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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ZWEITES BUCH. KAPITEL V.
selbst die Heimath, mögen die Römer das halb verlassene
Land ohne vielen Widerstand besetzt haben.

Aber je entschiednere Erfolge der Bund der Römer, Latiner
und Herniker gegen die Etrusker, Aequer, Volsker und Sabiner
errang, desto mehr entwich aus ihm die Eintracht. Zum Theil
lag die Ursache in den Uebergriffen des führenden Staates.
Die Festungen, auf deren Anlage jene Erfolge wesentlich be-
ruhten, sollten Bundesfestungen sein, das heisst neue Gemein-
den, die gleich den übrigen latinischen Städten in die Eidge-
nossenschaft der Latiner eintraten und deren Besatzung und
Bevölkerung gebildet ward aus Aussendlingen der sämmtlichen
Bundesgenossen; allein in der Ausführung waren die meisten,
nicht selten alle Ansiedler römische Bürger, die mit Aufgebung
ihres römischen Bürgerrechts in die neue Stadt zogen, wo-
durch sich die Römer zugleich die vorwiegende Anhänglich-
keit dieser neuen Bundesglieder und den wesentlichen mate-
riellen Vortheil der Eroberungen zuwandten. Dazu kamen
einzelne gehässige Ungerechtigkeiten; so der schmähliche
Schiedsspruch zwischen Aricinern und Ardeaten 308, wo-
durch die Römer, angerufen zu compromissarischer Entschei-
dung über ein zwischen den beiden Gemeinden streitiges
Grenzgebiet, dasselbe für sich nahmen, und die noch schänd-
lichere Ausnutzung des durch diesen Spruch in Ardea ent-
standenen Haders, wo das Volk zu den Volskern sich schlagen
wollte, während der Adel an Rom festhielt, zur Aussendung
römischer Colonisten in die reiche Stadt, denen die Lände-
reien der Anhänger der antirömischen Partei ausgetheilt wur-
den (312). Hauptsächlich indess war die Ursache, wesshalb
der Bund sich innerlich auflöste, eben die Niederwerfung der
gemeinschaftlichen Feinde; die Schonung von der einen, die
Hingebung von der andern Seite hatte ein Ende, seitdem man
gegenseitig des andern nicht mehr bedurfte. Der Hader kam
zuerst zum Ausbruch bei der schliesslichen Auftheilung des
pomptinischen Gebiets; bald standen die bisherigen Ver-
bündeten gegen einander im Felde. Schon hatten latinische
Freiwillige in grosser Anzahl an dem letzten Verzweiflungs-
kampf der Volsker Theil genommen; jetzt mussten Praeneste
(372-374), Tusculum (373), Tibur (394. 400) mit den Waf-
fen bezwungen werden, ja die Tiburtiner scheuten sich sogar
nicht mit den eben einmal wieder einrückenden gallischen
Schaaren gemeinschaftliche Sache gegen Rom zu machen.
Zum allgemeinen Aufstand kam es indess nicht und mit

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selbst die Heimath, mögen die Römer das halb verlassene
Land ohne vielen Widerstand besetzt haben.

Aber je entschiednere Erfolge der Bund der Römer, Latiner
und Herniker gegen die Etrusker, Aequer, Volsker und Sabiner
errang, desto mehr entwich aus ihm die Eintracht. Zum Theil
lag die Ursache in den Uebergriffen des führenden Staates.
Die Festungen, auf deren Anlage jene Erfolge wesentlich be-
ruhten, sollten Bundesfestungen sein, das heiſst neue Gemein-
den, die gleich den übrigen latinischen Städten in die Eidge-
nossenschaft der Latiner eintraten und deren Besatzung und
Bevölkerung gebildet ward aus Aussendlingen der sämmtlichen
Bundesgenossen; allein in der Ausführung waren die meisten,
nicht selten alle Ansiedler römische Bürger, die mit Aufgebung
ihres römischen Bürgerrechts in die neue Stadt zogen, wo-
durch sich die Römer zugleich die vorwiegende Anhänglich-
keit dieser neuen Bundesglieder und den wesentlichen mate-
riellen Vortheil der Eroberungen zuwandten. Dazu kamen
einzelne gehässige Ungerechtigkeiten; so der schmähliche
Schiedsspruch zwischen Aricinern und Ardeaten 308, wo-
durch die Römer, angerufen zu compromissarischer Entschei-
dung über ein zwischen den beiden Gemeinden streitiges
Grenzgebiet, dasselbe für sich nahmen, und die noch schänd-
lichere Ausnutzung des durch diesen Spruch in Ardea ent-
standenen Haders, wo das Volk zu den Volskern sich schlagen
wollte, während der Adel an Rom festhielt, zur Aussendung
römischer Colonisten in die reiche Stadt, denen die Lände-
reien der Anhänger der antirömischen Partei ausgetheilt wur-
den (312). Hauptsächlich indeſs war die Ursache, weſshalb
der Bund sich innerlich auflöste, eben die Niederwerfung der
gemeinschaftlichen Feinde; die Schonung von der einen, die
Hingebung von der andern Seite hatte ein Ende, seitdem man
gegenseitig des andern nicht mehr bedurfte. Der Hader kam
zuerst zum Ausbruch bei der schlieſslichen Auftheilung des
pomptinischen Gebiets; bald standen die bisherigen Ver-
bündeten gegen einander im Felde. Schon hatten latinische
Freiwillige in groſser Anzahl an dem letzten Verzweiflungs-
kampf der Volsker Theil genommen; jetzt muſsten Praeneste
(372-374), Tusculum (373), Tibur (394. 400) mit den Waf-
fen bezwungen werden, ja die Tiburtiner scheuten sich sogar
nicht mit den eben einmal wieder einrückenden gallischen
Schaaren gemeinschaftliche Sache gegen Rom zu machen.
Zum allgemeinen Aufstand kam es indeſs nicht und mit

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[222/0236] ZWEITES BUCH. KAPITEL V. selbst die Heimath, mögen die Römer das halb verlassene Land ohne vielen Widerstand besetzt haben. Aber je entschiednere Erfolge der Bund der Römer, Latiner und Herniker gegen die Etrusker, Aequer, Volsker und Sabiner errang, desto mehr entwich aus ihm die Eintracht. Zum Theil lag die Ursache in den Uebergriffen des führenden Staates. Die Festungen, auf deren Anlage jene Erfolge wesentlich be- ruhten, sollten Bundesfestungen sein, das heiſst neue Gemein- den, die gleich den übrigen latinischen Städten in die Eidge- nossenschaft der Latiner eintraten und deren Besatzung und Bevölkerung gebildet ward aus Aussendlingen der sämmtlichen Bundesgenossen; allein in der Ausführung waren die meisten, nicht selten alle Ansiedler römische Bürger, die mit Aufgebung ihres römischen Bürgerrechts in die neue Stadt zogen, wo- durch sich die Römer zugleich die vorwiegende Anhänglich- keit dieser neuen Bundesglieder und den wesentlichen mate- riellen Vortheil der Eroberungen zuwandten. Dazu kamen einzelne gehässige Ungerechtigkeiten; so der schmähliche Schiedsspruch zwischen Aricinern und Ardeaten 308, wo- durch die Römer, angerufen zu compromissarischer Entschei- dung über ein zwischen den beiden Gemeinden streitiges Grenzgebiet, dasselbe für sich nahmen, und die noch schänd- lichere Ausnutzung des durch diesen Spruch in Ardea ent- standenen Haders, wo das Volk zu den Volskern sich schlagen wollte, während der Adel an Rom festhielt, zur Aussendung römischer Colonisten in die reiche Stadt, denen die Lände- reien der Anhänger der antirömischen Partei ausgetheilt wur- den (312). Hauptsächlich indeſs war die Ursache, weſshalb der Bund sich innerlich auflöste, eben die Niederwerfung der gemeinschaftlichen Feinde; die Schonung von der einen, die Hingebung von der andern Seite hatte ein Ende, seitdem man gegenseitig des andern nicht mehr bedurfte. Der Hader kam zuerst zum Ausbruch bei der schlieſslichen Auftheilung des pomptinischen Gebiets; bald standen die bisherigen Ver- bündeten gegen einander im Felde. Schon hatten latinische Freiwillige in groſser Anzahl an dem letzten Verzweiflungs- kampf der Volsker Theil genommen; jetzt muſsten Praeneste (372-374), Tusculum (373), Tibur (394. 400) mit den Waf- fen bezwungen werden, ja die Tiburtiner scheuten sich sogar nicht mit den eben einmal wieder einrückenden gallischen Schaaren gemeinschaftliche Sache gegen Rom zu machen. Zum allgemeinen Aufstand kam es indeſs nicht und mit

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/236>, abgerufen am 24.11.2024.