Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.INNERE VERHAELTNISSE. dem karthagischen Sicilien und nach dem Hafen von Kar-thago selbst, während es ihnen untersagt ward nicht bloss in das östliche Meer zu schiffen, sondern auch Sardinien und die punischen Besitzungen in Spanien zu betreten, welche der erste Vertrag den Römern theils ausdrücklich geöffnet, theils wenigstens nicht geschlossen hatte. Sehr klar erscheint hier die veränderte Lage der Dinge im mittelländischen Meer. Hier rang nach dem Sturz der etruskischen Marine Karthago mit den Syrakusanern um die Herrschaft der See und errang sie trotz der vorübergehenden Erfolge des Dionysios (348- 389), des Agathokles (437-465) und des Pyrrhos (476-478). Die Römer, von den Landkriegen in Anspruch genommen und in ihrer eigenen Heimath von den griechischen Flotten heimgesucht, fügten sich zur See der Suprematie der Karthager und erkannten deren Prohibitivsystem an, indem sie sich von den Productions- plätzen, Spanien und dem Orient ausschliessen liessen und haupt- sächlich nur ihre alte und wichtige Handelsverbindung mit Sici- lien sich bewahrten; es mochte dies der einzige Weg sein zu verhindern, dass nicht wie im Jahre vor dem Abschluss des Ver- trages Latium zugleich von dem gallischen Land- und dem griechi- schen Seeraub heimgesucht ward (S. 216). Mit Massalia bestand daneben das alte enge Freundschaftsverhältniss fort. In ihrem Thesauros in Delphi ward das römische Weihgeschenk nach Veiis Eroberung aufgestellt und nach der gallischen Eroberung ward für die römischen Abgebrannten in Massalia gesammelt, wobei die Stadtkasse voranging -- der römische Senat vergalt dies durch Gewährung von Handelsbegünstigungen und eines Ehrenplatzes neben der Senatorentribüne bei der Feier der Spiele auf dem Markt, der schon erwähnten Graecostasis. -- Dass die grossen Erfolge in den italischen Kriegen und namentlich die Besetzung der adriatischen Küste auch die maritime Stellung Roms we- sentlich verändern mussten, versteht sich; der mit Rhodos um 448 geschlossene Vertrag ist dafür ein vereinzelter Beweis. Wie deutlich man in Karthago wie in Rom begriff, welche Fol- gen sich knüpfen mussten an die Unterwerfung der griechischen Städte in Süditalien unter die Herrschaft Roms, beweist schon die geringe Willfährigkeit, die die beiden grossen Städte sich be- zeigten, als der König Pyrrhos sie zu einer Allianz zwang, aber deutlicher noch die Versuche der Karthager sich selber in Rhe- gion oder in Tarent festzusetzen, andrerseits die gleichzeitige Ernennung der römischen Flottenquaestoren und die Besetzung von Brundisium unmittelbar nach der Beendigung des Krieges. INNERE VERHAELTNISSE. dem karthagischen Sicilien und nach dem Hafen von Kar-thago selbst, während es ihnen untersagt ward nicht bloſs in das östliche Meer zu schiffen, sondern auch Sardinien und die punischen Besitzungen in Spanien zu betreten, welche der erste Vertrag den Römern theils ausdrücklich geöffnet, theils wenigstens nicht geschlossen hatte. Sehr klar erscheint hier die veränderte Lage der Dinge im mittelländischen Meer. Hier rang nach dem Sturz der etruskischen Marine Karthago mit den Syrakusanern um die Herrschaft der See und errang sie trotz der vorübergehenden Erfolge des Dionysios (348- 389), des Agathokles (437-465) und des Pyrrhos (476-478). Die Römer, von den Landkriegen in Anspruch genommen und in ihrer eigenen Heimath von den griechischen Flotten heimgesucht, fügten sich zur See der Suprematie der Karthager und erkannten deren Prohibitivsystem an, indem sie sich von den Productions- plätzen, Spanien und dem Orient ausschlieſsen lieſsen und haupt- sächlich nur ihre alte und wichtige Handelsverbindung mit Sici- lien sich bewahrten; es mochte dies der einzige Weg sein zu verhindern, daſs nicht wie im Jahre vor dem Abschluſs des Ver- trages Latium zugleich von dem gallischen Land- und dem griechi- schen Seeraub heimgesucht ward (S. 216). Mit Massalia bestand daneben das alte enge Freundschaftsverhältniſs fort. In ihrem Thesauros in Delphi ward das römische Weihgeschenk nach Veiis Eroberung aufgestellt und nach der gallischen Eroberung ward für die römischen Abgebrannten in Massalia gesammelt, wobei die Stadtkasse voranging — der römische Senat vergalt dies durch Gewährung von Handelsbegünstigungen und eines Ehrenplatzes neben der Senatorentribüne bei der Feier der Spiele auf dem Markt, der schon erwähnten Graecostasis. — Daſs die groſsen Erfolge in den italischen Kriegen und namentlich die Besetzung der adriatischen Küste auch die maritime Stellung Roms we- sentlich verändern muſsten, versteht sich; der mit Rhodos um 448 geschlossene Vertrag ist dafür ein vereinzelter Beweis. Wie deutlich man in Karthago wie in Rom begriff, welche Fol- gen sich knüpfen muſsten an die Unterwerfung der griechischen Städte in Süditalien unter die Herrschaft Roms, beweist schon die geringe Willfährigkeit, die die beiden groſsen Städte sich be- zeigten, als der König Pyrrhos sie zu einer Allianz zwang, aber deutlicher noch die Versuche der Karthager sich selber in Rhe- gion oder in Tarent festzusetzen, andrerseits die gleichzeitige Ernennung der römischen Flottenquaestoren und die Besetzung von Brundisium unmittelbar nach der Beendigung des Krieges. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0311" n="297"/><fw place="top" type="header">INNERE VERHAELTNISSE.</fw><lb/> dem karthagischen Sicilien und nach dem Hafen von Kar-<lb/> thago selbst, während es ihnen untersagt ward nicht bloſs in<lb/> das östliche Meer zu schiffen, sondern auch Sardinien und<lb/> die punischen Besitzungen in Spanien zu betreten, welche der<lb/> erste Vertrag den Römern theils ausdrücklich geöffnet, theils<lb/> wenigstens nicht geschlossen hatte. 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INNERE VERHAELTNISSE.
dem karthagischen Sicilien und nach dem Hafen von Kar-
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das östliche Meer zu schiffen, sondern auch Sardinien und
die punischen Besitzungen in Spanien zu betreten, welche der
erste Vertrag den Römern theils ausdrücklich geöffnet, theils
wenigstens nicht geschlossen hatte. Sehr klar erscheint hier
die veränderte Lage der Dinge im mittelländischen Meer.
Hier rang nach dem Sturz der etruskischen Marine Karthago
mit den Syrakusanern um die Herrschaft der See und errang
sie trotz der vorübergehenden Erfolge des Dionysios (348-
389), des Agathokles (437-465) und des Pyrrhos (476-478).
Die Römer, von den Landkriegen in Anspruch genommen und in
ihrer eigenen Heimath von den griechischen Flotten heimgesucht,
fügten sich zur See der Suprematie der Karthager und erkannten
deren Prohibitivsystem an, indem sie sich von den Productions-
plätzen, Spanien und dem Orient ausschlieſsen lieſsen und haupt-
sächlich nur ihre alte und wichtige Handelsverbindung mit Sici-
lien sich bewahrten; es mochte dies der einzige Weg sein zu
verhindern, daſs nicht wie im Jahre vor dem Abschluſs des Ver-
trages Latium zugleich von dem gallischen Land- und dem griechi-
schen Seeraub heimgesucht ward (S. 216). Mit Massalia bestand
daneben das alte enge Freundschaftsverhältniſs fort. In ihrem
Thesauros in Delphi ward das römische Weihgeschenk nach Veiis
Eroberung aufgestellt und nach der gallischen Eroberung ward
für die römischen Abgebrannten in Massalia gesammelt, wobei
die Stadtkasse voranging — der römische Senat vergalt dies durch
Gewährung von Handelsbegünstigungen und eines Ehrenplatzes
neben der Senatorentribüne bei der Feier der Spiele auf dem
Markt, der schon erwähnten Graecostasis. — Daſs die groſsen
Erfolge in den italischen Kriegen und namentlich die Besetzung
der adriatischen Küste auch die maritime Stellung Roms we-
sentlich verändern muſsten, versteht sich; der mit Rhodos
um 448 geschlossene Vertrag ist dafür ein vereinzelter Beweis.
Wie deutlich man in Karthago wie in Rom begriff, welche Fol-
gen sich knüpfen muſsten an die Unterwerfung der griechischen
Städte in Süditalien unter die Herrschaft Roms, beweist schon
die geringe Willfährigkeit, die die beiden groſsen Städte sich be-
zeigten, als der König Pyrrhos sie zu einer Allianz zwang, aber
deutlicher noch die Versuche der Karthager sich selber in Rhe-
gion oder in Tarent festzusetzen, andrerseits die gleichzeitige
Ernennung der römischen Flottenquaestoren und die Besetzung
von Brundisium unmittelbar nach der Beendigung des Krieges.
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