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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ZWEITES BUCH. KAPITEL VIII.
licher Arbeit im Ganzen dem folgenden Jahrhundert beizulegen
sein wird. -- Bei der Weise dieser Zeit den Seehandel mit
armirten Schiffen zu treiben und der engen Verbindung des
Seekrieges oder der Piraterie und des überseeischen Handels
hing der letztere wesentlich vom Stand der Kriegsmarine ab.
Ganz vernachlässigt ward diese von den Römern zu keiner
Zeit; Latium lieferte ihnen zum Schiffbau die schönsten Tan-
nen und Fichten, welche die gerühmten unteritalischen weit
übertrafen und die Docks in Rom beweisen allein schon, dass
man nicht daran dachte die Flotte eingehen zu lassen. In
der That ward das Weihgeschenk aus der veientischen Beute
auf einem römischen Kriegsschiff nach Delphi gesandt (360);
die Griechenstädte, die eintraten in die römische Symmachie
(zuerst Neapel 428), zur Stellung von Kriegsschiffen verpflich-
tet; im samnitischen Kriege durch Volksschluss eine Flotte
gegen Nuceria gerüstet (443); ja eine römische Flotte von
25 Schiffen ging nach Corsica ab um dort eine Stadt zu
gründen (vor 446), was indess nicht zur Ausführung kam.
Dass die römischen Städte am tyrrhenischen Meer, namentlich
Antium (römische Colonie seit 416) ihren Handel mit bewaff-
neten Schiffen und also auch gelegentlich das Piratengewerbe
betrieben, beweisen die Beschwerden, welche Alexander der
Grosse (+ 431) und Demetrios der Belagerer (+ 471) über
antiatische Seeräuber in Rom geführt haben sollen (S. 253); auch
der ,tyrrhenische Corsar' Postumius, den Timoleon um 415 auf-
brachte, könnte ein Antiate gewesen sein. Es steht demnach
vollkommen fest, dass Rom niemals seinen alten Traditionen (S.
32) untreu geworden ist und niemals so thöricht war bloss Con-
tinentalmacht sein zu wollen; wie es denn auch auf die Siche-
rung der Küsten und Häfen Italiens die grösste Sorgfalt ver-
wandte. Indess war es begreiflich, dass während der schwe-
ren und langjährigen Landkriege des vierten und fünften
Jahrhunderts die Flotte allmählich verfiel oder doch in ihrer
Entwicklung mit der steigenden Macht Roms keineswegs
Schritt hielt. Dafür zeugt die Plünderung der latinischen
Küste durch eine vermuthlich sicilische Kriegsflotte im Jahre
405 und deutlicher noch der wahrscheinlich 406* abgeschlos-
sene zweite Vertrag mit Karthago und Tyros. Durch diesen
wurden die römischen Schiffer beschränkt auf die Fahrt nach

* Eher 406 als 448, da es nicht wahrscheinlich ist, dass Tyros nach
Alexander für sich Staatsverträge abzuschliessen befugt war.

ZWEITES BUCH. KAPITEL VIII.
licher Arbeit im Ganzen dem folgenden Jahrhundert beizulegen
sein wird. — Bei der Weise dieser Zeit den Seehandel mit
armirten Schiffen zu treiben und der engen Verbindung des
Seekrieges oder der Piraterie und des überseeischen Handels
hing der letztere wesentlich vom Stand der Kriegsmarine ab.
Ganz vernachlässigt ward diese von den Römern zu keiner
Zeit; Latium lieferte ihnen zum Schiffbau die schönsten Tan-
nen und Fichten, welche die gerühmten unteritalischen weit
übertrafen und die Docks in Rom beweisen allein schon, daſs
man nicht daran dachte die Flotte eingehen zu lassen. In
der That ward das Weihgeschenk aus der veientischen Beute
auf einem römischen Kriegsschiff nach Delphi gesandt (360);
die Griechenstädte, die eintraten in die römische Symmachie
(zuerst Neapel 428), zur Stellung von Kriegsschiffen verpflich-
tet; im samnitischen Kriege durch Volksschluſs eine Flotte
gegen Nuceria gerüstet (443); ja eine römische Flotte von
25 Schiffen ging nach Corsica ab um dort eine Stadt zu
gründen (vor 446), was indeſs nicht zur Ausführung kam.
Daſs die römischen Städte am tyrrhenischen Meer, namentlich
Antium (römische Colonie seit 416) ihren Handel mit bewaff-
neten Schiffen und also auch gelegentlich das Piratengewerbe
betrieben, beweisen die Beschwerden, welche Alexander der
Groſse († 431) und Demetrios der Belagerer († 471) über
antiatische Seeräuber in Rom geführt haben sollen (S. 253); auch
der ‚tyrrhenische Corsar‘ Postumius, den Timoleon um 415 auf-
brachte, könnte ein Antiate gewesen sein. Es steht demnach
vollkommen fest, daſs Rom niemals seinen alten Traditionen (S.
32) untreu geworden ist und niemals so thöricht war bloſs Con-
tinentalmacht sein zu wollen; wie es denn auch auf die Siche-
rung der Küsten und Häfen Italiens die gröſste Sorgfalt ver-
wandte. Indeſs war es begreiflich, daſs während der schwe-
ren und langjährigen Landkriege des vierten und fünften
Jahrhunderts die Flotte allmählich verfiel oder doch in ihrer
Entwicklung mit der steigenden Macht Roms keineswegs
Schritt hielt. Dafür zeugt die Plünderung der latinischen
Küste durch eine vermuthlich sicilische Kriegsflotte im Jahre
405 und deutlicher noch der wahrscheinlich 406* abgeschlos-
sene zweite Vertrag mit Karthago und Tyros. Durch diesen
wurden die römischen Schiffer beschränkt auf die Fahrt nach

* Eher 406 als 448, da es nicht wahrscheinlich ist, daſs Tyros nach
Alexander für sich Staatsverträge abzuschlieſsen befugt war.
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[296/0310] ZWEITES BUCH. KAPITEL VIII. licher Arbeit im Ganzen dem folgenden Jahrhundert beizulegen sein wird. — Bei der Weise dieser Zeit den Seehandel mit armirten Schiffen zu treiben und der engen Verbindung des Seekrieges oder der Piraterie und des überseeischen Handels hing der letztere wesentlich vom Stand der Kriegsmarine ab. Ganz vernachlässigt ward diese von den Römern zu keiner Zeit; Latium lieferte ihnen zum Schiffbau die schönsten Tan- nen und Fichten, welche die gerühmten unteritalischen weit übertrafen und die Docks in Rom beweisen allein schon, daſs man nicht daran dachte die Flotte eingehen zu lassen. In der That ward das Weihgeschenk aus der veientischen Beute auf einem römischen Kriegsschiff nach Delphi gesandt (360); die Griechenstädte, die eintraten in die römische Symmachie (zuerst Neapel 428), zur Stellung von Kriegsschiffen verpflich- tet; im samnitischen Kriege durch Volksschluſs eine Flotte gegen Nuceria gerüstet (443); ja eine römische Flotte von 25 Schiffen ging nach Corsica ab um dort eine Stadt zu gründen (vor 446), was indeſs nicht zur Ausführung kam. Daſs die römischen Städte am tyrrhenischen Meer, namentlich Antium (römische Colonie seit 416) ihren Handel mit bewaff- neten Schiffen und also auch gelegentlich das Piratengewerbe betrieben, beweisen die Beschwerden, welche Alexander der Groſse († 431) und Demetrios der Belagerer († 471) über antiatische Seeräuber in Rom geführt haben sollen (S. 253); auch der ‚tyrrhenische Corsar‘ Postumius, den Timoleon um 415 auf- brachte, könnte ein Antiate gewesen sein. Es steht demnach vollkommen fest, daſs Rom niemals seinen alten Traditionen (S. 32) untreu geworden ist und niemals so thöricht war bloſs Con- tinentalmacht sein zu wollen; wie es denn auch auf die Siche- rung der Küsten und Häfen Italiens die gröſste Sorgfalt ver- wandte. Indeſs war es begreiflich, daſs während der schwe- ren und langjährigen Landkriege des vierten und fünften Jahrhunderts die Flotte allmählich verfiel oder doch in ihrer Entwicklung mit der steigenden Macht Roms keineswegs Schritt hielt. Dafür zeugt die Plünderung der latinischen Küste durch eine vermuthlich sicilische Kriegsflotte im Jahre 405 und deutlicher noch der wahrscheinlich 406 * abgeschlos- sene zweite Vertrag mit Karthago und Tyros. Durch diesen wurden die römischen Schiffer beschränkt auf die Fahrt nach * Eher 406 als 448, da es nicht wahrscheinlich ist, daſs Tyros nach Alexander für sich Staatsverträge abzuschlieſsen befugt war.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/310>, abgerufen am 22.11.2024.