulthiere,
mit sich schleppe, und noch Mekiereh verlange, um ihnen
Futter nachzutragen u. s. w. Bei der zweiten Zeile aber

um ſich ſieht; indeß nachdem wir allgemach alle unſere
Aga's nach verſchiedenen Seiten ausgeſchickt, und ich faſt
allein mit dem Paſcha und dem Divan-Effendi uͤbrig war,
ſetzten wir uns in ein Diſtelfeld und tranken harmlos eine
Pfeife. Paſcha-Effendimis, der anfangs ſehr zornig, er-
zaͤhlte uns, wie er ſelbſt weiland in Tſcherkeſſien verſchie-
dene Male deſertirt, beſonders einmal, als ſein Herr Va-
ter ihn an eine lange Kette gelegt, mit ſammt der Kette
auf drei Monate ſich entfernt habe. Nachdem die Ge-
ſchichte zu Ende und der Morgen daͤmmerte, ritten wir
friedlich nach Hauſe. Funfzehn der Fluͤchtlinge ſind ſchon
aufgegriffen, ſie werden einige hundert Pruͤgel auf die Fuß-
ſohle bekommen und dann zu Manſurieh oder Linien-Sol-
daten gebracht; aber ein trauriges Licht wirft dies Aus-
reißen auf unſere Landwehr.

Jch ſchrieb Dir letzt, daß unſer Paſcha vor allen Din-
gen der General-Jntendant ſeines Corps ſei. Wie ſehr
dies der Fall iſt, wirſt Du aus folgendem Vorgang ent-
nehmen: Obwohl die Brigade Mehmet-Paſcha's ihr
Hauptgepaͤck von Karput aus direkt durchs Gebirg uͤber
Argana nach Urfa dirigirt (ein Weg, den man mit den
Truppen um der Deſertion willen nicht einſchlug), ſo brauchte
ſie hier doch nicht weniger als 1000 Mekiereh (Miethpferde),
um den Reſt von Troͤdel fortzuſchaffen; ich war im Be-
griff, dem Paſcha hieruͤber Vorſtellungen zu machen, als
Hamdy-Bey (einer der intelligenteſten unter den tuͤrki-
ſchen Offizieren) mir ein Memoire brachte, welches die Ra-
tionen und Pferde der aͤgyptiſch-ſyriſchen Armee mit den
unſerigen verglich. Jch ermunterte ihn, es dem Paſcha zu
uͤberreichen, und verſprach ihn dabei auf's Beſte zu unter-
ſtuͤtzen. Kaum hatte Hafiß-Paſcha die erſte Zeile gele-
ſen, als er ſich beifaͤllig erklaͤrte; er fuͤhrte eine Menge
Beiſpiele von den Mißbraͤuchen an, die hier ſtatt finden,
wie ** Paſcha 36 Pferde, außer Klepper und Maulthiere,
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[310/0320] um ſich ſieht; indeß nachdem wir allgemach alle unſere Aga's nach verſchiedenen Seiten ausgeſchickt, und ich faſt allein mit dem Paſcha und dem Divan-Effendi uͤbrig war, ſetzten wir uns in ein Diſtelfeld und tranken harmlos eine Pfeife. Paſcha-Effendimis, der anfangs ſehr zornig, er- zaͤhlte uns, wie er ſelbſt weiland in Tſcherkeſſien verſchie- dene Male deſertirt, beſonders einmal, als ſein Herr Va- ter ihn an eine lange Kette gelegt, mit ſammt der Kette auf drei Monate ſich entfernt habe. Nachdem die Ge- ſchichte zu Ende und der Morgen daͤmmerte, ritten wir friedlich nach Hauſe. Funfzehn der Fluͤchtlinge ſind ſchon aufgegriffen, ſie werden einige hundert Pruͤgel auf die Fuß- ſohle bekommen und dann zu Manſurieh oder Linien-Sol- daten gebracht; aber ein trauriges Licht wirft dies Aus- reißen auf unſere Landwehr. Jch ſchrieb Dir letzt, daß unſer Paſcha vor allen Din- gen der General-Jntendant ſeines Corps ſei. Wie ſehr dies der Fall iſt, wirſt Du aus folgendem Vorgang ent- nehmen: Obwohl die Brigade Mehmet-Paſcha's ihr Hauptgepaͤck von Karput aus direkt durchs Gebirg uͤber Argana nach Urfa dirigirt (ein Weg, den man mit den Truppen um der Deſertion willen nicht einſchlug), ſo brauchte ſie hier doch nicht weniger als 1000 Mekiereh (Miethpferde), um den Reſt von Troͤdel fortzuſchaffen; ich war im Be- griff, dem Paſcha hieruͤber Vorſtellungen zu machen, als Hamdy-Bey (einer der intelligenteſten unter den tuͤrki- ſchen Offizieren) mir ein Memoire brachte, welches die Ra- tionen und Pferde der aͤgyptiſch-ſyriſchen Armee mit den unſerigen verglich. Jch ermunterte ihn, es dem Paſcha zu uͤberreichen, und verſprach ihn dabei auf's Beſte zu unter- ſtuͤtzen. Kaum hatte Hafiß-Paſcha die erſte Zeile gele- ſen, als er ſich beifaͤllig erklaͤrte; er fuͤhrte eine Menge Beiſpiele von den Mißbraͤuchen an, die hier ſtatt finden, wie ** Paſcha 36 Pferde, außer Klepper und Maulthiere, mit ſich ſchleppe, und noch Mekiereh verlange, um ihnen Futter nachzutragen u. ſ. w. Bei der zweiten Zeile aber

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/320>, abgerufen am 21.11.2024.