Berge, wo der warme Hauch des Südwinds den Schnee verschwinden läßt. Die plätschernden Wellen des Bos- phorus erfreuen das Auge mit ihrem tiefen Blau und die warme Sonne funkelt am wolkenlosen Himmel.
Niemand nimmt hier Anstand, sich mitten auf der Straße, oder wo es ihm gerade am besten gefällt, hinzu- setzen, eine Pfeife zu rauchen oder Kaffee zu trinken. Für diesen Zweck giebt es aber auch am Bosphor reizende Plätzchen. Der Fuß der riesenhaften Platanen ist gewöhn- lich mit einer niedrigen Terrasse umgeben. Daneben fin- det sich auch allemal eine Fontaine und ein kleines Kaffee- haus, aus dessen Dache oft mächtige Baumstämme hervor- wachsen. Man breitet Dir sogleich eine Bastmatte (Hassir) und einen Teppich (Kilim) aus, wenn Du Dich legen, oder stellt einen niedrigen Rohrschemel, wenn Du sitzen willst. Das Rohr oder die Wasserpfeife ist schon bereit und der Kaffee versteht sich von selbst. Das jenseitige asiatische Ufer ist so nahe, daß man die Leute erkennt, welche dort herumwandeln. Schaaren von Delphinen tanzen um die großen Schiffe, welche auf- und abgleiten, und dicht vor- über ziehen in ununterbrochener Folge die Kaiks mit Frauen, mit vornehmen Efendi's, mit Mollah oder mit Fremden.
Gestern saß ich an einem solchen Ort, als das große Kaik des Padischah schnell herangeschossen kam. Die lan- ge, reich vergoldete Spitze, mit der Seemöve als Wahr- zeichen, schnitt wie ein Pfeil durch die Fluth, und vierzehn Paar Ruder bezeichneten durch einen schneeweißen Streif auf der dunkelblauen Fläche die Bahn des kaiserlichen Na- chens. Auf dem Hintertheil desselben erhebt sich ein Bal- dachin, unter welchem der Beherrscher der Gläubigen auf rothen Sammetpolstern sitzt. Vor ihm knieen seine Pagen, hinter ihm steht der Reis oder Steuermann am Ruder. Jn einiger Entfernung folgt allezeit ein eben solches Kaik leer; denn das Herkommen will, daß der Großherr die Rückfahrt nie in demselben Fahrzeuge macht, in welchem er gekommen.
Berge, wo der warme Hauch des Suͤdwinds den Schnee verſchwinden laͤßt. Die plaͤtſchernden Wellen des Bos- phorus erfreuen das Auge mit ihrem tiefen Blau und die warme Sonne funkelt am wolkenloſen Himmel.
Niemand nimmt hier Anſtand, ſich mitten auf der Straße, oder wo es ihm gerade am beſten gefaͤllt, hinzu- ſetzen, eine Pfeife zu rauchen oder Kaffee zu trinken. Fuͤr dieſen Zweck giebt es aber auch am Bosphor reizende Plaͤtzchen. Der Fuß der rieſenhaften Platanen iſt gewoͤhn- lich mit einer niedrigen Terraſſe umgeben. Daneben fin- det ſich auch allemal eine Fontaine und ein kleines Kaffee- haus, aus deſſen Dache oft maͤchtige Baumſtaͤmme hervor- wachſen. Man breitet Dir ſogleich eine Baſtmatte (Haſſir) und einen Teppich (Kilim) aus, wenn Du Dich legen, oder ſtellt einen niedrigen Rohrſchemel, wenn Du ſitzen willſt. Das Rohr oder die Waſſerpfeife iſt ſchon bereit und der Kaffee verſteht ſich von ſelbſt. Das jenſeitige aſiatiſche Ufer iſt ſo nahe, daß man die Leute erkennt, welche dort herumwandeln. Schaaren von Delphinen tanzen um die großen Schiffe, welche auf- und abgleiten, und dicht vor- uͤber ziehen in ununterbrochener Folge die Kaiks mit Frauen, mit vornehmen Efendi's, mit Mollah oder mit Fremden.
Geſtern ſaß ich an einem ſolchen Ort, als das große Kaik des Padiſchah ſchnell herangeſchoſſen kam. Die lan- ge, reich vergoldete Spitze, mit der Seemoͤve als Wahr- zeichen, ſchnitt wie ein Pfeil durch die Fluth, und vierzehn Paar Ruder bezeichneten durch einen ſchneeweißen Streif auf der dunkelblauen Flaͤche die Bahn des kaiſerlichen Na- chens. Auf dem Hintertheil deſſelben erhebt ſich ein Bal- dachin, unter welchem der Beherrſcher der Glaͤubigen auf rothen Sammetpolſtern ſitzt. Vor ihm knieen ſeine Pagen, hinter ihm ſteht der Reïs oder Steuermann am Ruder. Jn einiger Entfernung folgt allezeit ein eben ſolches Kaik leer; denn das Herkommen will, daß der Großherr die Ruͤckfahrt nie in demſelben Fahrzeuge macht, in welchem er gekommen.
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Berge, wo der warme Hauch des Suͤdwinds den Schnee
verſchwinden laͤßt. Die plaͤtſchernden Wellen des Bos-
phorus erfreuen das Auge mit ihrem tiefen Blau und die
warme Sonne funkelt am wolkenloſen Himmel.
Niemand nimmt hier Anſtand, ſich mitten auf der
Straße, oder wo es ihm gerade am beſten gefaͤllt, hinzu-
ſetzen, eine Pfeife zu rauchen oder Kaffee zu trinken. Fuͤr
dieſen Zweck giebt es aber auch am Bosphor reizende
Plaͤtzchen. Der Fuß der rieſenhaften Platanen iſt gewoͤhn-
lich mit einer niedrigen Terraſſe umgeben. Daneben fin-
det ſich auch allemal eine Fontaine und ein kleines Kaffee-
haus, aus deſſen Dache oft maͤchtige Baumſtaͤmme hervor-
wachſen. Man breitet Dir ſogleich eine Baſtmatte (Haſſir)
und einen Teppich (Kilim) aus, wenn Du Dich legen, oder
ſtellt einen niedrigen Rohrſchemel, wenn Du ſitzen willſt.
Das Rohr oder die Waſſerpfeife iſt ſchon bereit und der
Kaffee verſteht ſich von ſelbſt. Das jenſeitige aſiatiſche
Ufer iſt ſo nahe, daß man die Leute erkennt, welche dort
herumwandeln. Schaaren von Delphinen tanzen um die
großen Schiffe, welche auf- und abgleiten, und dicht vor-
uͤber ziehen in ununterbrochener Folge die Kaiks mit Frauen,
mit vornehmen Efendi's, mit Mollah oder mit Fremden.
Geſtern ſaß ich an einem ſolchen Ort, als das große
Kaik des Padiſchah ſchnell herangeſchoſſen kam. Die lan-
ge, reich vergoldete Spitze, mit der Seemoͤve als Wahr-
zeichen, ſchnitt wie ein Pfeil durch die Fluth, und vierzehn
Paar Ruder bezeichneten durch einen ſchneeweißen Streif
auf der dunkelblauen Flaͤche die Bahn des kaiſerlichen Na-
chens. Auf dem Hintertheil deſſelben erhebt ſich ein Bal-
dachin, unter welchem der Beherrſcher der Glaͤubigen auf
rothen Sammetpolſtern ſitzt. Vor ihm knieen ſeine Pagen,
hinter ihm ſteht der Reïs oder Steuermann am Ruder.
Jn einiger Entfernung folgt allezeit ein eben ſolches Kaik
leer; denn das Herkommen will, daß der Großherr die
Ruͤckfahrt nie in demſelben Fahrzeuge macht, in welchem
er gekommen.
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/52>, abgerufen am 04.12.2024.
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