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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ZWEITES BUCH. KAPITEL I.
Feststellung des Rechtes der Consuln ihr Imperium an Stell-
vertreter oder Nachfolger zu übertragen. Hatte dem König
die Ernennung von Stellvertretern unbeschränkt frei, aber nie
für ihn ein Zwang dazu bestanden, so scheint dem Consul
von Haus aus das Mandiren für bestimmte Fälle vorgeschrie-
ben zu sein, namentlich ausser bei dem Civilprozess auch für
die Verwaltung des Staatsschatzes. So wurden die beiden Poli-
zeiherren (quaestores), die auch der König schon zu ernennen
pflegte, jetzt gesetzlich ständige vom Consul ernannte und
natürlich mit dem Consul selbst abtretende Beamten und ver-
einigten die Verwaltung der Schatzkammer mit ihren bisherigen
Functionen. Ausser diesen Fällen aber, wo die Mandirung
der Gewalt gesetzlich vorgeschrieben war, ward die willkür-
liche Ernennung von Stellvertretern beschränkt theils auf das
militärische Imperium, welches derselben nicht entrathen konnte,
theils auf den Fall, wo der Consul durch dieselbe zugleich seine
und seines Collegen Gewalt suspendirte, auf die Ernennung
eines mit voller königlicher Macht ausgestatteten einzigen Ge-
meindehauptes, des Dictator. -- Das Recht den Nachfolger
zu ernennen, das der König unbeschränkt geübt hatte, ward
dem Gemeindevorsteher auch jetzt keineswegs entzogen; aber
er wurde verpflichtet denjenigen zu ernennen, den die Ge-
meinde ihm bezeichnet haben würde; so dass der Consul bei
diesem Act zwar immer eine ganz andere Stellung behielt als
die eines Wahldirigenten ist, und er zum Beispiel einzelne Can-
didaten zurückweisen und die auf sie gefallenen Stimmen nicht
beachten, anfangs vielleicht sogar die Wahl auf eine von ihm
entworfene Candidatenliste beschränken konnte, dennoch aber
die Ernennung des Beamten von jetzt an formell von dem
Vorgänger, materiell aber von der Gemeinde ausging. -- Alle
diese Beschränkungen der Gewalt kamen indess nur zur An-
wendung gegen den ordentlichen Magistrat. Gegen den Dic-
tator galt die Provocation nur wie gegen den König, wenn er
freiwillig ihr wich; so wie er ernannt war, wurden alle übrigen
Beamten von Rechtswegen machtlos und ihm völlig unterthan;
sehr wahrscheinlich unterschied sich der Absicht nach seine
Gewalt von der königlichen überall nur durch die zeitliche
Begrenzung und dadurch, dass der Dictator als ausserordent-
licher Beamter sich keinen Nachfolger ernannte. -- Im Ganzen
also blieben auch die Consuln, wie es die Könige gewesen
waren, oberste Verwalter, Richter (iudices) und Feldherren
(praetores) und auch in religiöser Hinsicht war es nicht der

ZWEITES BUCH. KAPITEL I.
Feststellung des Rechtes der Consuln ihr Imperium an Stell-
vertreter oder Nachfolger zu übertragen. Hatte dem König
die Ernennung von Stellvertretern unbeschränkt frei, aber nie
für ihn ein Zwang dazu bestanden, so scheint dem Consul
von Haus aus das Mandiren für bestimmte Fälle vorgeschrie-
ben zu sein, namentlich auſser bei dem Civilprozeſs auch für
die Verwaltung des Staatsschatzes. So wurden die beiden Poli-
zeiherren (quaestores), die auch der König schon zu ernennen
pflegte, jetzt gesetzlich ständige vom Consul ernannte und
natürlich mit dem Consul selbst abtretende Beamten und ver-
einigten die Verwaltung der Schatzkammer mit ihren bisherigen
Functionen. Auſser diesen Fällen aber, wo die Mandirung
der Gewalt gesetzlich vorgeschrieben war, ward die willkür-
liche Ernennung von Stellvertretern beschränkt theils auf das
militärische Imperium, welches derselben nicht entrathen konnte,
theils auf den Fall, wo der Consul durch dieselbe zugleich seine
und seines Collegen Gewalt suspendirte, auf die Ernennung
eines mit voller königlicher Macht ausgestatteten einzigen Ge-
meindehauptes, des Dictator. — Das Recht den Nachfolger
zu ernennen, das der König unbeschränkt geübt hatte, ward
dem Gemeindevorsteher auch jetzt keineswegs entzogen; aber
er wurde verpflichtet denjenigen zu ernennen, den die Ge-
meinde ihm bezeichnet haben würde; so daſs der Consul bei
diesem Act zwar immer eine ganz andere Stellung behielt als
die eines Wahldirigenten ist, und er zum Beispiel einzelne Can-
didaten zurückweisen und die auf sie gefallenen Stimmen nicht
beachten, anfangs vielleicht sogar die Wahl auf eine von ihm
entworfene Candidatenliste beschränken konnte, dennoch aber
die Ernennung des Beamten von jetzt an formell von dem
Vorgänger, materiell aber von der Gemeinde ausging. — Alle
diese Beschränkungen der Gewalt kamen indeſs nur zur An-
wendung gegen den ordentlichen Magistrat. Gegen den Dic-
tator galt die Provocation nur wie gegen den König, wenn er
freiwillig ihr wich; so wie er ernannt war, wurden alle übrigen
Beamten von Rechtswegen machtlos und ihm völlig unterthan;
sehr wahrscheinlich unterschied sich der Absicht nach seine
Gewalt von der königlichen überall nur durch die zeitliche
Begrenzung und dadurch, daſs der Dictator als auſserordent-
licher Beamter sich keinen Nachfolger ernannte. — Im Ganzen
also blieben auch die Consuln, wie es die Könige gewesen
waren, oberste Verwalter, Richter (iudices) und Feldherren
(praetores) und auch in religiöser Hinsicht war es nicht der

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[162/0176] ZWEITES BUCH. KAPITEL I. Feststellung des Rechtes der Consuln ihr Imperium an Stell- vertreter oder Nachfolger zu übertragen. Hatte dem König die Ernennung von Stellvertretern unbeschränkt frei, aber nie für ihn ein Zwang dazu bestanden, so scheint dem Consul von Haus aus das Mandiren für bestimmte Fälle vorgeschrie- ben zu sein, namentlich auſser bei dem Civilprozeſs auch für die Verwaltung des Staatsschatzes. So wurden die beiden Poli- zeiherren (quaestores), die auch der König schon zu ernennen pflegte, jetzt gesetzlich ständige vom Consul ernannte und natürlich mit dem Consul selbst abtretende Beamten und ver- einigten die Verwaltung der Schatzkammer mit ihren bisherigen Functionen. Auſser diesen Fällen aber, wo die Mandirung der Gewalt gesetzlich vorgeschrieben war, ward die willkür- liche Ernennung von Stellvertretern beschränkt theils auf das militärische Imperium, welches derselben nicht entrathen konnte, theils auf den Fall, wo der Consul durch dieselbe zugleich seine und seines Collegen Gewalt suspendirte, auf die Ernennung eines mit voller königlicher Macht ausgestatteten einzigen Ge- meindehauptes, des Dictator. — Das Recht den Nachfolger zu ernennen, das der König unbeschränkt geübt hatte, ward dem Gemeindevorsteher auch jetzt keineswegs entzogen; aber er wurde verpflichtet denjenigen zu ernennen, den die Ge- meinde ihm bezeichnet haben würde; so daſs der Consul bei diesem Act zwar immer eine ganz andere Stellung behielt als die eines Wahldirigenten ist, und er zum Beispiel einzelne Can- didaten zurückweisen und die auf sie gefallenen Stimmen nicht beachten, anfangs vielleicht sogar die Wahl auf eine von ihm entworfene Candidatenliste beschränken konnte, dennoch aber die Ernennung des Beamten von jetzt an formell von dem Vorgänger, materiell aber von der Gemeinde ausging. — Alle diese Beschränkungen der Gewalt kamen indeſs nur zur An- wendung gegen den ordentlichen Magistrat. Gegen den Dic- tator galt die Provocation nur wie gegen den König, wenn er freiwillig ihr wich; so wie er ernannt war, wurden alle übrigen Beamten von Rechtswegen machtlos und ihm völlig unterthan; sehr wahrscheinlich unterschied sich der Absicht nach seine Gewalt von der königlichen überall nur durch die zeitliche Begrenzung und dadurch, daſs der Dictator als auſserordent- licher Beamter sich keinen Nachfolger ernannte. — Im Ganzen also blieben auch die Consuln, wie es die Könige gewesen waren, oberste Verwalter, Richter (iudices) und Feldherren (praetores) und auch in religiöser Hinsicht war es nicht der

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/176>, abgerufen am 21.11.2024.