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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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über den Gok-suj, auf welcher wir an den Murad ge-
langten. L. ging nun (Jhr müßt Euch die ganze Hand-
lung im ununterbrochenen Gußregen denken) noch in der
Nacht zur Artillerie nach Behesne zurück, ich blieb in Ki-
silinn, um die Keleks abzuwarten und vorzubereiten; L. und
ich verabredeten; auf den erstanlangenden Kelek ein Ge-
schütz aufzuladen und die Wasserfahrt zu versuchen, deren
Gelingen wahrscheinlich, aber doch nicht gewiß war, und
für welche keiner der türkischen Befehlshaber die Verant-
wortlichkeit auf sich nehmen wollte; kam man aber mit Ge-
schütz an, so war kein Einwurf gegen die Sache zu machen.
Zwei peinliche Tage brachte ich zu, kein Kelek erschien, am
dritten Tage ritt ich der Artillerie entgegen; da Sübür-
güsch am Murad der Colonne näher lag, so wurde dort
eine Descente, oder Einschiffungsort gebaut, immer aber
fehlten noch die Fahrzeuge und die Einwilligung des Pa-
scha's. Es mußte daher auch der Landweg recognoscirt
werden, was ich noch denselben Tag mit L. bis Rumkaleh
ausführte; L. ging mit dem Bericht an Scherif-Pascha
zurück, ich zum Commandirenden nach Biradschik, dem ich
auf halbem Wege begegnete.

Es war, wie es scheint, Hafiß-Pascha doch etwas
unheimlich geworden auf seinem Rendezvous, und er fragte
angelegentlich nach der Beschaffenheit der Straße; ich sagte
ihm, daß wir die Ueberzeugung hätten, es sei möglich,
Geschütze darauf fortzubringen, der Weg müsse aber zuvor
ausgebessert werden, und daß es auch dann noch Räder,
Achsen und Pferde, besonders aber Zeit kosten, daß unter
neun Tagen kein Geschütz ankommen, vielleicht aber auch
mehr Zeit vergehen würde. Zugleich brachte ich den Was-
ser-Transport auf dem untern, ganz gefahrlosen Euphrat
(wie schon vor drei Monaten) in Antrag, und der Com-
mandirende verfügte sich nun selbst nach Sübürgüsch, um
die Einschiffung zu betreiben.

Jch ging nach Biradschik, wo ich den 3. Mai Abends
eintraf. Der Stand der Truppen war folgender: Jn Birad-

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uͤber den Gok-ſuj, auf welcher wir an den Murad ge-
langten. L. ging nun (Jhr muͤßt Euch die ganze Hand-
lung im ununterbrochenen Gußregen denken) noch in der
Nacht zur Artillerie nach Behesne zuruͤck, ich blieb in Ki-
ſilinn, um die Keleks abzuwarten und vorzubereiten; L. und
ich verabredeten; auf den erſtanlangenden Kelek ein Ge-
ſchuͤtz aufzuladen und die Waſſerfahrt zu verſuchen, deren
Gelingen wahrſcheinlich, aber doch nicht gewiß war, und
fuͤr welche keiner der tuͤrkiſchen Befehlshaber die Verant-
wortlichkeit auf ſich nehmen wollte; kam man aber mit Ge-
ſchuͤtz an, ſo war kein Einwurf gegen die Sache zu machen.
Zwei peinliche Tage brachte ich zu, kein Kelek erſchien, am
dritten Tage ritt ich der Artillerie entgegen; da Suͤbuͤr-
guͤſch am Murad der Colonne naͤher lag, ſo wurde dort
eine Deſcente, oder Einſchiffungsort gebaut, immer aber
fehlten noch die Fahrzeuge und die Einwilligung des Pa-
ſcha's. Es mußte daher auch der Landweg recognoſcirt
werden, was ich noch denſelben Tag mit L. bis Rumkaleh
ausfuͤhrte; L. ging mit dem Bericht an Scherif-Paſcha
zuruͤck, ich zum Commandirenden nach Biradſchik, dem ich
auf halbem Wege begegnete.

Es war, wie es ſcheint, Hafiß-Paſcha doch etwas
unheimlich geworden auf ſeinem Rendezvous, und er fragte
angelegentlich nach der Beſchaffenheit der Straße; ich ſagte
ihm, daß wir die Ueberzeugung haͤtten, es ſei moͤglich,
Geſchuͤtze darauf fortzubringen, der Weg muͤſſe aber zuvor
ausgebeſſert werden, und daß es auch dann noch Raͤder,
Achſen und Pferde, beſonders aber Zeit koſten, daß unter
neun Tagen kein Geſchuͤtz ankommen, vielleicht aber auch
mehr Zeit vergehen wuͤrde. Zugleich brachte ich den Waſ-
ſer-Transport auf dem untern, ganz gefahrloſen Euphrat
(wie ſchon vor drei Monaten) in Antrag, und der Com-
mandirende verfuͤgte ſich nun ſelbſt nach Suͤbuͤrguͤſch, um
die Einſchiffung zu betreiben.

Jch ging nach Biradſchik, wo ich den 3. Mai Abends
eintraf. Der Stand der Truppen war folgender: Jn Birad-

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[369/0379] uͤber den Gok-ſuj, auf welcher wir an den Murad ge- langten. L. ging nun (Jhr muͤßt Euch die ganze Hand- lung im ununterbrochenen Gußregen denken) noch in der Nacht zur Artillerie nach Behesne zuruͤck, ich blieb in Ki- ſilinn, um die Keleks abzuwarten und vorzubereiten; L. und ich verabredeten; auf den erſtanlangenden Kelek ein Ge- ſchuͤtz aufzuladen und die Waſſerfahrt zu verſuchen, deren Gelingen wahrſcheinlich, aber doch nicht gewiß war, und fuͤr welche keiner der tuͤrkiſchen Befehlshaber die Verant- wortlichkeit auf ſich nehmen wollte; kam man aber mit Ge- ſchuͤtz an, ſo war kein Einwurf gegen die Sache zu machen. Zwei peinliche Tage brachte ich zu, kein Kelek erſchien, am dritten Tage ritt ich der Artillerie entgegen; da Suͤbuͤr- guͤſch am Murad der Colonne naͤher lag, ſo wurde dort eine Deſcente, oder Einſchiffungsort gebaut, immer aber fehlten noch die Fahrzeuge und die Einwilligung des Pa- ſcha's. Es mußte daher auch der Landweg recognoſcirt werden, was ich noch denſelben Tag mit L. bis Rumkaleh ausfuͤhrte; L. ging mit dem Bericht an Scherif-Paſcha zuruͤck, ich zum Commandirenden nach Biradſchik, dem ich auf halbem Wege begegnete. Es war, wie es ſcheint, Hafiß-Paſcha doch etwas unheimlich geworden auf ſeinem Rendezvous, und er fragte angelegentlich nach der Beſchaffenheit der Straße; ich ſagte ihm, daß wir die Ueberzeugung haͤtten, es ſei moͤglich, Geſchuͤtze darauf fortzubringen, der Weg muͤſſe aber zuvor ausgebeſſert werden, und daß es auch dann noch Raͤder, Achſen und Pferde, beſonders aber Zeit koſten, daß unter neun Tagen kein Geſchuͤtz ankommen, vielleicht aber auch mehr Zeit vergehen wuͤrde. Zugleich brachte ich den Waſ- ſer-Transport auf dem untern, ganz gefahrloſen Euphrat (wie ſchon vor drei Monaten) in Antrag, und der Com- mandirende verfuͤgte ſich nun ſelbſt nach Suͤbuͤrguͤſch, um die Einſchiffung zu betreiben. Jch ging nach Biradſchik, wo ich den 3. Mai Abends eintraf. Der Stand der Truppen war folgender: Jn Birad- 24

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/379>, abgerufen am 25.11.2024.