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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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KARTHAGO.
spiel Hippo, später regius zugenannt (Bona), Hadrumetum
(Susa), Kleinleptis (südlich von Susa) -- die zweite Stadt der
africanischen Phoenikier --, Thapsos (ebendaselbst), Grossleptis
(bei Tripoli). Wie es gekommen ist, dass sich all diese
Städte unter karthagische Botmässigkeit begaben, ob freiwillig,
etwa um sich zu schirmen vor den Angriffen der Kyrenaeer
und Numidier, oder gezwungen, ist nicht mehr nachzuweisen;
sicher aber ist, dass sie als Unterthanen der Karthager selbst
in officiellen Actenstücken bezeichnet werden, ihre Mauern
hatten niederreissen müssen und Steuer und Zuzug nach Kar-
thago zu leisten hatten. Indess waren sie nicht der Rekruti-
rung noch der Grundsteuer unterworfen, sondern leisteten ein
Bestimmtes an Mannschaft und Geld, Kleinleptis zum Beispiel
jährlich die ungeheure Summe von 365 Talenten (547500 Thlr.
preussisch); ferner lebten sie nach gleichem Recht mit den
Karthagern und konnten also zum Beispiel mit ihnen in gleiche
Ehe treten *. Einzig Utica hatte seine Mauern und seine Selbst-
ständigkeit bewahrt, wohl weniger durch seine Macht als durch
die Pietät der Karthager gegen ihre alten Beschützer; wie
denn die Phoenikier für solche Verhältnisse eine merkwürdige
von der griechischen Gleichgültigkeit wesentlich abstechende
Ehrfurcht hegten. Selbst im auswärtigen Verkehr sind es
stets ,Karthago und Utica', die zusammen festsetzen und ver-
sprechen; was natürlich nicht ausschliesst, dass die weit wich-
tigere Neustadt der That nach auch über Utica die Hegemonie

* Die schärfste Bezeichnung dieser wichtigen Klasse findet sich in dem
karthagischen Staatsvertrag (Polyb. 7, 9), wo sie im Gegensatz einerseits
zu den Uticensern, andrerseits zu den libyschen Unterthanen heissen: oi
Karkhedonion uparkhoi osoi tois autois nomois khrontai; sonst heissen
sie auch Bundes- (summakhides poleis Diod. 20, 10) oder steuerpflichtige
Städte (Liv. 34, 62. Iustin. 22, 7. 3). Ihr Conubium mit den Karthagern
erwähnt Diodoros 20, 55; das Commercium folgt aus den ,gleichen Gesetzen'.
Dass die altphoenikischen Colonien zu den Libyphoenikiern gehören, beweist
die Bezeichnung Hippos als einer libyphoenikischen Stadt (Liv. 25, 40);
andrerseits heisst es hinsichtlich der von Karthago aus gegründeten Ansied-
lungen zum Beispiel im Periplus des Hanno: ,Es beschlossen die Karthager,
dass Hanno jenseit der Säulen des Herkules schiffe und Städte der Liby-
phoenikier gründe'. Im Wesentlichen bezeichnen die Libyphoenikier bei
den Karthagern nicht eine nationale, sondern eine staatsrechtliche Kategorie.
Damit kann es recht wohl bestehen, dass der Name grammatisch die mit
Libyern gemischten Phoenikier bezeichnet (Liv. 21, 22, Zusatz zum Text
des Polybios); wie denn in der That wenigstens bei der Anlage sehr expo-
nirter Colonien den Phoenikiern häufig Libyer beigegeben wurden (Diodoros
13, 79). Die Analogie im Namen und im Rechtsverhältniss zwischen den
römischen Latinern und den karthagischen Libyphoenikiern ist unverkennbar.

KARTHAGO.
spiel Hippo, später regius zugenannt (Bona), Hadrumetum
(Susa), Kleinleptis (südlich von Susa) — die zweite Stadt der
africanischen Phoenikier —, Thapsos (ebendaselbst), Groſsleptis
(bei Tripoli). Wie es gekommen ist, daſs sich all diese
Städte unter karthagische Botmäſsigkeit begaben, ob freiwillig,
etwa um sich zu schirmen vor den Angriffen der Kyrenaeer
und Numidier, oder gezwungen, ist nicht mehr nachzuweisen;
sicher aber ist, daſs sie als Unterthanen der Karthager selbst
in officiellen Actenstücken bezeichnet werden, ihre Mauern
hatten niederreiſsen müssen und Steuer und Zuzug nach Kar-
thago zu leisten hatten. Indeſs waren sie nicht der Rekruti-
rung noch der Grundsteuer unterworfen, sondern leisteten ein
Bestimmtes an Mannschaft und Geld, Kleinleptis zum Beispiel
jährlich die ungeheure Summe von 365 Talenten (547500 Thlr.
preuſsisch); ferner lebten sie nach gleichem Recht mit den
Karthagern und konnten also zum Beispiel mit ihnen in gleiche
Ehe treten *. Einzig Utica hatte seine Mauern und seine Selbst-
ständigkeit bewahrt, wohl weniger durch seine Macht als durch
die Pietät der Karthager gegen ihre alten Beschützer; wie
denn die Phoenikier für solche Verhältnisse eine merkwürdige
von der griechischen Gleichgültigkeit wesentlich abstechende
Ehrfurcht hegten. Selbst im auswärtigen Verkehr sind es
stets ‚Karthago und Utica‘, die zusammen festsetzen und ver-
sprechen; was natürlich nicht ausschlieſst, daſs die weit wich-
tigere Neustadt der That nach auch über Utica die Hegemonie

* Die schärfste Bezeichnung dieser wichtigen Klasse findet sich in dem
karthagischen Staatsvertrag (Polyb. 7, 9), wo sie im Gegensatz einerseits
zu den Uticensern, andrerseits zu den libyschen Unterthanen heiſsen: οί
Καϱχηδονίων ὕπαϱχοι ὅσοι τοῖς αὐτοῖς νόμοις χϱῶνται; sonst heiſsen
sie auch Bundes- (συμμαχίδες πόλεις Diod. 20, 10) oder steuerpflichtige
Städte (Liv. 34, 62. Iustin. 22, 7. 3). Ihr Conubium mit den Karthagern
erwähnt Diodoros 20, 55; das Commercium folgt aus den ‚gleichen Gesetzen‘.
Daſs die altphoenikischen Colonien zu den Libyphoenikiern gehören, beweist
die Bezeichnung Hippos als einer libyphoenikischen Stadt (Liv. 25, 40);
andrerseits heiſst es hinsichtlich der von Karthago aus gegründeten Ansied-
lungen zum Beispiel im Periplus des Hanno: ‚Es beschlossen die Karthager,
daſs Hanno jenseit der Säulen des Herkules schiffe und Städte der Liby-
phoenikier gründe‘. Im Wesentlichen bezeichnen die Libyphoenikier bei
den Karthagern nicht eine nationale, sondern eine staatsrechtliche Kategorie.
Damit kann es recht wohl bestehen, daſs der Name grammatisch die mit
Libyern gemischten Phoenikier bezeichnet (Liv. 21, 22, Zusatz zum Text
des Polybios); wie denn in der That wenigstens bei der Anlage sehr expo-
nirter Colonien den Phoenikiern häufig Libyer beigegeben wurden (Diodoros
13, 79). Die Analogie im Namen und im Rechtsverhältniſs zwischen den
römischen Latinern und den karthagischen Libyphoenikiern ist unverkennbar.
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[315/0329] KARTHAGO. spiel Hippo, später regius zugenannt (Bona), Hadrumetum (Susa), Kleinleptis (südlich von Susa) — die zweite Stadt der africanischen Phoenikier —, Thapsos (ebendaselbst), Groſsleptis (bei Tripoli). Wie es gekommen ist, daſs sich all diese Städte unter karthagische Botmäſsigkeit begaben, ob freiwillig, etwa um sich zu schirmen vor den Angriffen der Kyrenaeer und Numidier, oder gezwungen, ist nicht mehr nachzuweisen; sicher aber ist, daſs sie als Unterthanen der Karthager selbst in officiellen Actenstücken bezeichnet werden, ihre Mauern hatten niederreiſsen müssen und Steuer und Zuzug nach Kar- thago zu leisten hatten. Indeſs waren sie nicht der Rekruti- rung noch der Grundsteuer unterworfen, sondern leisteten ein Bestimmtes an Mannschaft und Geld, Kleinleptis zum Beispiel jährlich die ungeheure Summe von 365 Talenten (547500 Thlr. preuſsisch); ferner lebten sie nach gleichem Recht mit den Karthagern und konnten also zum Beispiel mit ihnen in gleiche Ehe treten *. Einzig Utica hatte seine Mauern und seine Selbst- ständigkeit bewahrt, wohl weniger durch seine Macht als durch die Pietät der Karthager gegen ihre alten Beschützer; wie denn die Phoenikier für solche Verhältnisse eine merkwürdige von der griechischen Gleichgültigkeit wesentlich abstechende Ehrfurcht hegten. Selbst im auswärtigen Verkehr sind es stets ‚Karthago und Utica‘, die zusammen festsetzen und ver- sprechen; was natürlich nicht ausschlieſst, daſs die weit wich- tigere Neustadt der That nach auch über Utica die Hegemonie * Die schärfste Bezeichnung dieser wichtigen Klasse findet sich in dem karthagischen Staatsvertrag (Polyb. 7, 9), wo sie im Gegensatz einerseits zu den Uticensern, andrerseits zu den libyschen Unterthanen heiſsen: οί Καϱχηδονίων ὕπαϱχοι ὅσοι τοῖς αὐτοῖς νόμοις χϱῶνται; sonst heiſsen sie auch Bundes- (συμμαχίδες πόλεις Diod. 20, 10) oder steuerpflichtige Städte (Liv. 34, 62. Iustin. 22, 7. 3). Ihr Conubium mit den Karthagern erwähnt Diodoros 20, 55; das Commercium folgt aus den ‚gleichen Gesetzen‘. Daſs die altphoenikischen Colonien zu den Libyphoenikiern gehören, beweist die Bezeichnung Hippos als einer libyphoenikischen Stadt (Liv. 25, 40); andrerseits heiſst es hinsichtlich der von Karthago aus gegründeten Ansied- lungen zum Beispiel im Periplus des Hanno: ‚Es beschlossen die Karthager, daſs Hanno jenseit der Säulen des Herkules schiffe und Städte der Liby- phoenikier gründe‘. Im Wesentlichen bezeichnen die Libyphoenikier bei den Karthagern nicht eine nationale, sondern eine staatsrechtliche Kategorie. Damit kann es recht wohl bestehen, daſs der Name grammatisch die mit Libyern gemischten Phoenikier bezeichnet (Liv. 21, 22, Zusatz zum Text des Polybios); wie denn in der That wenigstens bei der Anlage sehr expo- nirter Colonien den Phoenikiern häufig Libyer beigegeben wurden (Diodoros 13, 79). Die Analogie im Namen und im Rechtsverhältniſs zwischen den römischen Latinern und den karthagischen Libyphoenikiern ist unverkennbar.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/329>, abgerufen am 22.11.2024.