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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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anzukündigen; das war einigermaßen nöthig, denn der Bey,
auf dessen Wort 2000 Reiter aufsitzen, hatte unlängst sei-
nem jüngsten Sohne für 1500 Rthlr. eine Frau gekauft,
und der achte und letzte Hochzeittag ward eben heut ge-
feiert, auch gab es für mich keine bessere Empfehlung, als
die Suleiman-Pascha's, auf dessen Grund und Boden
der Wanderstamm des Sommers lagerte. Wenn die Mos-
lem nicht recht über die Empfangs-Ceremonie eines Frem-
den mit sich einig sind, so richten sie es gern so ein, daß
sie bei seinem Eintreffen das Gebet verrichten, dann brau-
chen sie von Niemand Kenntniß zu nehmen, und vermei-
den wenigstens das ihnen so lästige und anstößige Aufstehen
vor einem Ungläubigen. Osman-Bey fand ich, nachdem
ich von Musik empfangen worden, in seinem großen Zelte von
schwarzem Ziegenhaar auf dem Teppich knieend und gegen
die Kaaba von Mekka gewendet; es waren schöne seidene
Polster am obern Ende gebreitet, neben einem großen Feuer,
welches unter dem nach einer Seite ganz offenen Zelte lo-
derte, vor demselben war das Leibpferd des Bey, wie üb-
lich, an allen vier Füßen gefesselt und an einen Pflock in
der Erde festgebunden; der Sattel wird auch des Nachts
nicht abgenommen, und ein Tschüll oder eine große Decke
aus Filz ist der einzige Schutz der harten turkmanischen
Pferde gegen die Witterung; die übrigen Rosse sprangen
frei und ohne Fessel auf der Weide herum.

Nachdem ich es mir möglichst bequem gemacht, kam
der Bey herbei, begrüßte mich freundlich, und nachdem Kaf-
fee und Pfeifen das zu Anfange jedes Besuchs schickliche
Stillschweigen gelöset, erkundigte er sich nach meiner kym-
merischen Heimath, ungefähr wie wir einen Mondbewohner
ausfragen würden, wenn er wie ein Meteorstein auf unsern
Planeten herabfiele; er wollte wissen, ob das Meer bei uns
wäre? -- Ja! und des Winters gehen wir darauf spazie-
ren. -- Ob viel Taback bei uns wüchse? -- Wir holten
das Meiste davon aus der neuen Welt. -- Ob es wahr
wäre, daß wir unsern Pferden die Ohren und die Schwänze

anzukuͤndigen; das war einigermaßen noͤthig, denn der Bey,
auf deſſen Wort 2000 Reiter aufſitzen, hatte unlaͤngſt ſei-
nem juͤngſten Sohne fuͤr 1500 Rthlr. eine Frau gekauft,
und der achte und letzte Hochzeittag ward eben heut ge-
feiert, auch gab es fuͤr mich keine beſſere Empfehlung, als
die Suleiman-Paſcha's, auf deſſen Grund und Boden
der Wanderſtamm des Sommers lagerte. Wenn die Mos-
lem nicht recht uͤber die Empfangs-Ceremonie eines Frem-
den mit ſich einig ſind, ſo richten ſie es gern ſo ein, daß
ſie bei ſeinem Eintreffen das Gebet verrichten, dann brau-
chen ſie von Niemand Kenntniß zu nehmen, und vermei-
den wenigſtens das ihnen ſo laͤſtige und anſtoͤßige Aufſtehen
vor einem Unglaͤubigen. Osman-Bey fand ich, nachdem
ich von Muſik empfangen worden, in ſeinem großen Zelte von
ſchwarzem Ziegenhaar auf dem Teppich knieend und gegen
die Kaaba von Mekka gewendet; es waren ſchoͤne ſeidene
Polſter am obern Ende gebreitet, neben einem großen Feuer,
welches unter dem nach einer Seite ganz offenen Zelte lo-
derte, vor demſelben war das Leibpferd des Bey, wie uͤb-
lich, an allen vier Fuͤßen gefeſſelt und an einen Pflock in
der Erde feſtgebunden; der Sattel wird auch des Nachts
nicht abgenommen, und ein Tſchuͤll oder eine große Decke
aus Filz iſt der einzige Schutz der harten turkmaniſchen
Pferde gegen die Witterung; die uͤbrigen Roſſe ſprangen
frei und ohne Feſſel auf der Weide herum.

Nachdem ich es mir moͤglichſt bequem gemacht, kam
der Bey herbei, begruͤßte mich freundlich, und nachdem Kaf-
fee und Pfeifen das zu Anfange jedes Beſuchs ſchickliche
Stillſchweigen geloͤſet, erkundigte er ſich nach meiner kym-
meriſchen Heimath, ungefaͤhr wie wir einen Mondbewohner
ausfragen wuͤrden, wenn er wie ein Meteorſtein auf unſern
Planeten herabfiele; er wollte wiſſen, ob das Meer bei uns
waͤre? — Ja! und des Winters gehen wir darauf ſpazie-
ren. — Ob viel Taback bei uns wuͤchſe? — Wir holten
das Meiſte davon aus der neuen Welt. — Ob es wahr
waͤre, daß wir unſern Pferden die Ohren und die Schwaͤnze

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[327/0337] anzukuͤndigen; das war einigermaßen noͤthig, denn der Bey, auf deſſen Wort 2000 Reiter aufſitzen, hatte unlaͤngſt ſei- nem juͤngſten Sohne fuͤr 1500 Rthlr. eine Frau gekauft, und der achte und letzte Hochzeittag ward eben heut ge- feiert, auch gab es fuͤr mich keine beſſere Empfehlung, als die Suleiman-Paſcha's, auf deſſen Grund und Boden der Wanderſtamm des Sommers lagerte. Wenn die Mos- lem nicht recht uͤber die Empfangs-Ceremonie eines Frem- den mit ſich einig ſind, ſo richten ſie es gern ſo ein, daß ſie bei ſeinem Eintreffen das Gebet verrichten, dann brau- chen ſie von Niemand Kenntniß zu nehmen, und vermei- den wenigſtens das ihnen ſo laͤſtige und anſtoͤßige Aufſtehen vor einem Unglaͤubigen. Osman-Bey fand ich, nachdem ich von Muſik empfangen worden, in ſeinem großen Zelte von ſchwarzem Ziegenhaar auf dem Teppich knieend und gegen die Kaaba von Mekka gewendet; es waren ſchoͤne ſeidene Polſter am obern Ende gebreitet, neben einem großen Feuer, welches unter dem nach einer Seite ganz offenen Zelte lo- derte, vor demſelben war das Leibpferd des Bey, wie uͤb- lich, an allen vier Fuͤßen gefeſſelt und an einen Pflock in der Erde feſtgebunden; der Sattel wird auch des Nachts nicht abgenommen, und ein Tſchuͤll oder eine große Decke aus Filz iſt der einzige Schutz der harten turkmaniſchen Pferde gegen die Witterung; die uͤbrigen Roſſe ſprangen frei und ohne Feſſel auf der Weide herum. Nachdem ich es mir moͤglichſt bequem gemacht, kam der Bey herbei, begruͤßte mich freundlich, und nachdem Kaf- fee und Pfeifen das zu Anfange jedes Beſuchs ſchickliche Stillſchweigen geloͤſet, erkundigte er ſich nach meiner kym- meriſchen Heimath, ungefaͤhr wie wir einen Mondbewohner ausfragen wuͤrden, wenn er wie ein Meteorſtein auf unſern Planeten herabfiele; er wollte wiſſen, ob das Meer bei uns waͤre? — Ja! und des Winters gehen wir darauf ſpazie- ren. — Ob viel Taback bei uns wuͤchſe? — Wir holten das Meiſte davon aus der neuen Welt. — Ob es wahr waͤre, daß wir unſern Pferden die Ohren und die Schwaͤnze

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/337>, abgerufen am 21.11.2024.