kei, zwar sind die Straßen auch hier eng und schmutzig, aber die Häuser haben ein freundliches Ansehen; sie sind aus schönem Sandstein erbaut und Fenster und Thüren sind künstlich geschnitzt; die Dächer bilden flache Terrassen, von welchen aus man eine schöne Aussicht auf den nur zwei Stunden entfernten Erdschiesch, auf das alte Castell im Jnnern der Stadt und die weite fruchtbare Fläche hat, die diese umgiebt. Von den alten Trümmern Cäsarea's habe ich, ich will es nur gestehen, nichts gesehen, die Sor- gen für die kleinen Bedürfnisse der Gegenwart überwiegen bei schnellen Reisen die antiquarischen Jnteressen, und Ruhe, Essen, Postpferde beschäftigen den Ermüdeten dann mehr als Säulenschafte, Sarkophagdeckel und Jnschriften.
Am folgenden Morgen war das Wetter eine Mischung aus Regen, Sturm und Hagel, der Weg aus Sumpf, Stein und Geröll; es war mir anfangs sehr auffallend, auf einer vollkommenen Horizontalfläche zwischen so hohen steilen Ber- gen hinzujagen, bald aber mußten wir einen Sattel erklet- tern und jenseits zogen wir längs eines der Saßnyk oder Sümpfe hin, welche jenen Theil Asiens charakterisiren, und worin fast alle Flüsse nach kurzem Laufe versiegen.
Auf diesem Ritt war mir mein Dragoman abhanden gekommen und ich mußte den Tatar absenden, um ihn wieder einzufangen; dem armen Menschen waren die Hände erstarrt, er war gestürzt und hatte sich den Fuß beschädigt; es blieb aber nichts übrig, als wieder darauf los zu rei- ten nach Jndje-suj (Schmalwasser), einem hübschen Städt- chen in einer Schlucht, aus deren röthlichem Gestein ein großes Hann mit Mauern und Moscheen erbaut ist, wel- ches die ganze Breite des Thals schließt. Dort wurde der erste Physikus requirirt, und es erschien der Tschoban oder Viehhirte, welcher versicherte, daß nichts gebrochen sei, sondern nur eine Quetschung stattgefunden habe; der Dra- goman war aber sehr besorgt und fragte drei Tage lang jeden Menschen, der uns begegnete, ob er nicht ein Ky- rekschi oder Wundarzt sei. Nachdem wir unter fortwäh-
kei, zwar ſind die Straßen auch hier eng und ſchmutzig, aber die Haͤuſer haben ein freundliches Anſehen; ſie ſind aus ſchoͤnem Sandſtein erbaut und Fenſter und Thuͤren ſind kuͤnſtlich geſchnitzt; die Daͤcher bilden flache Terraſſen, von welchen aus man eine ſchoͤne Ausſicht auf den nur zwei Stunden entfernten Erdſchieſch, auf das alte Caſtell im Jnnern der Stadt und die weite fruchtbare Flaͤche hat, die dieſe umgiebt. Von den alten Truͤmmern Caͤſarea's habe ich, ich will es nur geſtehen, nichts geſehen, die Sor- gen fuͤr die kleinen Beduͤrfniſſe der Gegenwart uͤberwiegen bei ſchnellen Reiſen die antiquariſchen Jntereſſen, und Ruhe, Eſſen, Poſtpferde beſchaͤftigen den Ermuͤdeten dann mehr als Saͤulenſchafte, Sarkophagdeckel und Jnſchriften.
Am folgenden Morgen war das Wetter eine Miſchung aus Regen, Sturm und Hagel, der Weg aus Sumpf, Stein und Geroͤll; es war mir anfangs ſehr auffallend, auf einer vollkommenen Horizontalflaͤche zwiſchen ſo hohen ſteilen Ber- gen hinzujagen, bald aber mußten wir einen Sattel erklet- tern und jenſeits zogen wir laͤngs eines der Saßnyk oder Suͤmpfe hin, welche jenen Theil Aſiens charakteriſiren, und worin faſt alle Fluͤſſe nach kurzem Laufe verſiegen.
Auf dieſem Ritt war mir mein Dragoman abhanden gekommen und ich mußte den Tatar abſenden, um ihn wieder einzufangen; dem armen Menſchen waren die Haͤnde erſtarrt, er war geſtuͤrzt und hatte ſich den Fuß beſchaͤdigt; es blieb aber nichts uͤbrig, als wieder darauf los zu rei- ten nach Jndje-ſuj (Schmalwaſſer), einem huͤbſchen Staͤdt- chen in einer Schlucht, aus deren roͤthlichem Geſtein ein großes Hann mit Mauern und Moſcheen erbaut iſt, wel- ches die ganze Breite des Thals ſchließt. Dort wurde der erſte Phyſikus requirirt, und es erſchien der Tſchoban oder Viehhirte, welcher verſicherte, daß nichts gebrochen ſei, ſondern nur eine Quetſchung ſtattgefunden habe; der Dra- goman war aber ſehr beſorgt und fragte drei Tage lang jeden Menſchen, der uns begegnete, ob er nicht ein Ky- rekſchi oder Wundarzt ſei. Nachdem wir unter fortwaͤh-
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kei, zwar ſind die Straßen auch hier eng und ſchmutzig,
aber die Haͤuſer haben ein freundliches Anſehen; ſie ſind
aus ſchoͤnem Sandſtein erbaut und Fenſter und Thuͤren
ſind kuͤnſtlich geſchnitzt; die Daͤcher bilden flache Terraſſen,
von welchen aus man eine ſchoͤne Ausſicht auf den nur
zwei Stunden entfernten Erdſchieſch, auf das alte Caſtell
im Jnnern der Stadt und die weite fruchtbare Flaͤche hat,
die dieſe umgiebt. Von den alten Truͤmmern Caͤſarea's
habe ich, ich will es nur geſtehen, nichts geſehen, die Sor-
gen fuͤr die kleinen Beduͤrfniſſe der Gegenwart uͤberwiegen
bei ſchnellen Reiſen die antiquariſchen Jntereſſen, und Ruhe,
Eſſen, Poſtpferde beſchaͤftigen den Ermuͤdeten dann mehr
als Saͤulenſchafte, Sarkophagdeckel und Jnſchriften.
Am folgenden Morgen war das Wetter eine Miſchung
aus Regen, Sturm und Hagel, der Weg aus Sumpf, Stein
und Geroͤll; es war mir anfangs ſehr auffallend, auf einer
vollkommenen Horizontalflaͤche zwiſchen ſo hohen ſteilen Ber-
gen hinzujagen, bald aber mußten wir einen Sattel erklet-
tern und jenſeits zogen wir laͤngs eines der Saßnyk oder
Suͤmpfe hin, welche jenen Theil Aſiens charakteriſiren, und
worin faſt alle Fluͤſſe nach kurzem Laufe verſiegen.
Auf dieſem Ritt war mir mein Dragoman abhanden
gekommen und ich mußte den Tatar abſenden, um ihn
wieder einzufangen; dem armen Menſchen waren die Haͤnde
erſtarrt, er war geſtuͤrzt und hatte ſich den Fuß beſchaͤdigt;
es blieb aber nichts uͤbrig, als wieder darauf los zu rei-
ten nach Jndje-ſuj (Schmalwaſſer), einem huͤbſchen Staͤdt-
chen in einer Schlucht, aus deren roͤthlichem Geſtein ein
großes Hann mit Mauern und Moſcheen erbaut iſt, wel-
ches die ganze Breite des Thals ſchließt. Dort wurde der
erſte Phyſikus requirirt, und es erſchien der Tſchoban oder
Viehhirte, welcher verſicherte, daß nichts gebrochen ſei,
ſondern nur eine Quetſchung ſtattgefunden habe; der Dra-
goman war aber ſehr beſorgt und fragte drei Tage lang
jeden Menſchen, der uns begegnete, ob er nicht ein Ky-
rekſchi oder Wundarzt ſei. Nachdem wir unter fortwaͤh-
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/325>, abgerufen am 21.11.2024.
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