Der Consul, Censor war bei -- euch wie auch Aedilis Taurasia, Cisauna, -- Samnium bezwang er, Nimmt ganz Lucanien ein und -- führet weg die Geisseln *.
Die Grabschrift des adlichen und tüchtigen, schönen und klu- gen Mannes mag uns wohl gelten für die ganze Reihe von Staatsmännern und Kriegern, die mitgebaut haben an der Grösse des römischen Staats. Es ist wohl nicht bloss Schuld der Ueberlieferung, dass sie alle so gleichartig erscheinen und ein bestimmtes individuelles Bild uns nirgends entgegentritt -- die einzige Ausnahme ist der wunderbare Appius Claudius, der im Staat die Schranken der Ansässigkeit als der unerläss- lichen Qualification des vollen Staatsbürgerrechts zersprengt, der das alte Finanzsystem bricht, von dem die römischen Wasserleitungen und Chausseen, die römische Jurisprudenz, Eloquenz, Poesie und Grammatik datiren -- seines Klagspie- gels ist schon gedacht, aber auch aufgezeichnete Reden, pytha- goreische Sprüche, Veränderungen in der Orthographie wer- den ihm beigelegt --, der als Mann den Gesetzen und Ge- bräuchen in seiner Amtsführung und seinem Lebenswandel keck und ungezogen entgegentritt als wäre er ein Athener, und dann sein öffentliches Leben damit beschliesst, dass er als blinder Greis den Pyrrhos im Senat überwindet und Roms vollendete Herrschaft über Italien zuerst förmlich und feier- lich in der entscheidenden Stunde ausspricht. Aber den ge- nialen Mann blendeten die Götter wegen seiner vorzeitigen Weisheit. Es ist nicht nöthig und nicht wünschenswerth, dass ein Bürger die übrigen verdunkle; weder durch reicheres Silbergeräth als das einzige Salzfass ist, das auf dem Tische jedes guten Bürgerhauses sich findet, noch durch künst- lichen Erzbeschlag der Hausthür, noch durch ungemeine Weisheit und Trefflichkeit. Jene Ausschreitungen straft der Censor; und für diese ist kein Raum in der Verfassung. Diese Zeit gehört nicht dem Einzelnen an; die Bürger müssen sich alle gleichen, damit jeder einem König gleich sei. Es ist der eine unbewegliche politische Gedanke, der sie beherrscht, von Geschlecht zu Geschlecht sich fortpflanzend im Senat, bei dessen Verhandlungen die Söhne vornehmer Familien schon als Knaben hinzugezogen werden, um sogleich in die grossen
* Wie wenig noch in dieser Zeit auf die Einzelheiten in den römi- schen Annalen gegeben werden kann, zeigt die Vergleichung ihrer Erzählung mit dieser Inschrift. Nach jener führt Lucius Scipio den Krieg in Etrurien, sein College in Samnium und ist Lucanien dies Jahr im Bunde mit Rom.
Röm. Gesch. I. 20
INNERE VERHAELTNISSE.
Der Consul, Censor war bei — euch wie auch Aedilis Taurasia, Cisauna, — Samnium bezwang er, Nimmt ganz Lucanien ein und — führet weg die Geiſseln *.
Die Grabschrift des adlichen und tüchtigen, schönen und klu- gen Mannes mag uns wohl gelten für die ganze Reihe von Staatsmännern und Kriegern, die mitgebaut haben an der Gröſse des römischen Staats. Es ist wohl nicht bloſs Schuld der Ueberlieferung, daſs sie alle so gleichartig erscheinen und ein bestimmtes individuelles Bild uns nirgends entgegentritt — die einzige Ausnahme ist der wunderbare Appius Claudius, der im Staat die Schranken der Ansässigkeit als der unerläſs- lichen Qualification des vollen Staatsbürgerrechts zersprengt, der das alte Finanzsystem bricht, von dem die römischen Wasserleitungen und Chausseen, die römische Jurisprudenz, Eloquenz, Poesie und Grammatik datiren — seines Klagspie- gels ist schon gedacht, aber auch aufgezeichnete Reden, pytha- goreische Sprüche, Veränderungen in der Orthographie wer- den ihm beigelegt —, der als Mann den Gesetzen und Ge- bräuchen in seiner Amtsführung und seinem Lebenswandel keck und ungezogen entgegentritt als wäre er ein Athener, und dann sein öffentliches Leben damit beschlieſst, daſs er als blinder Greis den Pyrrhos im Senat überwindet und Roms vollendete Herrschaft über Italien zuerst förmlich und feier- lich in der entscheidenden Stunde ausspricht. Aber den ge- nialen Mann blendeten die Götter wegen seiner vorzeitigen Weisheit. Es ist nicht nöthig und nicht wünschenswerth, daſs ein Bürger die übrigen verdunkle; weder durch reicheres Silbergeräth als das einzige Salzfaſs ist, das auf dem Tische jedes guten Bürgerhauses sich findet, noch durch künst- lichen Erzbeschlag der Hausthür, noch durch ungemeine Weisheit und Trefflichkeit. Jene Ausschreitungen straft der Censor; und für diese ist kein Raum in der Verfassung. Diese Zeit gehört nicht dem Einzelnen an; die Bürger müssen sich alle gleichen, damit jeder einem König gleich sei. Es ist der eine unbewegliche politische Gedanke, der sie beherrscht, von Geschlecht zu Geschlecht sich fortpflanzend im Senat, bei dessen Verhandlungen die Söhne vornehmer Familien schon als Knaben hinzugezogen werden, um sogleich in die groſsen
* Wie wenig noch in dieser Zeit auf die Einzelheiten in den römi- schen Annalen gegeben werden kann, zeigt die Vergleichung ihrer Erzählung mit dieser Inschrift. Nach jener führt Lucius Scipio den Krieg in Etrurien, sein College in Samnium und ist Lucanien dies Jahr im Bunde mit Rom.
Röm. Gesch. I. 20
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INNERE VERHAELTNISSE.
Der Consul, Censor war bei — euch wie auch Aedilis
Taurasia, Cisauna, — Samnium bezwang er,
Nimmt ganz Lucanien ein und — führet weg die Geiſseln *.
Die Grabschrift des adlichen und tüchtigen, schönen und klu-
gen Mannes mag uns wohl gelten für die ganze Reihe von
Staatsmännern und Kriegern, die mitgebaut haben an der
Gröſse des römischen Staats. Es ist wohl nicht bloſs Schuld
der Ueberlieferung, daſs sie alle so gleichartig erscheinen und
ein bestimmtes individuelles Bild uns nirgends entgegentritt
— die einzige Ausnahme ist der wunderbare Appius Claudius,
der im Staat die Schranken der Ansässigkeit als der unerläſs-
lichen Qualification des vollen Staatsbürgerrechts zersprengt,
der das alte Finanzsystem bricht, von dem die römischen
Wasserleitungen und Chausseen, die römische Jurisprudenz,
Eloquenz, Poesie und Grammatik datiren — seines Klagspie-
gels ist schon gedacht, aber auch aufgezeichnete Reden, pytha-
goreische Sprüche, Veränderungen in der Orthographie wer-
den ihm beigelegt —, der als Mann den Gesetzen und Ge-
bräuchen in seiner Amtsführung und seinem Lebenswandel
keck und ungezogen entgegentritt als wäre er ein Athener,
und dann sein öffentliches Leben damit beschlieſst, daſs er
als blinder Greis den Pyrrhos im Senat überwindet und Roms
vollendete Herrschaft über Italien zuerst förmlich und feier-
lich in der entscheidenden Stunde ausspricht. Aber den ge-
nialen Mann blendeten die Götter wegen seiner vorzeitigen
Weisheit. Es ist nicht nöthig und nicht wünschenswerth, daſs
ein Bürger die übrigen verdunkle; weder durch reicheres
Silbergeräth als das einzige Salzfaſs ist, das auf dem Tische
jedes guten Bürgerhauses sich findet, noch durch künst-
lichen Erzbeschlag der Hausthür, noch durch ungemeine
Weisheit und Trefflichkeit. Jene Ausschreitungen straft der
Censor; und für diese ist kein Raum in der Verfassung. Diese
Zeit gehört nicht dem Einzelnen an; die Bürger müssen sich
alle gleichen, damit jeder einem König gleich sei. Es ist der
eine unbewegliche politische Gedanke, der sie beherrscht, von
Geschlecht zu Geschlecht sich fortpflanzend im Senat, bei
dessen Verhandlungen die Söhne vornehmer Familien schon
als Knaben hinzugezogen werden, um sogleich in die groſsen
* Wie wenig noch in dieser Zeit auf die Einzelheiten in den römi-
schen Annalen gegeben werden kann, zeigt die Vergleichung ihrer Erzählung
mit dieser Inschrift. Nach jener führt Lucius Scipio den Krieg in Etrurien,
sein College in Samnium und ist Lucanien dies Jahr im Bunde mit Rom.
Röm. Gesch. I. 20
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/319>, abgerufen am 22.11.2024.
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