Staatsmonopol gemacht, um den Bürgern Korn und Salz zu billigen Preisen abgeben zu können. Allein im Wesentlichen ist gerade umgekehrt mit der Verfassungsänderung in den finanziellen und ökonomischen Verhältnissen Roms eine Revo- lution eingeleitet, deren Tendenz hinausgeht auf die Zerstö- rung der Mittelklassen, namentlich des mittleren und kleinen Grundbesitzes und auf die Entwicklung einerseits einer Herr- schaft der Grund- und Geldherren, andrerseits eines acker- bauenden Proletariats.
Schon die Minderung der Hafenzölle, obwohl im Allge- meinen eine populäre Massregel, kam vorzugsweise dem Gross- handel zu Gute. Wichtiger noch war die Ausdehnung der finanziellen Geschäfte des Aerars auf solche Unternehmungen, die regelmässig von Privaten betrieben werden. Es führte dies in Verbindung mit der geringen Zahl und dem schnellen Wechsel der römischen Beamten zu einem System der indi- recten Finanzverwaltung, das in seiner Entwicklung für den römischen Staat so folgenreich wie verderblich geworden ist und dessen Keime wahrscheinlich hier, namentlich in dem Salzmonopol zu suchen sind. Der Staat gab nach und nach alle seine indirecten Hebungen und alle complicirteren Zah- lungen und Verrichtungen in die Hände von Mittelsmännern, die eine Abschlagssumme gaben oder empfingen und dann für ihre Rechnung wirthschafteten. Natürlich konnten nur bedeutende Capitalisten und, da der Staat streng auf ding- liche Sicherheit sah, hauptsächlich nur grosse Grundbesitzer sich hierbei betheiligen und so erwuchs eine Klasse von Steuerpächtern und Lieferanten, die in dem reissend schnellen Wachsthum ihrer Opulenz, in der Gewalt über den Staat dem sie zu dienen schienen und in dem widersinnigen und sterilen Fundament ihrer Geldherrschaft den heutigen Börsenspeculan- ten vollkommen vergleichbar sind. -- Aber zunächst und am empfindlichsten offenbarte sich die veränderte Richtung der finanziellen Verwaltung in der Behandlung der Staatsdomänen, die geradezu hinarbeitete auf die materielle und moralische Vernichtung der Mittelklassen. Die Nutzung der gemeinen Weide stand nach dem Buchstaben des Rechts dem Bürger zu, das heisst dem Patricier; denn auch jetzt hatten die Ple- bejer keineswegs Rechtsgleichheit erlangt, sondern nur ge- wisse besonders ertheilte Rechte, wozu dieses nicht gehörte. Dass die Könige indess, die frei über die Gemeinweide dispo- nirten, auch dem Plebejer darauf Weiderecht gestatten konnten
VOLKSTRIBUNAT UND DECEMVIRN.
Staatsmonopol gemacht, um den Bürgern Korn und Salz zu billigen Preisen abgeben zu können. Allein im Wesentlichen ist gerade umgekehrt mit der Verfassungsänderung in den finanziellen und ökonomischen Verhältnissen Roms eine Revo- lution eingeleitet, deren Tendenz hinausgeht auf die Zerstö- rung der Mittelklassen, namentlich des mittleren und kleinen Grundbesitzes und auf die Entwicklung einerseits einer Herr- schaft der Grund- und Geldherren, andrerseits eines acker- bauenden Proletariats.
Schon die Minderung der Hafenzölle, obwohl im Allge- meinen eine populäre Maſsregel, kam vorzugsweise dem Groſs- handel zu Gute. Wichtiger noch war die Ausdehnung der finanziellen Geschäfte des Aerars auf solche Unternehmungen, die regelmäſsig von Privaten betrieben werden. Es führte dies in Verbindung mit der geringen Zahl und dem schnellen Wechsel der römischen Beamten zu einem System der indi- recten Finanzverwaltung, das in seiner Entwicklung für den römischen Staat so folgenreich wie verderblich geworden ist und dessen Keime wahrscheinlich hier, namentlich in dem Salzmonopol zu suchen sind. Der Staat gab nach und nach alle seine indirecten Hebungen und alle complicirteren Zah- lungen und Verrichtungen in die Hände von Mittelsmännern, die eine Abschlagssumme gaben oder empfingen und dann für ihre Rechnung wirthschafteten. Natürlich konnten nur bedeutende Capitalisten und, da der Staat streng auf ding- liche Sicherheit sah, hauptsächlich nur groſse Grundbesitzer sich hierbei betheiligen und so erwuchs eine Klasse von Steuerpächtern und Lieferanten, die in dem reiſsend schnellen Wachsthum ihrer Opulenz, in der Gewalt über den Staat dem sie zu dienen schienen und in dem widersinnigen und sterilen Fundament ihrer Geldherrschaft den heutigen Börsenspeculan- ten vollkommen vergleichbar sind. — Aber zunächst und am empfindlichsten offenbarte sich die veränderte Richtung der finanziellen Verwaltung in der Behandlung der Staatsdomänen, die geradezu hinarbeitete auf die materielle und moralische Vernichtung der Mittelklassen. Die Nutzung der gemeinen Weide stand nach dem Buchstaben des Rechts dem Bürger zu, das heiſst dem Patricier; denn auch jetzt hatten die Ple- bejer keineswegs Rechtsgleichheit erlangt, sondern nur ge- wisse besonders ertheilte Rechte, wozu dieses nicht gehörte. Daſs die Könige indeſs, die frei über die Gemeinweide dispo- nirten, auch dem Plebejer darauf Weiderecht gestatten konnten
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VOLKSTRIBUNAT UND DECEMVIRN.
Staatsmonopol gemacht, um den Bürgern Korn und Salz zu
billigen Preisen abgeben zu können. Allein im Wesentlichen
ist gerade umgekehrt mit der Verfassungsänderung in den
finanziellen und ökonomischen Verhältnissen Roms eine Revo-
lution eingeleitet, deren Tendenz hinausgeht auf die Zerstö-
rung der Mittelklassen, namentlich des mittleren und kleinen
Grundbesitzes und auf die Entwicklung einerseits einer Herr-
schaft der Grund- und Geldherren, andrerseits eines acker-
bauenden Proletariats.
Schon die Minderung der Hafenzölle, obwohl im Allge-
meinen eine populäre Maſsregel, kam vorzugsweise dem Groſs-
handel zu Gute. Wichtiger noch war die Ausdehnung der
finanziellen Geschäfte des Aerars auf solche Unternehmungen,
die regelmäſsig von Privaten betrieben werden. Es führte dies
in Verbindung mit der geringen Zahl und dem schnellen
Wechsel der römischen Beamten zu einem System der indi-
recten Finanzverwaltung, das in seiner Entwicklung für den
römischen Staat so folgenreich wie verderblich geworden ist
und dessen Keime wahrscheinlich hier, namentlich in dem
Salzmonopol zu suchen sind. Der Staat gab nach und nach
alle seine indirecten Hebungen und alle complicirteren Zah-
lungen und Verrichtungen in die Hände von Mittelsmännern,
die eine Abschlagssumme gaben oder empfingen und dann
für ihre Rechnung wirthschafteten. Natürlich konnten nur
bedeutende Capitalisten und, da der Staat streng auf ding-
liche Sicherheit sah, hauptsächlich nur groſse Grundbesitzer
sich hierbei betheiligen und so erwuchs eine Klasse von
Steuerpächtern und Lieferanten, die in dem reiſsend schnellen
Wachsthum ihrer Opulenz, in der Gewalt über den Staat dem
sie zu dienen schienen und in dem widersinnigen und sterilen
Fundament ihrer Geldherrschaft den heutigen Börsenspeculan-
ten vollkommen vergleichbar sind. — Aber zunächst und am
empfindlichsten offenbarte sich die veränderte Richtung der
finanziellen Verwaltung in der Behandlung der Staatsdomänen,
die geradezu hinarbeitete auf die materielle und moralische
Vernichtung der Mittelklassen. Die Nutzung der gemeinen
Weide stand nach dem Buchstaben des Rechts dem Bürger
zu, das heiſst dem Patricier; denn auch jetzt hatten die Ple-
bejer keineswegs Rechtsgleichheit erlangt, sondern nur ge-
wisse besonders ertheilte Rechte, wozu dieses nicht gehörte.
Daſs die Könige indeſs, die frei über die Gemeinweide dispo-
nirten, auch dem Plebejer darauf Weiderecht gestatten konnten
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/185>, abgerufen am 21.11.2024.
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