Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DIE ITALIKER GEGEN ROM. wieder Krieg, mit gesteigerter Erbitterung auf beiden Seitendurch die verscherzte Gelegenheit, das gebrochene feierliche Wort, die geschändete Waffenehre, die preisgegebenen Kame- raden. Die ausgelieferten römischen Offiziere wurden von den Samniten nicht angenommen, theils weil sie zu gross dachten um an diesen Unglücklichen ihre Rache zu üben, theils weil sie damit den Römern würden zugestanden haben, dass das Bündniss nur die Schwörenden verpflichtet habe, nicht den römischen Staat. Hochherzig verschonten sie sogar die Geis- seln, deren Leben nach Kriegsrecht verwirkt war, und wand- ten sich vielmehr sogleich zum Waffenkampf. Luceria ward besetzt, Fregellae überfallen und erstürmt (434), bevor die Römer die aufgelöste Armee wieder reorganisirt hatten; was man hätte erreichen können, zeigt der Uebertritt der Satricaner zu den Samniten. Aber Rom war nur augenblicklich gelähmt, nicht geschwächt; voll Scham und Erbitterung bot man dort auf, was man an Mannschaft und Mitteln vermochte und stellte den erprobtesten Führer Lucius Papirius Cursor, gleich aus- gezeichnet als Soldat wie als Feldherr, an die Spitze des neu gebildeten Heeres. Dasselbe theilte sich; die eine Hälfte zog durch die Sabina und das adriatische Littoral vor Luceria, die andere eben dahin durch Samnium selbst, indem sie das samnitische Heer unter glücklichen Gefechten vor sich her trieb. Man traf wieder zusammen unter den Mauern von Luceria, dessen Belagerung um so eifriger betrieben ward, als dort die römischen Reiter gefangen sassen; die Apuler, namentlich die Arpaner leisteten den Römern wichtigen Bei- stand, vorzüglich durch Beischaffung der Zufuhr. Nachdem die Samniten zum Entsatz der Stadt eine Schlacht geliefert und verloren hatten, ergab sich Luceria den Römern (435). Papirius genoss die doppelte Freude die verloren gegebenen Kameraden zu befreien und die Galgen von Caudium der samnitischen Besatzung von Luceria zu vergelten. In den folgenden Jahren (435-437) ward der Krieg nicht so sehr in Samnium geführt * als in dem apulischen und frentanischen Gebiet, wo theils die samnitischen Verbündeten gezüchtigt wur- den, theils Rom neue Bundesverträge abschloss mit den apu- lischen Teanensern und den Canusinern; gleichzeitig ward Satricum zur Botmässigkeit zurückgebracht und schwer für * Dass zwischen den Römern und Samniten 436. 437 ein förmlicher
zweijähriger Waffenstillstand bestanden habe, ist mehr als unwahrscheinlich. DIE ITALIKER GEGEN ROM. wieder Krieg, mit gesteigerter Erbitterung auf beiden Seitendurch die verscherzte Gelegenheit, das gebrochene feierliche Wort, die geschändete Waffenehre, die preisgegebenen Kame- raden. Die ausgelieferten römischen Offiziere wurden von den Samniten nicht angenommen, theils weil sie zu groſs dachten um an diesen Unglücklichen ihre Rache zu üben, theils weil sie damit den Römern würden zugestanden haben, daſs das Bündniſs nur die Schwörenden verpflichtet habe, nicht den römischen Staat. Hochherzig verschonten sie sogar die Geis- seln, deren Leben nach Kriegsrecht verwirkt war, und wand- ten sich vielmehr sogleich zum Waffenkampf. Luceria ward besetzt, Fregellae überfallen und erstürmt (434), bevor die Römer die aufgelöste Armee wieder reorganisirt hatten; was man hätte erreichen können, zeigt der Uebertritt der Satricaner zu den Samniten. Aber Rom war nur augenblicklich gelähmt, nicht geschwächt; voll Scham und Erbitterung bot man dort auf, was man an Mannschaft und Mitteln vermochte und stellte den erprobtesten Führer Lucius Papirius Cursor, gleich aus- gezeichnet als Soldat wie als Feldherr, an die Spitze des neu gebildeten Heeres. Dasselbe theilte sich; die eine Hälfte zog durch die Sabina und das adriatische Littoral vor Luceria, die andere eben dahin durch Samnium selbst, indem sie das samnitische Heer unter glücklichen Gefechten vor sich her trieb. Man traf wieder zusammen unter den Mauern von Luceria, dessen Belagerung um so eifriger betrieben ward, als dort die römischen Reiter gefangen saſsen; die Apuler, namentlich die Arpaner leisteten den Römern wichtigen Bei- stand, vorzüglich durch Beischaffung der Zufuhr. Nachdem die Samniten zum Entsatz der Stadt eine Schlacht geliefert und verloren hatten, ergab sich Luceria den Römern (435). Papirius genoſs die doppelte Freude die verloren gegebenen Kameraden zu befreien und die Galgen von Caudium der samnitischen Besatzung von Luceria zu vergelten. In den folgenden Jahren (435-437) ward der Krieg nicht so sehr in Samnium geführt * als in dem apulischen und frentanischen Gebiet, wo theils die samnitischen Verbündeten gezüchtigt wur- den, theils Rom neue Bundesverträge abschloſs mit den apu- lischen Teanensern und den Canusinern; gleichzeitig ward Satricum zur Botmäſsigkeit zurückgebracht und schwer für * Daſs zwischen den Römern und Samniten 436. 437 ein förmlicher
zweijähriger Waffenstillstand bestanden habe, ist mehr als unwahrscheinlich. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0253" n="239"/><fw place="top" type="header">DIE ITALIKER GEGEN ROM.</fw><lb/> wieder Krieg, mit gesteigerter Erbitterung auf beiden Seiten<lb/> durch die verscherzte Gelegenheit, das gebrochene feierliche<lb/> Wort, die geschändete Waffenehre, die preisgegebenen Kame-<lb/> raden. Die ausgelieferten römischen Offiziere wurden von den<lb/> Samniten nicht angenommen, theils weil sie zu groſs dachten<lb/> um an diesen Unglücklichen ihre Rache zu üben, theils weil<lb/> sie damit den Römern würden zugestanden haben, daſs das<lb/> Bündniſs nur die Schwörenden verpflichtet habe, nicht den<lb/> römischen Staat. Hochherzig verschonten sie sogar die Geis-<lb/> seln, deren Leben nach Kriegsrecht verwirkt war, und wand-<lb/> ten sich vielmehr sogleich zum Waffenkampf. Luceria ward<lb/> besetzt, Fregellae überfallen und erstürmt (434), bevor die<lb/> Römer die aufgelöste Armee wieder reorganisirt hatten; was<lb/> man hätte erreichen können, zeigt der Uebertritt der Satricaner<lb/> zu den Samniten. Aber Rom war nur augenblicklich gelähmt,<lb/> nicht geschwächt; voll Scham und Erbitterung bot man dort<lb/> auf, was man an Mannschaft und Mitteln vermochte und stellte<lb/> den erprobtesten Führer Lucius Papirius Cursor, gleich aus-<lb/> gezeichnet als Soldat wie als Feldherr, an die Spitze des neu<lb/> gebildeten Heeres. Dasselbe theilte sich; die eine Hälfte zog<lb/> durch die Sabina und das adriatische Littoral vor Luceria, die<lb/> andere eben dahin durch Samnium selbst, indem sie das<lb/> samnitische Heer unter glücklichen Gefechten vor sich her<lb/> trieb. Man traf wieder zusammen unter den Mauern von<lb/> Luceria, dessen Belagerung um so eifriger betrieben ward,<lb/> als dort die römischen Reiter gefangen saſsen; die Apuler,<lb/> namentlich die Arpaner leisteten den Römern wichtigen Bei-<lb/> stand, vorzüglich durch Beischaffung der Zufuhr. Nachdem<lb/> die Samniten zum Entsatz der Stadt eine Schlacht geliefert<lb/> und verloren hatten, ergab sich Luceria den Römern (435).<lb/> Papirius genoſs die doppelte Freude die verloren gegebenen<lb/> Kameraden zu befreien und die Galgen von Caudium der<lb/> samnitischen Besatzung von Luceria zu vergelten. In den<lb/> folgenden Jahren (435-437) ward der Krieg nicht so sehr<lb/> in Samnium geführt <note place="foot" n="*">Daſs zwischen den Römern und Samniten 436. 437 ein förmlicher<lb/> zweijähriger Waffenstillstand bestanden habe, ist mehr als unwahrscheinlich.</note> als in dem apulischen und frentanischen<lb/> Gebiet, wo theils die samnitischen Verbündeten gezüchtigt wur-<lb/> den, theils Rom neue Bundesverträge abschloſs mit den apu-<lb/> lischen Teanensern und den Canusinern; gleichzeitig ward<lb/> Satricum zur Botmäſsigkeit zurückgebracht und schwer für<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [239/0253]
DIE ITALIKER GEGEN ROM.
wieder Krieg, mit gesteigerter Erbitterung auf beiden Seiten
durch die verscherzte Gelegenheit, das gebrochene feierliche
Wort, die geschändete Waffenehre, die preisgegebenen Kame-
raden. Die ausgelieferten römischen Offiziere wurden von den
Samniten nicht angenommen, theils weil sie zu groſs dachten
um an diesen Unglücklichen ihre Rache zu üben, theils weil
sie damit den Römern würden zugestanden haben, daſs das
Bündniſs nur die Schwörenden verpflichtet habe, nicht den
römischen Staat. Hochherzig verschonten sie sogar die Geis-
seln, deren Leben nach Kriegsrecht verwirkt war, und wand-
ten sich vielmehr sogleich zum Waffenkampf. Luceria ward
besetzt, Fregellae überfallen und erstürmt (434), bevor die
Römer die aufgelöste Armee wieder reorganisirt hatten; was
man hätte erreichen können, zeigt der Uebertritt der Satricaner
zu den Samniten. Aber Rom war nur augenblicklich gelähmt,
nicht geschwächt; voll Scham und Erbitterung bot man dort
auf, was man an Mannschaft und Mitteln vermochte und stellte
den erprobtesten Führer Lucius Papirius Cursor, gleich aus-
gezeichnet als Soldat wie als Feldherr, an die Spitze des neu
gebildeten Heeres. Dasselbe theilte sich; die eine Hälfte zog
durch die Sabina und das adriatische Littoral vor Luceria, die
andere eben dahin durch Samnium selbst, indem sie das
samnitische Heer unter glücklichen Gefechten vor sich her
trieb. Man traf wieder zusammen unter den Mauern von
Luceria, dessen Belagerung um so eifriger betrieben ward,
als dort die römischen Reiter gefangen saſsen; die Apuler,
namentlich die Arpaner leisteten den Römern wichtigen Bei-
stand, vorzüglich durch Beischaffung der Zufuhr. Nachdem
die Samniten zum Entsatz der Stadt eine Schlacht geliefert
und verloren hatten, ergab sich Luceria den Römern (435).
Papirius genoſs die doppelte Freude die verloren gegebenen
Kameraden zu befreien und die Galgen von Caudium der
samnitischen Besatzung von Luceria zu vergelten. In den
folgenden Jahren (435-437) ward der Krieg nicht so sehr
in Samnium geführt * als in dem apulischen und frentanischen
Gebiet, wo theils die samnitischen Verbündeten gezüchtigt wur-
den, theils Rom neue Bundesverträge abschloſs mit den apu-
lischen Teanensern und den Canusinern; gleichzeitig ward
Satricum zur Botmäſsigkeit zurückgebracht und schwer für
* Daſs zwischen den Römern und Samniten 436. 437 ein förmlicher
zweijähriger Waffenstillstand bestanden habe, ist mehr als unwahrscheinlich.
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