anzukündigen; das war einigermaßen nöthig, denn der Bey, auf dessen Wort 2000 Reiter aufsitzen, hatte unlängst sei- nem jüngsten Sohne für 1500 Rthlr. eine Frau gekauft, und der achte und letzte Hochzeittag ward eben heut ge- feiert, auch gab es für mich keine bessere Empfehlung, als die Suleiman-Pascha's, auf dessen Grund und Boden der Wanderstamm des Sommers lagerte. Wenn die Mos- lem nicht recht über die Empfangs-Ceremonie eines Frem- den mit sich einig sind, so richten sie es gern so ein, daß sie bei seinem Eintreffen das Gebet verrichten, dann brau- chen sie von Niemand Kenntniß zu nehmen, und vermei- den wenigstens das ihnen so lästige und anstößige Aufstehen vor einem Ungläubigen. Osman-Bey fand ich, nachdem ich von Musik empfangen worden, in seinem großen Zelte von schwarzem Ziegenhaar auf dem Teppich knieend und gegen die Kaaba von Mekka gewendet; es waren schöne seidene Polster am obern Ende gebreitet, neben einem großen Feuer, welches unter dem nach einer Seite ganz offenen Zelte lo- derte, vor demselben war das Leibpferd des Bey, wie üb- lich, an allen vier Füßen gefesselt und an einen Pflock in der Erde festgebunden; der Sattel wird auch des Nachts nicht abgenommen, und ein Tschüll oder eine große Decke aus Filz ist der einzige Schutz der harten turkmanischen Pferde gegen die Witterung; die übrigen Rosse sprangen frei und ohne Fessel auf der Weide herum.
Nachdem ich es mir möglichst bequem gemacht, kam der Bey herbei, begrüßte mich freundlich, und nachdem Kaf- fee und Pfeifen das zu Anfange jedes Besuchs schickliche Stillschweigen gelöset, erkundigte er sich nach meiner kym- merischen Heimath, ungefähr wie wir einen Mondbewohner ausfragen würden, wenn er wie ein Meteorstein auf unsern Planeten herabfiele; er wollte wissen, ob das Meer bei uns wäre? -- Ja! und des Winters gehen wir darauf spazie- ren. -- Ob viel Taback bei uns wüchse? -- Wir holten das Meiste davon aus der neuen Welt. -- Ob es wahr wäre, daß wir unsern Pferden die Ohren und die Schwänze
anzukuͤndigen; das war einigermaßen noͤthig, denn der Bey, auf deſſen Wort 2000 Reiter aufſitzen, hatte unlaͤngſt ſei- nem juͤngſten Sohne fuͤr 1500 Rthlr. eine Frau gekauft, und der achte und letzte Hochzeittag ward eben heut ge- feiert, auch gab es fuͤr mich keine beſſere Empfehlung, als die Suleiman-Paſcha's, auf deſſen Grund und Boden der Wanderſtamm des Sommers lagerte. Wenn die Mos- lem nicht recht uͤber die Empfangs-Ceremonie eines Frem- den mit ſich einig ſind, ſo richten ſie es gern ſo ein, daß ſie bei ſeinem Eintreffen das Gebet verrichten, dann brau- chen ſie von Niemand Kenntniß zu nehmen, und vermei- den wenigſtens das ihnen ſo laͤſtige und anſtoͤßige Aufſtehen vor einem Unglaͤubigen. Osman-Bey fand ich, nachdem ich von Muſik empfangen worden, in ſeinem großen Zelte von ſchwarzem Ziegenhaar auf dem Teppich knieend und gegen die Kaaba von Mekka gewendet; es waren ſchoͤne ſeidene Polſter am obern Ende gebreitet, neben einem großen Feuer, welches unter dem nach einer Seite ganz offenen Zelte lo- derte, vor demſelben war das Leibpferd des Bey, wie uͤb- lich, an allen vier Fuͤßen gefeſſelt und an einen Pflock in der Erde feſtgebunden; der Sattel wird auch des Nachts nicht abgenommen, und ein Tſchuͤll oder eine große Decke aus Filz iſt der einzige Schutz der harten turkmaniſchen Pferde gegen die Witterung; die uͤbrigen Roſſe ſprangen frei und ohne Feſſel auf der Weide herum.
Nachdem ich es mir moͤglichſt bequem gemacht, kam der Bey herbei, begruͤßte mich freundlich, und nachdem Kaf- fee und Pfeifen das zu Anfange jedes Beſuchs ſchickliche Stillſchweigen geloͤſet, erkundigte er ſich nach meiner kym- meriſchen Heimath, ungefaͤhr wie wir einen Mondbewohner ausfragen wuͤrden, wenn er wie ein Meteorſtein auf unſern Planeten herabfiele; er wollte wiſſen, ob das Meer bei uns waͤre? — Ja! und des Winters gehen wir darauf ſpazie- ren. — Ob viel Taback bei uns wuͤchſe? — Wir holten das Meiſte davon aus der neuen Welt. — Ob es wahr waͤre, daß wir unſern Pferden die Ohren und die Schwaͤnze
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0337"n="327"/>
anzukuͤndigen; das war einigermaßen noͤthig, denn der Bey,<lb/>
auf deſſen Wort 2000 Reiter aufſitzen, hatte unlaͤngſt ſei-<lb/>
nem juͤngſten Sohne fuͤr 1500 Rthlr. eine Frau gekauft,<lb/>
und der achte und letzte Hochzeittag ward eben heut ge-<lb/>
feiert, auch gab es fuͤr mich keine beſſere Empfehlung, als<lb/>
die <hirendition="#g">Suleiman-Paſcha's,</hi> auf deſſen Grund und Boden<lb/>
der Wanderſtamm des Sommers lagerte. Wenn die Mos-<lb/>
lem nicht recht uͤber die Empfangs-Ceremonie eines Frem-<lb/>
den mit ſich einig ſind, ſo richten ſie es gern ſo ein, daß<lb/>ſie bei ſeinem Eintreffen das Gebet verrichten, dann brau-<lb/>
chen ſie von Niemand Kenntniß zu nehmen, und vermei-<lb/>
den wenigſtens das ihnen ſo laͤſtige und anſtoͤßige Aufſtehen<lb/>
vor einem Unglaͤubigen. <hirendition="#g">Osman-Bey</hi> fand ich, nachdem<lb/>
ich von Muſik empfangen worden, in ſeinem großen Zelte von<lb/>ſchwarzem Ziegenhaar auf dem Teppich knieend und gegen<lb/>
die Kaaba von Mekka gewendet; es waren ſchoͤne ſeidene<lb/>
Polſter am obern Ende gebreitet, neben einem großen Feuer,<lb/>
welches unter dem nach einer Seite ganz offenen Zelte lo-<lb/>
derte, vor demſelben war das Leibpferd des Bey, wie uͤb-<lb/>
lich, an allen vier Fuͤßen gefeſſelt und an einen Pflock in<lb/>
der Erde feſtgebunden; der Sattel wird auch des Nachts<lb/>
nicht abgenommen, und ein Tſchuͤll oder eine große Decke<lb/>
aus Filz iſt der einzige Schutz der harten turkmaniſchen<lb/>
Pferde gegen die Witterung; die uͤbrigen Roſſe ſprangen<lb/>
frei und ohne Feſſel auf der Weide herum.</p><lb/><p>Nachdem ich es mir moͤglichſt bequem gemacht, kam<lb/>
der Bey herbei, begruͤßte mich freundlich, und nachdem Kaf-<lb/>
fee und Pfeifen das zu Anfange jedes Beſuchs ſchickliche<lb/>
Stillſchweigen geloͤſet, erkundigte er ſich nach meiner kym-<lb/>
meriſchen Heimath, ungefaͤhr wie wir einen Mondbewohner<lb/>
ausfragen wuͤrden, wenn er wie ein Meteorſtein auf unſern<lb/>
Planeten herabfiele; er wollte wiſſen, ob das Meer bei uns<lb/>
waͤre? — Ja! und des Winters gehen wir darauf ſpazie-<lb/>
ren. — Ob viel Taback bei uns wuͤchſe? — Wir holten<lb/>
das Meiſte davon aus der neuen Welt. — Ob es wahr<lb/>
waͤre, daß wir unſern Pferden die Ohren und die Schwaͤnze<lb/></p></div></body></text></TEI>
[327/0337]
anzukuͤndigen; das war einigermaßen noͤthig, denn der Bey,
auf deſſen Wort 2000 Reiter aufſitzen, hatte unlaͤngſt ſei-
nem juͤngſten Sohne fuͤr 1500 Rthlr. eine Frau gekauft,
und der achte und letzte Hochzeittag ward eben heut ge-
feiert, auch gab es fuͤr mich keine beſſere Empfehlung, als
die Suleiman-Paſcha's, auf deſſen Grund und Boden
der Wanderſtamm des Sommers lagerte. Wenn die Mos-
lem nicht recht uͤber die Empfangs-Ceremonie eines Frem-
den mit ſich einig ſind, ſo richten ſie es gern ſo ein, daß
ſie bei ſeinem Eintreffen das Gebet verrichten, dann brau-
chen ſie von Niemand Kenntniß zu nehmen, und vermei-
den wenigſtens das ihnen ſo laͤſtige und anſtoͤßige Aufſtehen
vor einem Unglaͤubigen. Osman-Bey fand ich, nachdem
ich von Muſik empfangen worden, in ſeinem großen Zelte von
ſchwarzem Ziegenhaar auf dem Teppich knieend und gegen
die Kaaba von Mekka gewendet; es waren ſchoͤne ſeidene
Polſter am obern Ende gebreitet, neben einem großen Feuer,
welches unter dem nach einer Seite ganz offenen Zelte lo-
derte, vor demſelben war das Leibpferd des Bey, wie uͤb-
lich, an allen vier Fuͤßen gefeſſelt und an einen Pflock in
der Erde feſtgebunden; der Sattel wird auch des Nachts
nicht abgenommen, und ein Tſchuͤll oder eine große Decke
aus Filz iſt der einzige Schutz der harten turkmaniſchen
Pferde gegen die Witterung; die uͤbrigen Roſſe ſprangen
frei und ohne Feſſel auf der Weide herum.
Nachdem ich es mir moͤglichſt bequem gemacht, kam
der Bey herbei, begruͤßte mich freundlich, und nachdem Kaf-
fee und Pfeifen das zu Anfange jedes Beſuchs ſchickliche
Stillſchweigen geloͤſet, erkundigte er ſich nach meiner kym-
meriſchen Heimath, ungefaͤhr wie wir einen Mondbewohner
ausfragen wuͤrden, wenn er wie ein Meteorſtein auf unſern
Planeten herabfiele; er wollte wiſſen, ob das Meer bei uns
waͤre? — Ja! und des Winters gehen wir darauf ſpazie-
ren. — Ob viel Taback bei uns wuͤchſe? — Wir holten
das Meiſte davon aus der neuen Welt. — Ob es wahr
waͤre, daß wir unſern Pferden die Ohren und die Schwaͤnze
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/337>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.