Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

behalten, aber sie fügten die Minarehs hinzu, welche ara-
bisch sind.

Die Hanns sind die einzigen steinernen Wohnhäuser,
die man findet; sie bilden ein Viereck, in dessen Hof sich,
bei den größern wenigstens, eine Moschee, eine Fontaine,
ein kleiner Kiosk für vornehme Reisende, und einige Maul-
beerbäume oder Platanen befinden. Rings um die innere
Seite läuft ein Säulengang mit Spitzbogen. Die äußere
Fronte enthält eine Reihe ganz gleicher Zellen, jede mit
einer eigenen Kuppel überwölbt. Eine Strohmatte ist das
einzige Möbel, welches der Reisende findet, auch ist da we-
der Bedienung noch Essen zu haben. Jeder bringt mit,
was er braucht.

Unser Mittagsmahl nahmen wir ganz türkisch beim
Kiebabtschi ein; nachdem wir die Hände gewaschen, setzten
wir uns nicht an, sondern auf den Tisch, wobei mir meine
Beine schrecklich im Wege waren. Dann erschien auf einer
hölzernen Scheibe der Kiebab oder kleine Stückchen Ham-
melfleisch am Spieß gebraten und in Brotteig eingewickelt,
ein sehr gutes schmackhaftes Gericht; darauf eine Schüs-
sel mit gesalzenen Oliven, die ganz vortrefflich sind, der Hel-
wa, oder die beliebte süße Schüssel, und eine Schaale mit
Scherbett (ein Aufguß von Wasser auf Trauben mit einem
Stückchen Eis darin), zusammen ein Diner, welches für
zwei herzhafte Esser 120 Para oder fünf Silbergroschen
kostete.

Von der Annehmlichkeit der türkischen Bäder habe ich
Dir schon früher geschrieben. Die von Brussa zeichnen
sich dadurch aus, daß sie nicht durch Kunst, sondern von
Natur dergestalt geheizt sind, daß man es anfänglich für
unmöglich hält, in das große klare Bassin zu steigen, ohne
gesotten wieder herauszukommen. Von der Terrasse un-
seres Bades hatte man eine wunderschöne Aussicht, und
es war so behaglich da, daß man gar nicht fort mochte.

Am 13. Abends ritten wir nach Kemlik am Ende der
Bucht von Mudania, wo eine Schiffswerft sich befindet.

behalten, aber ſie fuͤgten die Minarehs hinzu, welche ara-
biſch ſind.

Die Hanns ſind die einzigen ſteinernen Wohnhaͤuſer,
die man findet; ſie bilden ein Viereck, in deſſen Hof ſich,
bei den groͤßern wenigſtens, eine Moſchee, eine Fontaine,
ein kleiner Kiosk fuͤr vornehme Reiſende, und einige Maul-
beerbaͤume oder Platanen befinden. Rings um die innere
Seite laͤuft ein Saͤulengang mit Spitzbogen. Die aͤußere
Fronte enthaͤlt eine Reihe ganz gleicher Zellen, jede mit
einer eigenen Kuppel uͤberwoͤlbt. Eine Strohmatte iſt das
einzige Moͤbel, welches der Reiſende findet, auch iſt da we-
der Bedienung noch Eſſen zu haben. Jeder bringt mit,
was er braucht.

Unſer Mittagsmahl nahmen wir ganz tuͤrkiſch beim
Kiebabtſchi ein; nachdem wir die Haͤnde gewaſchen, ſetzten
wir uns nicht an, ſondern auf den Tiſch, wobei mir meine
Beine ſchrecklich im Wege waren. Dann erſchien auf einer
hoͤlzernen Scheibe der Kiebab oder kleine Stuͤckchen Ham-
melfleiſch am Spieß gebraten und in Brotteig eingewickelt,
ein ſehr gutes ſchmackhaftes Gericht; darauf eine Schuͤſ-
ſel mit geſalzenen Oliven, die ganz vortrefflich ſind, der Hel-
wa, oder die beliebte ſuͤße Schuͤſſel, und eine Schaale mit
Scherbett (ein Aufguß von Waſſer auf Trauben mit einem
Stuͤckchen Eis darin), zuſammen ein Diner, welches fuͤr
zwei herzhafte Eſſer 120 Para oder fuͤnf Silbergroſchen
koſtete.

Von der Annehmlichkeit der tuͤrkiſchen Baͤder habe ich
Dir ſchon fruͤher geſchrieben. Die von Bruſſa zeichnen
ſich dadurch aus, daß ſie nicht durch Kunſt, ſondern von
Natur dergeſtalt geheizt ſind, daß man es anfaͤnglich fuͤr
unmoͤglich haͤlt, in das große klare Baſſin zu ſteigen, ohne
geſotten wieder herauszukommen. Von der Terraſſe un-
ſeres Bades hatte man eine wunderſchoͤne Ausſicht, und
es war ſo behaglich da, daß man gar nicht fort mochte.

Am 13. Abends ritten wir nach Kemlik am Ende der
Bucht von Mudania, wo eine Schiffswerft ſich befindet.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="66"/>
behalten, aber &#x017F;ie fu&#x0364;gten die Minarehs hinzu, welche ara-<lb/>
bi&#x017F;ch &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Die Hanns &#x017F;ind die einzigen &#x017F;teinernen Wohnha&#x0364;u&#x017F;er,<lb/>
die man findet; &#x017F;ie bilden ein Viereck, in de&#x017F;&#x017F;en Hof &#x017F;ich,<lb/>
bei den gro&#x0364;ßern wenig&#x017F;tens, eine Mo&#x017F;chee, eine Fontaine,<lb/>
ein kleiner Kiosk fu&#x0364;r vornehme Rei&#x017F;ende, und einige Maul-<lb/>
beerba&#x0364;ume oder Platanen befinden. Rings um die innere<lb/>
Seite la&#x0364;uft ein Sa&#x0364;ulengang mit Spitzbogen. Die a&#x0364;ußere<lb/>
Fronte entha&#x0364;lt eine Reihe ganz gleicher Zellen, jede mit<lb/>
einer eigenen Kuppel u&#x0364;berwo&#x0364;lbt. Eine Strohmatte i&#x017F;t das<lb/>
einzige Mo&#x0364;bel, welches der Rei&#x017F;ende findet, auch i&#x017F;t da we-<lb/>
der Bedienung noch E&#x017F;&#x017F;en zu haben. Jeder bringt mit,<lb/>
was er braucht.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;er Mittagsmahl nahmen wir ganz tu&#x0364;rki&#x017F;ch beim<lb/>
Kiebabt&#x017F;chi ein; nachdem wir die Ha&#x0364;nde gewa&#x017F;chen, &#x017F;etzten<lb/>
wir uns nicht an, &#x017F;ondern auf den Ti&#x017F;ch, wobei mir meine<lb/>
Beine &#x017F;chrecklich im Wege waren. Dann er&#x017F;chien auf einer<lb/>
ho&#x0364;lzernen Scheibe der Kiebab oder kleine Stu&#x0364;ckchen Ham-<lb/>
melflei&#x017F;ch am Spieß gebraten und in Brotteig eingewickelt,<lb/>
ein &#x017F;ehr gutes &#x017F;chmackhaftes Gericht; darauf eine Schu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;el mit ge&#x017F;alzenen Oliven, die ganz vortrefflich &#x017F;ind, der Hel-<lb/>
wa, oder die beliebte &#x017F;u&#x0364;ße Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el, und eine Schaale mit<lb/>
Scherbett (ein Aufguß von Wa&#x017F;&#x017F;er auf Trauben mit einem<lb/>
Stu&#x0364;ckchen Eis darin), zu&#x017F;ammen ein Diner, welches fu&#x0364;r<lb/>
zwei herzhafte E&#x017F;&#x017F;er 120 Para oder fu&#x0364;nf Silbergro&#x017F;chen<lb/>
ko&#x017F;tete.</p><lb/>
        <p>Von der Annehmlichkeit der tu&#x0364;rki&#x017F;chen Ba&#x0364;der habe ich<lb/>
Dir &#x017F;chon fru&#x0364;her ge&#x017F;chrieben. Die von Bru&#x017F;&#x017F;a zeichnen<lb/>
&#x017F;ich dadurch aus, daß &#x017F;ie nicht durch Kun&#x017F;t, &#x017F;ondern von<lb/>
Natur derge&#x017F;talt geheizt &#x017F;ind, daß man es anfa&#x0364;nglich fu&#x0364;r<lb/>
unmo&#x0364;glich ha&#x0364;lt, in das große klare Ba&#x017F;&#x017F;in zu &#x017F;teigen, ohne<lb/>
ge&#x017F;otten wieder herauszukommen. Von der Terra&#x017F;&#x017F;e un-<lb/>
&#x017F;eres Bades hatte man eine wunder&#x017F;cho&#x0364;ne Aus&#x017F;icht, und<lb/>
es war &#x017F;o behaglich da, daß man gar nicht fort mochte.</p><lb/>
        <p>Am 13. Abends ritten wir nach Kemlik am Ende der<lb/>
Bucht von Mudania, wo eine Schiffswerft &#x017F;ich befindet.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0076] behalten, aber ſie fuͤgten die Minarehs hinzu, welche ara- biſch ſind. Die Hanns ſind die einzigen ſteinernen Wohnhaͤuſer, die man findet; ſie bilden ein Viereck, in deſſen Hof ſich, bei den groͤßern wenigſtens, eine Moſchee, eine Fontaine, ein kleiner Kiosk fuͤr vornehme Reiſende, und einige Maul- beerbaͤume oder Platanen befinden. Rings um die innere Seite laͤuft ein Saͤulengang mit Spitzbogen. Die aͤußere Fronte enthaͤlt eine Reihe ganz gleicher Zellen, jede mit einer eigenen Kuppel uͤberwoͤlbt. Eine Strohmatte iſt das einzige Moͤbel, welches der Reiſende findet, auch iſt da we- der Bedienung noch Eſſen zu haben. Jeder bringt mit, was er braucht. Unſer Mittagsmahl nahmen wir ganz tuͤrkiſch beim Kiebabtſchi ein; nachdem wir die Haͤnde gewaſchen, ſetzten wir uns nicht an, ſondern auf den Tiſch, wobei mir meine Beine ſchrecklich im Wege waren. Dann erſchien auf einer hoͤlzernen Scheibe der Kiebab oder kleine Stuͤckchen Ham- melfleiſch am Spieß gebraten und in Brotteig eingewickelt, ein ſehr gutes ſchmackhaftes Gericht; darauf eine Schuͤſ- ſel mit geſalzenen Oliven, die ganz vortrefflich ſind, der Hel- wa, oder die beliebte ſuͤße Schuͤſſel, und eine Schaale mit Scherbett (ein Aufguß von Waſſer auf Trauben mit einem Stuͤckchen Eis darin), zuſammen ein Diner, welches fuͤr zwei herzhafte Eſſer 120 Para oder fuͤnf Silbergroſchen koſtete. Von der Annehmlichkeit der tuͤrkiſchen Baͤder habe ich Dir ſchon fruͤher geſchrieben. Die von Bruſſa zeichnen ſich dadurch aus, daß ſie nicht durch Kunſt, ſondern von Natur dergeſtalt geheizt ſind, daß man es anfaͤnglich fuͤr unmoͤglich haͤlt, in das große klare Baſſin zu ſteigen, ohne geſotten wieder herauszukommen. Von der Terraſſe un- ſeres Bades hatte man eine wunderſchoͤne Ausſicht, und es war ſo behaglich da, daß man gar nicht fort mochte. Am 13. Abends ritten wir nach Kemlik am Ende der Bucht von Mudania, wo eine Schiffswerft ſich befindet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/76
Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/76>, abgerufen am 25.11.2024.