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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ZWEITES BUCH. KAPITEL VII.
capitulirte (im Winter 47 2/3 ), und bestraften die Thuriner,
dieselben die von Tarent stets den Lucanern vertragsmässig
preisgegeben und dadurch gewaltsam zur Ergebung an Rom
gedrängt worden waren, schwer für ihren Abfall von der
hellenischen Partei zu den Barbaren.

Die Barbaren verfuhren indess mit einer Mässigung, die
bei solcher Macht und nach solchen Kränkungen Bewunderung
erregt. Es lag im Interesse Roms die tarentinische Neutrali-
tät so lange wie möglich gelten zu lassen, und die leitenden
Männer im Senat verwarfen desshalb den Antrag, den eine
Minorität in begreiflicher Erbitterung gestellt hatte, den Taren-
tinern sofort den Krieg zu erklären. Vielmehr ward ihnen
ein Vergleich angeboten unter den mässigsten Bedingungen,
die sich mit Roms Ehre vertrugen: Entlassung der Gefange-
nen, Rückgabe von Thurii, Auslieferung der Urheber des Ueber-
falls der Flotte. Die Tarentiner konnten, ohne ihrer Unab-
hängigkeit etwas zu vergeben, diese Bedingungen eingehen
und bei der geringen Kriegslust der reichen Kaufstadt durfte
man in Rom mit Recht annehmen, dass ein Abkommen noch
möglich sei. Mit diesen Vorschlägen ging eine römische Ge-
sandtschaft nach Tarent (473), während gleichzeitig ihren
Worten Nachdruck zu geben ein römisches Heer unter dem
Consul Lucius Aemilius in Samnium einrückte. Allein auch
dieser Versuch den Frieden zu erhalten scheiterte an der Un-
botmässigkeit des städtischen Pöbels, der sich mit beliebter
griechischer Ungezogenheit sogar an der Person der Gesandten
in unwürdiger Weise vergriff. Nun rückte der Consul zwar
ein in das tarentinische Gebiet, aber noch einmal bot er auf
dieselben Bedingungen den Frieden, bevor er die Feindselig-
keiten begann. Als auch dies vergeblich war, begann er zwar die
Aecker und Landhäuser zu verwüsten und schlug die städtischen
Milizen, aber die vornehmeren Gefangenen wurden ohne Löse-
geld entlassen und man gab die Hoffnung nicht auf, dass der
Kriegsdruck in der Stadt der aristokratischen Partei das Ueber-
gewicht geben und damit den Frieden herbeiführen werde.
Die Römer boten alles auf die Tarentiner nicht aufs Aeusserste
zu treiben; womit sie sie nothwendig dem Epeiroten in die
Arme geworfen hätten, dessen Absichten auf Italien kein Ge-
heimniss mehr waren. Schon war eine tarentinische Gesandt-
schaft zu Pyrrhos gegangen und unverrichteter Sache zurück-
gekehrt; der König hatte mehr begehrt als sie zu bewilligen
Vollmacht hatte. Man musste sich entscheiden. Dass die Bür-

ZWEITES BUCH. KAPITEL VII.
capitulirte (im Winter 47⅔), und bestraften die Thuriner,
dieselben die von Tarent stets den Lucanern vertragsmäſsig
preisgegeben und dadurch gewaltsam zur Ergebung an Rom
gedrängt worden waren, schwer für ihren Abfall von der
hellenischen Partei zu den Barbaren.

Die Barbaren verfuhren indeſs mit einer Mäſsigung, die
bei solcher Macht und nach solchen Kränkungen Bewunderung
erregt. Es lag im Interesse Roms die tarentinische Neutrali-
tät so lange wie möglich gelten zu lassen, und die leitenden
Männer im Senat verwarfen deſshalb den Antrag, den eine
Minorität in begreiflicher Erbitterung gestellt hatte, den Taren-
tinern sofort den Krieg zu erklären. Vielmehr ward ihnen
ein Vergleich angeboten unter den mäſsigsten Bedingungen,
die sich mit Roms Ehre vertrugen: Entlassung der Gefange-
nen, Rückgabe von Thurii, Auslieferung der Urheber des Ueber-
falls der Flotte. Die Tarentiner konnten, ohne ihrer Unab-
hängigkeit etwas zu vergeben, diese Bedingungen eingehen
und bei der geringen Kriegslust der reichen Kaufstadt durfte
man in Rom mit Recht annehmen, daſs ein Abkommen noch
möglich sei. Mit diesen Vorschlägen ging eine römische Ge-
sandtschaft nach Tarent (473), während gleichzeitig ihren
Worten Nachdruck zu geben ein römisches Heer unter dem
Consul Lucius Aemilius in Samnium einrückte. Allein auch
dieser Versuch den Frieden zu erhalten scheiterte an der Un-
botmäſsigkeit des städtischen Pöbels, der sich mit beliebter
griechischer Ungezogenheit sogar an der Person der Gesandten
in unwürdiger Weise vergriff. Nun rückte der Consul zwar
ein in das tarentinische Gebiet, aber noch einmal bot er auf
dieselben Bedingungen den Frieden, bevor er die Feindselig-
keiten begann. Als auch dies vergeblich war, begann er zwar die
Aecker und Landhäuser zu verwüsten und schlug die städtischen
Milizen, aber die vornehmeren Gefangenen wurden ohne Löse-
geld entlassen und man gab die Hoffnung nicht auf, daſs der
Kriegsdruck in der Stadt der aristokratischen Partei das Ueber-
gewicht geben und damit den Frieden herbeiführen werde.
Die Römer boten alles auf die Tarentiner nicht aufs Aeuſserste
zu treiben; womit sie sie nothwendig dem Epeiroten in die
Arme geworfen hätten, dessen Absichten auf Italien kein Ge-
heimniſs mehr waren. Schon war eine tarentinische Gesandt-
schaft zu Pyrrhos gegangen und unverrichteter Sache zurück-
gekehrt; der König hatte mehr begehrt als sie zu bewilligen
Vollmacht hatte. Man muſste sich entscheiden. Daſs die Bür-

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[262/0276] ZWEITES BUCH. KAPITEL VII. capitulirte (im Winter 47⅔), und bestraften die Thuriner, dieselben die von Tarent stets den Lucanern vertragsmäſsig preisgegeben und dadurch gewaltsam zur Ergebung an Rom gedrängt worden waren, schwer für ihren Abfall von der hellenischen Partei zu den Barbaren. Die Barbaren verfuhren indeſs mit einer Mäſsigung, die bei solcher Macht und nach solchen Kränkungen Bewunderung erregt. Es lag im Interesse Roms die tarentinische Neutrali- tät so lange wie möglich gelten zu lassen, und die leitenden Männer im Senat verwarfen deſshalb den Antrag, den eine Minorität in begreiflicher Erbitterung gestellt hatte, den Taren- tinern sofort den Krieg zu erklären. Vielmehr ward ihnen ein Vergleich angeboten unter den mäſsigsten Bedingungen, die sich mit Roms Ehre vertrugen: Entlassung der Gefange- nen, Rückgabe von Thurii, Auslieferung der Urheber des Ueber- falls der Flotte. Die Tarentiner konnten, ohne ihrer Unab- hängigkeit etwas zu vergeben, diese Bedingungen eingehen und bei der geringen Kriegslust der reichen Kaufstadt durfte man in Rom mit Recht annehmen, daſs ein Abkommen noch möglich sei. Mit diesen Vorschlägen ging eine römische Ge- sandtschaft nach Tarent (473), während gleichzeitig ihren Worten Nachdruck zu geben ein römisches Heer unter dem Consul Lucius Aemilius in Samnium einrückte. Allein auch dieser Versuch den Frieden zu erhalten scheiterte an der Un- botmäſsigkeit des städtischen Pöbels, der sich mit beliebter griechischer Ungezogenheit sogar an der Person der Gesandten in unwürdiger Weise vergriff. Nun rückte der Consul zwar ein in das tarentinische Gebiet, aber noch einmal bot er auf dieselben Bedingungen den Frieden, bevor er die Feindselig- keiten begann. Als auch dies vergeblich war, begann er zwar die Aecker und Landhäuser zu verwüsten und schlug die städtischen Milizen, aber die vornehmeren Gefangenen wurden ohne Löse- geld entlassen und man gab die Hoffnung nicht auf, daſs der Kriegsdruck in der Stadt der aristokratischen Partei das Ueber- gewicht geben und damit den Frieden herbeiführen werde. Die Römer boten alles auf die Tarentiner nicht aufs Aeuſserste zu treiben; womit sie sie nothwendig dem Epeiroten in die Arme geworfen hätten, dessen Absichten auf Italien kein Ge- heimniſs mehr waren. Schon war eine tarentinische Gesandt- schaft zu Pyrrhos gegangen und unverrichteter Sache zurück- gekehrt; der König hatte mehr begehrt als sie zu bewilligen Vollmacht hatte. Man muſste sich entscheiden. Daſs die Bür-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/276>, abgerufen am 22.11.2024.