Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ZWEITES BUCH. KAPITEL V. auch hellenische Elemente und selbst wohl Ueberreste deralten Autochthonen in sich aufnahmen; aber auch in Lucanien und Campanien müssen in minderem Grade ähnliche Mischun- gen stattgefunden haben. Der gefährliche Zauber der hel- lenischen Cultur musste nothwendig einwirken auf die samni- tische Nation, namentlich in Campanien, wo Neapel früh mit den Einwanderern sich auf freundlichen Verkehr stellte und wo der Himmel selbst die Barbaren humanisirte. Capua, Nola, Nuceria, Teanum, obwohl rein samnitischer Bevölke- rung, nahmen griechische Weise und griechische Stadtverfas- sung an; wie denn auch in der That die heimische Gauver- fassung unter den neuen Verhältnissen unmöglich fortbestehen konnte. Die campanischen Samnitenstädte begannen Münzen zu schlagen, zum Theil mit griechischer Aufschrift; Capua ward durch Handel und Ackerbau der Grösse nach die zweite Stadt Italiens, die erste an Ueppigkeit und Reichthum. Das- selbe gilt in minderem Grade von den Lucanern und Brettiern. Die Gräberfunde in all diesen Gegenden beweisen, wie die griechische Kunst daselbst mit barbarischem Luxus gepflegt ward; der reiche Gold- und Bernsteinschmuck, das pracht- volle gemalte Geschirr, wie wir sie jetzt den Häusern der Todten entheben, lassen ahnen, wie weit man hier schon sich entfernt hatte von der alten Sitte der Väter. Andere Spuren bewahrt die Schrift; die altnationale aus dem Norden mitge- brachte ward von den Lucanern und Brettiern aufgegeben und mit der griechischen vertauscht, während in Campanien das nationale Alphabet und wohl auch die Sprache unter dem bildenden Einfluss der griechischen sich selbstständig entwik- kelte zu grösserer Klarheit und Feinheit. Wir treffen selbst auf einzelne Spuren des Einflusses griechischer Philosophie. -- Nur das eigentliche Samnitenland blieb unberührt von diesen Neue- rungen, die, so schön und natürlich sie sein mochten, doch mächtig dazu beitrugen immer mehr das Band der nationalen Einheit zu lockern, das von Haus aus schon ein loses war. Denn während Rom mit aller Energie darauf hinarbeitete die von da ausgehenden Gründungen an die Heimath zu ketten, scheint bei dem samnitischen Stamm jeder Schwarm, der sich neue Sitze gesucht und gefunden hatte, fortan selbstständig seinen Weg gegangen zu sein. So war die Eroberung von Caere, Veii, Antium für die Römer eine wirkliche Machter- weiterung, aber die Gründung der campanischen Samniten- städte, der lucanischen und brettischen Eidgenossenschaft ZWEITES BUCH. KAPITEL V. auch hellenische Elemente und selbst wohl Ueberreste deralten Autochthonen in sich aufnahmen; aber auch in Lucanien und Campanien müssen in minderem Grade ähnliche Mischun- gen stattgefunden haben. Der gefährliche Zauber der hel- lenischen Cultur muſste nothwendig einwirken auf die samni- tische Nation, namentlich in Campanien, wo Neapel früh mit den Einwanderern sich auf freundlichen Verkehr stellte und wo der Himmel selbst die Barbaren humanisirte. Capua, Nola, Nuceria, Teanum, obwohl rein samnitischer Bevölke- rung, nahmen griechische Weise und griechische Stadtverfas- sung an; wie denn auch in der That die heimische Gauver- fassung unter den neuen Verhältnissen unmöglich fortbestehen konnte. Die campanischen Samnitenstädte begannen Münzen zu schlagen, zum Theil mit griechischer Aufschrift; Capua ward durch Handel und Ackerbau der Gröſse nach die zweite Stadt Italiens, die erste an Ueppigkeit und Reichthum. Das- selbe gilt in minderem Grade von den Lucanern und Brettiern. Die Gräberfunde in all diesen Gegenden beweisen, wie die griechische Kunst daselbst mit barbarischem Luxus gepflegt ward; der reiche Gold- und Bernsteinschmuck, das pracht- volle gemalte Geschirr, wie wir sie jetzt den Häusern der Todten entheben, lassen ahnen, wie weit man hier schon sich entfernt hatte von der alten Sitte der Väter. Andere Spuren bewahrt die Schrift; die altnationale aus dem Norden mitge- brachte ward von den Lucanern und Brettiern aufgegeben und mit der griechischen vertauscht, während in Campanien das nationale Alphabet und wohl auch die Sprache unter dem bildenden Einfluſs der griechischen sich selbstständig entwik- kelte zu gröſserer Klarheit und Feinheit. Wir treffen selbst auf einzelne Spuren des Einflusses griechischer Philosophie. — Nur das eigentliche Samnitenland blieb unberührt von diesen Neue- rungen, die, so schön und natürlich sie sein mochten, doch mächtig dazu beitrugen immer mehr das Band der nationalen Einheit zu lockern, das von Haus aus schon ein loses war. Denn während Rom mit aller Energie darauf hinarbeitete die von da ausgehenden Gründungen an die Heimath zu ketten, scheint bei dem samnitischen Stamm jeder Schwarm, der sich neue Sitze gesucht und gefunden hatte, fortan selbstständig seinen Weg gegangen zu sein. So war die Eroberung von Caere, Veii, Antium für die Römer eine wirkliche Machter- weiterung, aber die Gründung der campanischen Samniten- städte, der lucanischen und brettischen Eidgenossenschaft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0240" n="226"/><fw place="top" type="header">ZWEITES BUCH. 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ZWEITES BUCH. KAPITEL V.
auch hellenische Elemente und selbst wohl Ueberreste der
alten Autochthonen in sich aufnahmen; aber auch in Lucanien
und Campanien müssen in minderem Grade ähnliche Mischun-
gen stattgefunden haben. Der gefährliche Zauber der hel-
lenischen Cultur muſste nothwendig einwirken auf die samni-
tische Nation, namentlich in Campanien, wo Neapel früh mit
den Einwanderern sich auf freundlichen Verkehr stellte und
wo der Himmel selbst die Barbaren humanisirte. Capua,
Nola, Nuceria, Teanum, obwohl rein samnitischer Bevölke-
rung, nahmen griechische Weise und griechische Stadtverfas-
sung an; wie denn auch in der That die heimische Gauver-
fassung unter den neuen Verhältnissen unmöglich fortbestehen
konnte. Die campanischen Samnitenstädte begannen Münzen
zu schlagen, zum Theil mit griechischer Aufschrift; Capua
ward durch Handel und Ackerbau der Gröſse nach die zweite
Stadt Italiens, die erste an Ueppigkeit und Reichthum. Das-
selbe gilt in minderem Grade von den Lucanern und Brettiern.
Die Gräberfunde in all diesen Gegenden beweisen, wie die
griechische Kunst daselbst mit barbarischem Luxus gepflegt
ward; der reiche Gold- und Bernsteinschmuck, das pracht-
volle gemalte Geschirr, wie wir sie jetzt den Häusern der
Todten entheben, lassen ahnen, wie weit man hier schon sich
entfernt hatte von der alten Sitte der Väter. Andere Spuren
bewahrt die Schrift; die altnationale aus dem Norden mitge-
brachte ward von den Lucanern und Brettiern aufgegeben
und mit der griechischen vertauscht, während in Campanien
das nationale Alphabet und wohl auch die Sprache unter dem
bildenden Einfluſs der griechischen sich selbstständig entwik-
kelte zu gröſserer Klarheit und Feinheit. Wir treffen selbst auf
einzelne Spuren des Einflusses griechischer Philosophie. — Nur
das eigentliche Samnitenland blieb unberührt von diesen Neue-
rungen, die, so schön und natürlich sie sein mochten, doch
mächtig dazu beitrugen immer mehr das Band der nationalen
Einheit zu lockern, das von Haus aus schon ein loses war.
Denn während Rom mit aller Energie darauf hinarbeitete die
von da ausgehenden Gründungen an die Heimath zu ketten,
scheint bei dem samnitischen Stamm jeder Schwarm, der sich
neue Sitze gesucht und gefunden hatte, fortan selbstständig
seinen Weg gegangen zu sein. So war die Eroberung von
Caere, Veii, Antium für die Römer eine wirkliche Machter-
weiterung, aber die Gründung der campanischen Samniten-
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