stigt werden, bräche aber ein Krieg aus, so wäre der öster- reichische Handel hier vollkommen in der Gewalt der Rus- sen; mit den Waffen sie dann aus ihrer Stellung zu ver- treiben, würde schwer sein, denn die flache Küste verhindert Kriegsschiffe, von der Seeseite nahe zu kommen, während der Zugang zu Lande durch wegelose Moräste vertheidigt ist.
Nun bildet die Donau von Silistria abwärts einen weiten Bogen gegen Norden; bei Czernawoda ist man nur 7 Meilen von Küstendsche am Schwarzen Meere entfernt, man macht aber zu Schiffe einen Weg von 70 Meilen bis zur Höhe von Küstendsche herum. Ueberdies erstreckt sich von Czernawoda aus eine Seereihe, deren Thalsenkung sich bis sehr nahe an Küstendsche heranzieht, und der Gedanke lag daher nahe, hier einen Kanal durchzustechen. Jch habe Dir in einem früheren Brief geschrieben, daß wir das Ter- rain unter diesem Gesichtspunkte geprüft, und namentlich der Hauptmann v. V. die Höhe hinter Küstendsche nivel- lirt, daß diese Höhe zwar an sich nicht sehr bedeutend, aber auf derselben durchaus kein Wasser zur Speisung eines Ka- nals vorhanden sei. Dieser Kanal müßte daher bis zum Niveau des Donauspiegels bei Czernawoda eingeschnitten werden, was eine so unermeßliche Erdarbeit gäbe, daß das Unternehmen als unmöglich anzunehmen ist. Selbst einer Eisenbahn stehen nicht unbedeutende Schwierigkeiten entge- gen; wollte man sich dagegen mit einer Chaussee begnügen, so würde dieser Land-Transport wohl theurer zu stehen kommen, als der Umweg zu Wasser; man verlöre noch au- ßerdem die Verbindung mit Brailow und Gallatz, den De- boucheen der Wallachei und der Moldau, deren Bedeutsam- keit einen sichtlich schnellen Aufschwung nimmt; dazu kömmt, daß das Wiedereinladen in Küstendsche seine großen Uebel- stände haben würde. Der kleine, enge aber wohl beschützte Hafen des Orts ist, nachdem die türkischen Schiffe seit Jahrhunderten ihren Ballast hineingeworfen, fast ganz ver- schüttet, die Rhede aber den Stürmen offen, Küstendsche selbst ist von den Russen so gründlich zerstört, daß zwischen
ſtigt werden, braͤche aber ein Krieg aus, ſo waͤre der oͤſter- reichiſche Handel hier vollkommen in der Gewalt der Ruſ- ſen; mit den Waffen ſie dann aus ihrer Stellung zu ver- treiben, wuͤrde ſchwer ſein, denn die flache Kuͤſte verhindert Kriegsſchiffe, von der Seeſeite nahe zu kommen, waͤhrend der Zugang zu Lande durch wegeloſe Moraͤſte vertheidigt iſt.
Nun bildet die Donau von Siliſtria abwaͤrts einen weiten Bogen gegen Norden; bei Czernawoda iſt man nur 7 Meilen von Kuͤſtendſche am Schwarzen Meere entfernt, man macht aber zu Schiffe einen Weg von 70 Meilen bis zur Hoͤhe von Kuͤſtendſche herum. Ueberdies erſtreckt ſich von Czernawoda aus eine Seereihe, deren Thalſenkung ſich bis ſehr nahe an Kuͤſtendſche heranzieht, und der Gedanke lag daher nahe, hier einen Kanal durchzuſtechen. Jch habe Dir in einem fruͤheren Brief geſchrieben, daß wir das Ter- rain unter dieſem Geſichtspunkte gepruͤft, und namentlich der Hauptmann v. V. die Hoͤhe hinter Kuͤſtendſche nivel- lirt, daß dieſe Hoͤhe zwar an ſich nicht ſehr bedeutend, aber auf derſelben durchaus kein Waſſer zur Speiſung eines Ka- nals vorhanden ſei. Dieſer Kanal muͤßte daher bis zum Niveau des Donauſpiegels bei Czernawoda eingeſchnitten werden, was eine ſo unermeßliche Erdarbeit gaͤbe, daß das Unternehmen als unmoͤglich anzunehmen iſt. Selbſt einer Eiſenbahn ſtehen nicht unbedeutende Schwierigkeiten entge- gen; wollte man ſich dagegen mit einer Chauſſee begnuͤgen, ſo wuͤrde dieſer Land-Transport wohl theurer zu ſtehen kommen, als der Umweg zu Waſſer; man verloͤre noch au- ßerdem die Verbindung mit Brailow und Gallatz, den De- boucheen der Wallachei und der Moldau, deren Bedeutſam- keit einen ſichtlich ſchnellen Aufſchwung nimmt; dazu koͤmmt, daß das Wiedereinladen in Kuͤſtendſche ſeine großen Uebel- ſtaͤnde haben wuͤrde. Der kleine, enge aber wohl beſchuͤtzte Hafen des Orts iſt, nachdem die tuͤrkiſchen Schiffe ſeit Jahrhunderten ihren Ballaſt hineingeworfen, faſt ganz ver- ſchuͤttet, die Rhede aber den Stuͤrmen offen, Kuͤſtendſche ſelbſt iſt von den Ruſſen ſo gruͤndlich zerſtoͤrt, daß zwiſchen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0432"n="422"/>ſtigt werden, braͤche aber ein Krieg aus, ſo waͤre der oͤſter-<lb/>
reichiſche Handel hier vollkommen in der Gewalt der Ruſ-<lb/>ſen; mit den Waffen ſie dann aus ihrer Stellung zu ver-<lb/>
treiben, wuͤrde ſchwer ſein, denn die flache Kuͤſte verhindert<lb/>
Kriegsſchiffe, von der Seeſeite nahe zu kommen, waͤhrend<lb/>
der Zugang zu Lande durch wegeloſe Moraͤſte vertheidigt iſt.</p><lb/><p>Nun bildet die Donau von Siliſtria abwaͤrts einen<lb/>
weiten Bogen gegen Norden; bei Czernawoda iſt man nur<lb/>
7 Meilen von Kuͤſtendſche am Schwarzen Meere entfernt,<lb/>
man macht aber zu Schiffe einen Weg von 70 Meilen bis<lb/>
zur Hoͤhe von Kuͤſtendſche herum. Ueberdies erſtreckt ſich<lb/>
von Czernawoda aus eine Seereihe, deren Thalſenkung ſich<lb/>
bis ſehr nahe an Kuͤſtendſche heranzieht, und der Gedanke<lb/>
lag daher nahe, hier einen Kanal durchzuſtechen. Jch habe<lb/>
Dir in einem fruͤheren Brief geſchrieben, daß wir das Ter-<lb/>
rain unter dieſem Geſichtspunkte gepruͤft, und namentlich<lb/>
der Hauptmann v. V. die Hoͤhe hinter Kuͤſtendſche nivel-<lb/>
lirt, daß dieſe Hoͤhe zwar an ſich nicht ſehr bedeutend, aber<lb/>
auf derſelben durchaus kein Waſſer zur Speiſung eines Ka-<lb/>
nals vorhanden ſei. Dieſer Kanal muͤßte daher bis zum<lb/>
Niveau des Donauſpiegels bei Czernawoda eingeſchnitten<lb/>
werden, was eine ſo unermeßliche Erdarbeit gaͤbe, daß das<lb/>
Unternehmen als unmoͤglich anzunehmen iſt. Selbſt einer<lb/>
Eiſenbahn ſtehen nicht unbedeutende Schwierigkeiten entge-<lb/>
gen; wollte man ſich dagegen mit einer Chauſſee begnuͤgen,<lb/>ſo wuͤrde dieſer Land-Transport wohl theurer zu ſtehen<lb/>
kommen, als der Umweg zu Waſſer; man verloͤre noch au-<lb/>
ßerdem die Verbindung mit Brailow und Gallatz, den De-<lb/>
boucheen der Wallachei und der Moldau, deren Bedeutſam-<lb/>
keit einen ſichtlich ſchnellen Aufſchwung nimmt; dazu koͤmmt,<lb/>
daß das Wiedereinladen in Kuͤſtendſche ſeine großen Uebel-<lb/>ſtaͤnde haben wuͤrde. Der kleine, enge aber wohl beſchuͤtzte<lb/>
Hafen des Orts iſt, nachdem die tuͤrkiſchen Schiffe ſeit<lb/>
Jahrhunderten ihren Ballaſt hineingeworfen, faſt ganz ver-<lb/>ſchuͤttet, die Rhede aber den Stuͤrmen offen, Kuͤſtendſche<lb/>ſelbſt iſt von den Ruſſen ſo gruͤndlich zerſtoͤrt, daß zwiſchen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[422/0432]
ſtigt werden, braͤche aber ein Krieg aus, ſo waͤre der oͤſter-
reichiſche Handel hier vollkommen in der Gewalt der Ruſ-
ſen; mit den Waffen ſie dann aus ihrer Stellung zu ver-
treiben, wuͤrde ſchwer ſein, denn die flache Kuͤſte verhindert
Kriegsſchiffe, von der Seeſeite nahe zu kommen, waͤhrend
der Zugang zu Lande durch wegeloſe Moraͤſte vertheidigt iſt.
Nun bildet die Donau von Siliſtria abwaͤrts einen
weiten Bogen gegen Norden; bei Czernawoda iſt man nur
7 Meilen von Kuͤſtendſche am Schwarzen Meere entfernt,
man macht aber zu Schiffe einen Weg von 70 Meilen bis
zur Hoͤhe von Kuͤſtendſche herum. Ueberdies erſtreckt ſich
von Czernawoda aus eine Seereihe, deren Thalſenkung ſich
bis ſehr nahe an Kuͤſtendſche heranzieht, und der Gedanke
lag daher nahe, hier einen Kanal durchzuſtechen. Jch habe
Dir in einem fruͤheren Brief geſchrieben, daß wir das Ter-
rain unter dieſem Geſichtspunkte gepruͤft, und namentlich
der Hauptmann v. V. die Hoͤhe hinter Kuͤſtendſche nivel-
lirt, daß dieſe Hoͤhe zwar an ſich nicht ſehr bedeutend, aber
auf derſelben durchaus kein Waſſer zur Speiſung eines Ka-
nals vorhanden ſei. Dieſer Kanal muͤßte daher bis zum
Niveau des Donauſpiegels bei Czernawoda eingeſchnitten
werden, was eine ſo unermeßliche Erdarbeit gaͤbe, daß das
Unternehmen als unmoͤglich anzunehmen iſt. Selbſt einer
Eiſenbahn ſtehen nicht unbedeutende Schwierigkeiten entge-
gen; wollte man ſich dagegen mit einer Chauſſee begnuͤgen,
ſo wuͤrde dieſer Land-Transport wohl theurer zu ſtehen
kommen, als der Umweg zu Waſſer; man verloͤre noch au-
ßerdem die Verbindung mit Brailow und Gallatz, den De-
boucheen der Wallachei und der Moldau, deren Bedeutſam-
keit einen ſichtlich ſchnellen Aufſchwung nimmt; dazu koͤmmt,
daß das Wiedereinladen in Kuͤſtendſche ſeine großen Uebel-
ſtaͤnde haben wuͤrde. Der kleine, enge aber wohl beſchuͤtzte
Hafen des Orts iſt, nachdem die tuͤrkiſchen Schiffe ſeit
Jahrhunderten ihren Ballaſt hineingeworfen, faſt ganz ver-
ſchuͤttet, die Rhede aber den Stuͤrmen offen, Kuͤſtendſche
ſelbſt iſt von den Ruſſen ſo gruͤndlich zerſtoͤrt, daß zwiſchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/432>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.