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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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schleichen sie langsam und schwankend wie Gespenster, un-
erfreulichen Anblicks einher.

Gewiß sind die Gesichter der Türkinnen im Allgemei-
nen sehr schön. Fast alle Frauen im Orient haben den
köstlichsten Teint, wundervolle Augen und breite gewölbte
Augenbraunen. Wenn diese über der Nase zusammensto-
ßen, so ist das eine Schönheit, und türkische Frauen er-
setzen den Mangel jenes Reizes, indem sie mit schwarzer
Farbe einen Stern oder einen Halbmond zwischen die Brau-
nen malen; auch wird der Schwärze der Wimpern nach-
geholfen, indem sie einen gefärbten Zwirnsfaden zwischen
den Augenliedern durchziehen, und die Nägel, selbst das
Jnnere der Hand und oft auch die Fußsohlen werden mit
Khennah roth gemalt. -- Die beständig sitzende Lebens-
weise hat aber den türkischen Frauen alle Anmuth der Be-
wegung, die Einkerkerung jede Lebhaftigkeit des Geistes ge-
raubt, und sie stehen in Hinsicht auf Bildung noch eine
Stufe unter den Männern.

Wer sich durch "Tausend und Eine Nacht" verleiten
läßt, das Land der Liebesabenteuer in der Türkei zu su-
chen, kennt die Verhältnisse wenig. Bei den Arabern mag
es anders gewesen sein, aber bei den Türken herrscht in
dieser Beziehung die trockenste Prosa. Jch glaube, daß
aus dem, was ich oben beschrieben, hervorleuchtet, daß es
zu Liebesintriguen den Frauen an Temperament, wenigstens
an Geist, den Männern aber an Möglichkeit fehlt. Wird
eine türkische Frau je des Treubruchs mit einem Moslem
überführt, so verstößt sie ihr Gemahl mit Schimpf; hatte
sie aber Verkehr mit einem Rajah, d. h. mit einem christ-
lichen Unterthan der Pforte, so wird sie noch heute, im
Jahre 1836, ohne Gnade ersäuft und der Rajah gehenkt.
Jch bin selbst Zeuge dieser letzten Barbarei gewesen.

Auf einem Spaziergang auf der asiatischen Küste be-
gegnete ich unlängst einer Koppel schwarzer Sclavinnen,
die, ich glaube, aus Oberägypten kamen, wo die Weiber
eben so garstig, als die in Nubien schön sind. Jene gli-

ſchleichen ſie langſam und ſchwankend wie Geſpenſter, un-
erfreulichen Anblicks einher.

Gewiß ſind die Geſichter der Tuͤrkinnen im Allgemei-
nen ſehr ſchoͤn. Faſt alle Frauen im Orient haben den
koͤſtlichſten Teint, wundervolle Augen und breite gewoͤlbte
Augenbraunen. Wenn dieſe uͤber der Naſe zuſammenſto-
ßen, ſo iſt das eine Schoͤnheit, und tuͤrkiſche Frauen er-
ſetzen den Mangel jenes Reizes, indem ſie mit ſchwarzer
Farbe einen Stern oder einen Halbmond zwiſchen die Brau-
nen malen; auch wird der Schwaͤrze der Wimpern nach-
geholfen, indem ſie einen gefaͤrbten Zwirnsfaden zwiſchen
den Augenliedern durchziehen, und die Naͤgel, ſelbſt das
Jnnere der Hand und oft auch die Fußſohlen werden mit
Khennah roth gemalt. — Die beſtaͤndig ſitzende Lebens-
weiſe hat aber den tuͤrkiſchen Frauen alle Anmuth der Be-
wegung, die Einkerkerung jede Lebhaftigkeit des Geiſtes ge-
raubt, und ſie ſtehen in Hinſicht auf Bildung noch eine
Stufe unter den Maͤnnern.

Wer ſich durch „Tauſend und Eine Nacht“ verleiten
laͤßt, das Land der Liebesabenteuer in der Tuͤrkei zu ſu-
chen, kennt die Verhaͤltniſſe wenig. Bei den Arabern mag
es anders geweſen ſein, aber bei den Tuͤrken herrſcht in
dieſer Beziehung die trockenſte Proſa. Jch glaube, daß
aus dem, was ich oben beſchrieben, hervorleuchtet, daß es
zu Liebesintriguen den Frauen an Temperament, wenigſtens
an Geiſt, den Maͤnnern aber an Moͤglichkeit fehlt. Wird
eine tuͤrkiſche Frau je des Treubruchs mit einem Moslem
uͤberfuͤhrt, ſo verſtoͤßt ſie ihr Gemahl mit Schimpf; hatte
ſie aber Verkehr mit einem Rajah, d. h. mit einem chriſt-
lichen Unterthan der Pforte, ſo wird ſie noch heute, im
Jahre 1836, ohne Gnade erſaͤuft und der Rajah gehenkt.
Jch bin ſelbſt Zeuge dieſer letzten Barbarei geweſen.

Auf einem Spaziergang auf der aſiatiſchen Kuͤſte be-
gegnete ich unlaͤngſt einer Koppel ſchwarzer Sclavinnen,
die, ich glaube, aus Oberaͤgypten kamen, wo die Weiber
eben ſo garſtig, als die in Nubien ſchoͤn ſind. Jene gli-

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[37/0047] ſchleichen ſie langſam und ſchwankend wie Geſpenſter, un- erfreulichen Anblicks einher. Gewiß ſind die Geſichter der Tuͤrkinnen im Allgemei- nen ſehr ſchoͤn. Faſt alle Frauen im Orient haben den koͤſtlichſten Teint, wundervolle Augen und breite gewoͤlbte Augenbraunen. Wenn dieſe uͤber der Naſe zuſammenſto- ßen, ſo iſt das eine Schoͤnheit, und tuͤrkiſche Frauen er- ſetzen den Mangel jenes Reizes, indem ſie mit ſchwarzer Farbe einen Stern oder einen Halbmond zwiſchen die Brau- nen malen; auch wird der Schwaͤrze der Wimpern nach- geholfen, indem ſie einen gefaͤrbten Zwirnsfaden zwiſchen den Augenliedern durchziehen, und die Naͤgel, ſelbſt das Jnnere der Hand und oft auch die Fußſohlen werden mit Khennah roth gemalt. — Die beſtaͤndig ſitzende Lebens- weiſe hat aber den tuͤrkiſchen Frauen alle Anmuth der Be- wegung, die Einkerkerung jede Lebhaftigkeit des Geiſtes ge- raubt, und ſie ſtehen in Hinſicht auf Bildung noch eine Stufe unter den Maͤnnern. Wer ſich durch „Tauſend und Eine Nacht“ verleiten laͤßt, das Land der Liebesabenteuer in der Tuͤrkei zu ſu- chen, kennt die Verhaͤltniſſe wenig. Bei den Arabern mag es anders geweſen ſein, aber bei den Tuͤrken herrſcht in dieſer Beziehung die trockenſte Proſa. Jch glaube, daß aus dem, was ich oben beſchrieben, hervorleuchtet, daß es zu Liebesintriguen den Frauen an Temperament, wenigſtens an Geiſt, den Maͤnnern aber an Moͤglichkeit fehlt. Wird eine tuͤrkiſche Frau je des Treubruchs mit einem Moslem uͤberfuͤhrt, ſo verſtoͤßt ſie ihr Gemahl mit Schimpf; hatte ſie aber Verkehr mit einem Rajah, d. h. mit einem chriſt- lichen Unterthan der Pforte, ſo wird ſie noch heute, im Jahre 1836, ohne Gnade erſaͤuft und der Rajah gehenkt. Jch bin ſelbſt Zeuge dieſer letzten Barbarei geweſen. Auf einem Spaziergang auf der aſiatiſchen Kuͤſte be- gegnete ich unlaͤngſt einer Koppel ſchwarzer Sclavinnen, die, ich glaube, aus Oberaͤgypten kamen, wo die Weiber eben ſo garſtig, als die in Nubien ſchoͤn ſind. Jene gli-

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/47>, abgerufen am 21.11.2024.