Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ZWEITES BUCH. KAPITEL V. es ohne vorhergehenden Krieg, ein Abkommen zu Standekam, wodurch die Römer freie Hand erhielten gegen Capua, die Samniten gegen Teanum und die Volsker am obern Liris. Dass die Samniten sich dazu verstanden, erklärt sich aus den gewaltigen Anstrengungen, die eben um diese Zeit die Taren- tiner gegen die Uebergriffe der Italiker machten; aber auch die Römer hatten guten Grund sich mit den Samniten so schnell wie möglich abzufinden, denn die Latiner, beunruhigt durch die Ausbreitung der römischen Macht in ihrem Rücken, gingen von unwilliger und saumseliger Bundesgenossenschaft über zu offenem Angriff. Alle ursprünglich latinischen Städte, selbst die in den römischen Bürgerverband aufgenommenen Tusculaner, erklärten sich gegen Rom, mit einziger Ausnahme der Laurenter, während dagegen die römischen Colonien in Latium mit Ausnahme von Velitrae sämmtlich festhielten an dem römischen Bündniss. Dass die Campaner ungeachtet der eben erst freiwillig den Römern angetragenen Unterwerfung dennoch der römischen Herrschaft sich nur unwillig fügten und trotz des Widerstandes der an dem Vertrag mit Rom fest- haltenden Optimatenpartei die Menge gemeinschaftliche Sache gert hatten und gegen Rom zu rüsten schienen, wandten ihre Waffen
statt gegen Rom vielmehr gegen die Paeligner, während die Römer zu- nächst durch eine Militärverschwörung der in Campanien zurückgelassenen Besatzung (412), dann durch die Einnahme von Privernum (413) und den Krieg gegen die Antiaten beschäftigt waren. Da aber wechseln plötzlich und seltsam die Parteiverhältnisse. Die Latiner, die umsonst das römi- sche Bürgerrecht und Antheil am Consulat gefordert hatten, erhoben sich gegen Rom in Gemeinschaft mit den Sidicinern, die vergeblich den Römern die Unterwerfung angetragen hatten und vor den Samniten sich nicht zu retten wussten, und mit den Campanern, die der römischen Herrschaft be- reits müde waren. Nur die Laurenter in Latium und die campanischen Ritter hielten zu den Römern, welche ihrerseits Unterstützung fanden bei den Paelignern und den Samniten. Das latinische Heer überfiel Samnium; das römisch-samnitische schlug, nachdem es an den Fucinersee und von da an Latium vorüber in Campanien einmarschirt war, die Entscheidungsschlacht gegen die vereinigten Latiner und Campaner am Vesuv, welche der Con- sul Titus Manlius Imperiosus, nachdem er selbst durch die Hinrichtung seines eigenen gegen den Lagerbefehl siegenden Sohnes die schwankende Heereszucht wiederhergestellt und sein College Publius Decius Mus die Götter versöhnt hatte durch seinen Opfertod, endlich mit Aufbietung der letzten Reserve gewann. Aber erst eine zweite Schlacht, die der Consul Manlius den Latinern und Campanern bei Trifanum lieferte, machte dem Krieg ein Ende; Latium und Capua unterwarfen sich und wurden um einen Theil ihres Gebietes gestraft. -- Einsichtigen und ehrlichen Lesern wird es nicht entgehen, dass dieser Bericht von Unmöglichkeiten aller Art wimmelt. Dahin gehört das Kriegführen der Antiaten nach der Dedition von 365; der selbstständige Feld- ZWEITES BUCH. KAPITEL V. es ohne vorhergehenden Krieg, ein Abkommen zu Standekam, wodurch die Römer freie Hand erhielten gegen Capua, die Samniten gegen Teanum und die Volsker am obern Liris. Daſs die Samniten sich dazu verstanden, erklärt sich aus den gewaltigen Anstrengungen, die eben um diese Zeit die Taren- tiner gegen die Uebergriffe der Italiker machten; aber auch die Römer hatten guten Grund sich mit den Samniten so schnell wie möglich abzufinden, denn die Latiner, beunruhigt durch die Ausbreitung der römischen Macht in ihrem Rücken, gingen von unwilliger und saumseliger Bundesgenossenschaft über zu offenem Angriff. Alle ursprünglich latinischen Städte, selbst die in den römischen Bürgerverband aufgenommenen Tusculaner, erklärten sich gegen Rom, mit einziger Ausnahme der Laurenter, während dagegen die römischen Colonien in Latium mit Ausnahme von Velitrae sämmtlich festhielten an dem römischen Bündniſs. Daſs die Campaner ungeachtet der eben erst freiwillig den Römern angetragenen Unterwerfung dennoch der römischen Herrschaft sich nur unwillig fügten und trotz des Widerstandes der an dem Vertrag mit Rom fest- haltenden Optimatenpartei die Menge gemeinschaftliche Sache gert hatten und gegen Rom zu rüsten schienen, wandten ihre Waffen
statt gegen Rom vielmehr gegen die Paeligner, während die Römer zu- nächst durch eine Militärverschwörung der in Campanien zurückgelassenen Besatzung (412), dann durch die Einnahme von Privernum (413) und den Krieg gegen die Antiaten beschäftigt waren. Da aber wechseln plötzlich und seltsam die Parteiverhältnisse. Die Latiner, die umsonst das römi- sche Bürgerrecht und Antheil am Consulat gefordert hatten, erhoben sich gegen Rom in Gemeinschaft mit den Sidicinern, die vergeblich den Römern die Unterwerfung angetragen hatten und vor den Samniten sich nicht zu retten wuſsten, und mit den Campanern, die der römischen Herrschaft be- reits müde waren. Nur die Laurenter in Latium und die campanischen Ritter hielten zu den Römern, welche ihrerseits Unterstützung fanden bei den Paelignern und den Samniten. Das latinische Heer überfiel Samnium; das römisch-samnitische schlug, nachdem es an den Fucinersee und von da an Latium vorüber in Campanien einmarschirt war, die Entscheidungsschlacht gegen die vereinigten Latiner und Campaner am Vesuv, welche der Con- sul Titus Manlius Imperiosus, nachdem er selbst durch die Hinrichtung seines eigenen gegen den Lagerbefehl siegenden Sohnes die schwankende Heereszucht wiederhergestellt und sein College Publius Decius Mus die Götter versöhnt hatte durch seinen Opfertod, endlich mit Aufbietung der letzten Reserve gewann. Aber erst eine zweite Schlacht, die der Consul Manlius den Latinern und Campanern bei Trifanum lieferte, machte dem Krieg ein Ende; Latium und Capua unterwarfen sich und wurden um einen Theil ihres Gebietes gestraft. — Einsichtigen und ehrlichen Lesern wird es nicht entgehen, daſs dieser Bericht von Unmöglichkeiten aller Art wimmelt. 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ZWEITES BUCH. KAPITEL V.
es ohne vorhergehenden Krieg, ein Abkommen zu Stande
kam, wodurch die Römer freie Hand erhielten gegen Capua,
die Samniten gegen Teanum und die Volsker am obern Liris.
Daſs die Samniten sich dazu verstanden, erklärt sich aus den
gewaltigen Anstrengungen, die eben um diese Zeit die Taren-
tiner gegen die Uebergriffe der Italiker machten; aber auch
die Römer hatten guten Grund sich mit den Samniten so
schnell wie möglich abzufinden, denn die Latiner, beunruhigt
durch die Ausbreitung der römischen Macht in ihrem Rücken,
gingen von unwilliger und saumseliger Bundesgenossenschaft
über zu offenem Angriff. Alle ursprünglich latinischen Städte,
selbst die in den römischen Bürgerverband aufgenommenen
Tusculaner, erklärten sich gegen Rom, mit einziger Ausnahme
der Laurenter, während dagegen die römischen Colonien in
Latium mit Ausnahme von Velitrae sämmtlich festhielten an
dem römischen Bündniſs. Daſs die Campaner ungeachtet der
eben erst freiwillig den Römern angetragenen Unterwerfung
dennoch der römischen Herrschaft sich nur unwillig fügten
und trotz des Widerstandes der an dem Vertrag mit Rom fest-
haltenden Optimatenpartei die Menge gemeinschaftliche Sache
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* gert hatten und gegen Rom zu rüsten schienen, wandten ihre Waffen
statt gegen Rom vielmehr gegen die Paeligner, während die Römer zu-
nächst durch eine Militärverschwörung der in Campanien zurückgelassenen
Besatzung (412), dann durch die Einnahme von Privernum (413) und den
Krieg gegen die Antiaten beschäftigt waren. Da aber wechseln plötzlich
und seltsam die Parteiverhältnisse. Die Latiner, die umsonst das römi-
sche Bürgerrecht und Antheil am Consulat gefordert hatten, erhoben sich
gegen Rom in Gemeinschaft mit den Sidicinern, die vergeblich den Römern
die Unterwerfung angetragen hatten und vor den Samniten sich nicht zu
retten wuſsten, und mit den Campanern, die der römischen Herrschaft be-
reits müde waren. Nur die Laurenter in Latium und die campanischen
Ritter hielten zu den Römern, welche ihrerseits Unterstützung fanden bei
den Paelignern und den Samniten. Das latinische Heer überfiel Samnium;
das römisch-samnitische schlug, nachdem es an den Fucinersee und von da
an Latium vorüber in Campanien einmarschirt war, die Entscheidungsschlacht
gegen die vereinigten Latiner und Campaner am Vesuv, welche der Con-
sul Titus Manlius Imperiosus, nachdem er selbst durch die Hinrichtung
seines eigenen gegen den Lagerbefehl siegenden Sohnes die schwankende
Heereszucht wiederhergestellt und sein College Publius Decius Mus die Götter
versöhnt hatte durch seinen Opfertod, endlich mit Aufbietung der letzten
Reserve gewann. Aber erst eine zweite Schlacht, die der Consul Manlius
den Latinern und Campanern bei Trifanum lieferte, machte dem Krieg ein
Ende; Latium und Capua unterwarfen sich und wurden um einen Theil ihres
Gebietes gestraft. — Einsichtigen und ehrlichen Lesern wird es nicht entgehen,
daſs dieser Bericht von Unmöglichkeiten aller Art wimmelt. Dahin gehört das
Kriegführen der Antiaten nach der Dedition von 365; der selbstständige Feld-
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