diese stehen unter dem Befehl der eigentlichen Kadynn oder Hanumm, der Frau vom Hause. Welche reiche Quelle aber von Zwist und Hader, von Eifersucht und Ränken ein sol- ches Verhältniß abgiebt, ist leicht einzusehen.
Die Weiber sind streng bewacht und von allem Um- gang, außer mit Frauen, geschieden. Jn diesem Punkte sind alle Muselmänner einverstanden, und die Reformen werden gewiß zu allerletzt in die Harems dringen. Die Fenster sind mit Holzgittern und dahinter von oben bis unten mit dichtem Rohrgeflechte geschlossen, so, daß Nie- mand von Außen das Mindeste vom Jnnern erblickt. Ge- wöhnlich gestattet ein kleines rundes Loch diesen Gefangenen einen Blick hinaus in die schöne freie Welt, oft aber siehst Du auch 20 bis 30 Fuß hohe Bretterverschläge, welche den reizenden Anblick des Bosphor verstecken, damit die vorüberfahrenden Kaiks mit Männern nicht von den Frauen bemerkt werden. Es ist freilich bequemer, der einzige Mann zu sein, den die Frau sieht, als unter vielen der liebens- würdigste. Auf Promenaden, in den Kähnen oder im Wa- gen sitzen Frauen stets nur mit Frauen beisammen. Wenn der Mann seiner Gattin auf der Straße begegnet, so wäre es die größte Unschicklichkeit, sie zu grüßen, oder nur Miene zu machen, daß er sie erkenne; deßhalb ist auch der Anzug der Frauen in ihrem Hause eben so übertrieben frei, wie er außerhalb übertrieben verhüllt ist. Ein weißer Schleier bedeckt das Haar und die Stirn bis zu den Augenbrau- nen, ein anderer Kinn, Mund und Nase. -- Die größte Reform in dem Schicksal der türkischen Frauen besteht darin, daß bei Begünstigten, wie denen des Großherrn, die Nasenspitze und ein paar Locken an den Seiten sichtbar geworden sind. Den Rest des Körpers bedeckt ein weites Gewand aus einem leichten schwarzen, hellblauen oder brau- nen Stoff. Eben so unschön ist die Fußbekleidung, aus ledernen Strümpfen und Pantoffeln bestehend, welche bei den Türkinnen gelb, bei den Armenierinnen roth, bei den Griechinnen schwarz und bei den Jüdinnen blau sind. So
dieſe ſtehen unter dem Befehl der eigentlichen Kadynn oder Hanumm, der Frau vom Hauſe. Welche reiche Quelle aber von Zwiſt und Hader, von Eiferſucht und Raͤnken ein ſol- ches Verhaͤltniß abgiebt, iſt leicht einzuſehen.
Die Weiber ſind ſtreng bewacht und von allem Um- gang, außer mit Frauen, geſchieden. Jn dieſem Punkte ſind alle Muſelmaͤnner einverſtanden, und die Reformen werden gewiß zu allerletzt in die Harems dringen. Die Fenſter ſind mit Holzgittern und dahinter von oben bis unten mit dichtem Rohrgeflechte geſchloſſen, ſo, daß Nie- mand von Außen das Mindeſte vom Jnnern erblickt. Ge- woͤhnlich geſtattet ein kleines rundes Loch dieſen Gefangenen einen Blick hinaus in die ſchoͤne freie Welt, oft aber ſiehſt Du auch 20 bis 30 Fuß hohe Bretterverſchlaͤge, welche den reizenden Anblick des Bosphor verſtecken, damit die voruͤberfahrenden Kaiks mit Maͤnnern nicht von den Frauen bemerkt werden. Es iſt freilich bequemer, der einzige Mann zu ſein, den die Frau ſieht, als unter vielen der liebens- wuͤrdigſte. Auf Promenaden, in den Kaͤhnen oder im Wa- gen ſitzen Frauen ſtets nur mit Frauen beiſammen. Wenn der Mann ſeiner Gattin auf der Straße begegnet, ſo waͤre es die groͤßte Unſchicklichkeit, ſie zu gruͤßen, oder nur Miene zu machen, daß er ſie erkenne; deßhalb iſt auch der Anzug der Frauen in ihrem Hauſe eben ſo uͤbertrieben frei, wie er außerhalb uͤbertrieben verhuͤllt iſt. Ein weißer Schleier bedeckt das Haar und die Stirn bis zu den Augenbrau- nen, ein anderer Kinn, Mund und Naſe. — Die groͤßte Reform in dem Schickſal der tuͤrkiſchen Frauen beſteht darin, daß bei Beguͤnſtigten, wie denen des Großherrn, die Naſenſpitze und ein paar Locken an den Seiten ſichtbar geworden ſind. Den Reſt des Koͤrpers bedeckt ein weites Gewand aus einem leichten ſchwarzen, hellblauen oder brau- nen Stoff. Eben ſo unſchoͤn iſt die Fußbekleidung, aus ledernen Struͤmpfen und Pantoffeln beſtehend, welche bei den Tuͤrkinnen gelb, bei den Armenierinnen roth, bei den Griechinnen ſchwarz und bei den Juͤdinnen blau ſind. So
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dieſe ſtehen unter dem Befehl der eigentlichen Kadynn oder
Hanumm, der Frau vom Hauſe. Welche reiche Quelle aber
von Zwiſt und Hader, von Eiferſucht und Raͤnken ein ſol-
ches Verhaͤltniß abgiebt, iſt leicht einzuſehen.
Die Weiber ſind ſtreng bewacht und von allem Um-
gang, außer mit Frauen, geſchieden. Jn dieſem Punkte
ſind alle Muſelmaͤnner einverſtanden, und die Reformen
werden gewiß zu allerletzt in die Harems dringen. Die
Fenſter ſind mit Holzgittern und dahinter von oben bis
unten mit dichtem Rohrgeflechte geſchloſſen, ſo, daß Nie-
mand von Außen das Mindeſte vom Jnnern erblickt. Ge-
woͤhnlich geſtattet ein kleines rundes Loch dieſen Gefangenen
einen Blick hinaus in die ſchoͤne freie Welt, oft aber ſiehſt
Du auch 20 bis 30 Fuß hohe Bretterverſchlaͤge, welche
den reizenden Anblick des Bosphor verſtecken, damit die
voruͤberfahrenden Kaiks mit Maͤnnern nicht von den Frauen
bemerkt werden. Es iſt freilich bequemer, der einzige Mann
zu ſein, den die Frau ſieht, als unter vielen der liebens-
wuͤrdigſte. Auf Promenaden, in den Kaͤhnen oder im Wa-
gen ſitzen Frauen ſtets nur mit Frauen beiſammen. Wenn
der Mann ſeiner Gattin auf der Straße begegnet, ſo waͤre
es die groͤßte Unſchicklichkeit, ſie zu gruͤßen, oder nur Miene
zu machen, daß er ſie erkenne; deßhalb iſt auch der Anzug
der Frauen in ihrem Hauſe eben ſo uͤbertrieben frei, wie
er außerhalb uͤbertrieben verhuͤllt iſt. Ein weißer Schleier
bedeckt das Haar und die Stirn bis zu den Augenbrau-
nen, ein anderer Kinn, Mund und Naſe. — Die groͤßte
Reform in dem Schickſal der tuͤrkiſchen Frauen beſteht
darin, daß bei Beguͤnſtigten, wie denen des Großherrn, die
Naſenſpitze und ein paar Locken an den Seiten ſichtbar
geworden ſind. Den Reſt des Koͤrpers bedeckt ein weites
Gewand aus einem leichten ſchwarzen, hellblauen oder brau-
nen Stoff. Eben ſo unſchoͤn iſt die Fußbekleidung, aus
ledernen Struͤmpfen und Pantoffeln beſtehend, welche bei
den Tuͤrkinnen gelb, bei den Armenierinnen roth, bei den
Griechinnen ſchwarz und bei den Juͤdinnen blau ſind. So
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/46>, abgerufen am 23.11.2024.
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