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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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stark gefunden, wenigstens folgte kein Angriff auf diese Re-
cognoscirung; ich schlug vor, unsere Truppen in ihre Zelte
zurückkehren und abkochen, höchstens das erste Treffen un-
term Gewehr zu lassen; man fand dies aber bedenklich,
und wir blieben auch diese Nacht unterm Gewehr. Unsere
Stellung lehnte rechts und links an nicht leicht zu erstei-
gende Höhen, die verschanzte Front war sanft einwärts
gekrümmt. Nach unsern Grundsätzen hatte die Stellung
etwas viel Front und wenig Tiefe, auch war gleich von
Hause aus viel Artillerie aufgestellt; aber wie ich die Fecht-
art der Orientalen kenne, waren eben diese Eigenthümlich-
keiten vortheilhaft, und auch Jbrahim-Pascha scheint sie
so beurtheilt zu haben. Das Gefecht dauert unter diesen
Völkern nur wenige Stunden, der erste Anlauf entscheidet,
zur Anwendung großer Reserven bleibt keine Zeit, es ist ge-
rathen, schon Anfangs viel Kräfte ins Spiel zu bringen und
seine besten Trumpfe gleich auszuspielen; deshalb standen
auch die zuverlässigsten Truppen in erster Linie, die schlech-
testen in Reserve.

Am 22. Juni früh war große Bewegung im feind-
lichen Lager. Mehrere tausend Kameele gingen durch das
Defilee von Misar zurück, dann folgten starke Cavallerie-
massen und etwas Jnfanterie. Man glaubte allgemein an
den Rückzug; ich benachrichtigte aber bald den Pascha, daß
die Richtung des Marsches auf eine Umgehung unserer lin-
ken Flanke deute. Gegen 10 Uhr ritt ich zum Comman-
direnden hinab, ihm die Gewißheit dieses Manövers zu ge-
ben: die Avantgarde war uns fünf Viertelstunden nahe,
zwei Stunden von ihrem Gros entfernt, welches zu Drei-
viertel noch diesseits des Misarbachs stand. M., L. und
ich schlugen einstimmig unter diesen Umständen einen allge-
meinen Angriff vor, der aber auf eine nichts bedeutende
Demonstration unserer traurigen Cavallerie reducirt wurde.

Nachmittag kam der Pascha zu mir auf den Spitzberg,
um sich mit mir über die Lage der Dinge zu berathen; ich
zeigte ihm die Colonnen Jbrahims, die sich nun sämmt-

ſtark gefunden, wenigſtens folgte kein Angriff auf dieſe Re-
cognoſcirung; ich ſchlug vor, unſere Truppen in ihre Zelte
zuruͤckkehren und abkochen, hoͤchſtens das erſte Treffen un-
term Gewehr zu laſſen; man fand dies aber bedenklich,
und wir blieben auch dieſe Nacht unterm Gewehr. Unſere
Stellung lehnte rechts und links an nicht leicht zu erſtei-
gende Hoͤhen, die verſchanzte Front war ſanft einwaͤrts
gekruͤmmt. Nach unſern Grundſaͤtzen hatte die Stellung
etwas viel Front und wenig Tiefe, auch war gleich von
Hauſe aus viel Artillerie aufgeſtellt; aber wie ich die Fecht-
art der Orientalen kenne, waren eben dieſe Eigenthuͤmlich-
keiten vortheilhaft, und auch Jbrahim-Paſcha ſcheint ſie
ſo beurtheilt zu haben. Das Gefecht dauert unter dieſen
Voͤlkern nur wenige Stunden, der erſte Anlauf entſcheidet,
zur Anwendung großer Reſerven bleibt keine Zeit, es iſt ge-
rathen, ſchon Anfangs viel Kraͤfte ins Spiel zu bringen und
ſeine beſten Trumpfe gleich auszuſpielen; deshalb ſtanden
auch die zuverlaͤſſigſten Truppen in erſter Linie, die ſchlech-
teſten in Reſerve.

Am 22. Juni fruͤh war große Bewegung im feind-
lichen Lager. Mehrere tauſend Kameele gingen durch das
Defilee von Miſar zuruͤck, dann folgten ſtarke Cavallerie-
maſſen und etwas Jnfanterie. Man glaubte allgemein an
den Ruͤckzug; ich benachrichtigte aber bald den Paſcha, daß
die Richtung des Marſches auf eine Umgehung unſerer lin-
ken Flanke deute. Gegen 10 Uhr ritt ich zum Comman-
direnden hinab, ihm die Gewißheit dieſes Manoͤvers zu ge-
ben: die Avantgarde war uns fuͤnf Viertelſtunden nahe,
zwei Stunden von ihrem Gros entfernt, welches zu Drei-
viertel noch dieſſeits des Miſarbachs ſtand. M., L. und
ich ſchlugen einſtimmig unter dieſen Umſtaͤnden einen allge-
meinen Angriff vor, der aber auf eine nichts bedeutende
Demonſtration unſerer traurigen Cavallerie reducirt wurde.

Nachmittag kam der Paſcha zu mir auf den Spitzberg,
um ſich mit mir uͤber die Lage der Dinge zu berathen; ich
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[386/0396] ſtark gefunden, wenigſtens folgte kein Angriff auf dieſe Re- cognoſcirung; ich ſchlug vor, unſere Truppen in ihre Zelte zuruͤckkehren und abkochen, hoͤchſtens das erſte Treffen un- term Gewehr zu laſſen; man fand dies aber bedenklich, und wir blieben auch dieſe Nacht unterm Gewehr. Unſere Stellung lehnte rechts und links an nicht leicht zu erſtei- gende Hoͤhen, die verſchanzte Front war ſanft einwaͤrts gekruͤmmt. Nach unſern Grundſaͤtzen hatte die Stellung etwas viel Front und wenig Tiefe, auch war gleich von Hauſe aus viel Artillerie aufgeſtellt; aber wie ich die Fecht- art der Orientalen kenne, waren eben dieſe Eigenthuͤmlich- keiten vortheilhaft, und auch Jbrahim-Paſcha ſcheint ſie ſo beurtheilt zu haben. Das Gefecht dauert unter dieſen Voͤlkern nur wenige Stunden, der erſte Anlauf entſcheidet, zur Anwendung großer Reſerven bleibt keine Zeit, es iſt ge- rathen, ſchon Anfangs viel Kraͤfte ins Spiel zu bringen und ſeine beſten Trumpfe gleich auszuſpielen; deshalb ſtanden auch die zuverlaͤſſigſten Truppen in erſter Linie, die ſchlech- teſten in Reſerve. Am 22. Juni fruͤh war große Bewegung im feind- lichen Lager. Mehrere tauſend Kameele gingen durch das Defilee von Miſar zuruͤck, dann folgten ſtarke Cavallerie- maſſen und etwas Jnfanterie. Man glaubte allgemein an den Ruͤckzug; ich benachrichtigte aber bald den Paſcha, daß die Richtung des Marſches auf eine Umgehung unſerer lin- ken Flanke deute. Gegen 10 Uhr ritt ich zum Comman- direnden hinab, ihm die Gewißheit dieſes Manoͤvers zu ge- ben: die Avantgarde war uns fuͤnf Viertelſtunden nahe, zwei Stunden von ihrem Gros entfernt, welches zu Drei- viertel noch dieſſeits des Miſarbachs ſtand. M., L. und ich ſchlugen einſtimmig unter dieſen Umſtaͤnden einen allge- meinen Angriff vor, der aber auf eine nichts bedeutende Demonſtration unſerer traurigen Cavallerie reducirt wurde. Nachmittag kam der Paſcha zu mir auf den Spitzberg, um ſich mit mir uͤber die Lage der Dinge zu berathen; ich zeigte ihm die Colonnen Jbrahims, die ſich nun ſaͤmmt-

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/396>, abgerufen am 22.11.2024.