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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL II.
loren und einen neuen und mächtigen Gegner in nächster
Nähe erhielten; mit karthagischer Hülfe behaupteten die Ma-
mertiner sich gegen Pyrrhos und der unzeitige Abzug des
Königs gab ihnen ihre ganze Macht zurück. -- Es ziemt der
Historie weder den treulosen Frevel zu entschuldigen, durch
den sie der Herrschaft sich bemächtigten, noch zu vergessen,
dass der Gott, der die Sünde der Väter straft bis ins vierte
Glied, nicht der Gott der Geschichte ist. Wer sich berufen
fühlt die Sünden Anderer zu richten, mag die Menschen ver-
dammen; für Sicilien konnte es heilbringend sein, dass hier
eine streitkräftige und der Insel eigene Macht sich zu bilden
anfing, die schon bis achttausend Mann ins Feld zu stellen
vermochte und die allmählich sich in den Stand setzte, den
Kampf, dem die trotz der ewigen Kriege sich immer mehr
der Waffen entwöhnenden Hellenen nicht mehr gewachsen
waren, zu rechter Zeit gegen die Ausländer mit eigenen
Kräften aufzunehmen.

Zunächst indess kam es anders. Ein junger syrakusani-
scher Offizier, der durch seine Abstammung aus dem Ge-
schlechte Gelons und durch seine engen verwandtschaftlichen
Beziehungen zum König Pyrrhos ebenso sehr wie durch die
Auszeichnung, mit der er in dessen Feldzügen gefochten hatte,
die Blicke seiner Mitbürger wie die der syrakusanischen Sol-
datesca auf sich gelenkt hatte, Hieron, des Hierokles Sohn,
ward durch eine militärische Wahl an die Spitze des mit den
Bürgern hadernden Heeres gerufen (479/80 Roms, Ol. 126, 2).
Durch seine kluge Verwaltung, sein adliches Wesen und seinen
mässigen Sinn gewann er schnell sich die Herzen der syra-
kusanischen, des schändlichsten Despotenunfugs gewohnten
Bürgerschaft und überhaupt der sicilischen Griechen. Er ent-
ledigte sich, freilich auf treulose Weise, des unbotmässigen
Söldnerheeres, regenerirte die Bürgermiliz nnd versuchte, an-
fangs mit dem Titel als Feldherr, später als König, mit den
Bürgertruppen und frischen und lenksameren Geworbenen
die tief gesunkene hellenische Macht wieder herzustellen. Mit
den Karthagern, die im Einverständniss mit den Griechen den
König Pyrrhos von der Insel vertrieben hatten, war damals
Friede; die nächsten Feinde der Syrakusier waren die Ma-
mertiner, die Stammgenossen der verhassten, vor kurzem aus-
gerotteten Söldner, die Mörder ihrer griechischen Wirthe, die
Schmälerer des syrakusanischen Gebiets, die Zwingherren und
Brandschatzer einer Menge kleinerer griechischen Städte. Im

DRITTES BUCH. KAPITEL II.
loren und einen neuen und mächtigen Gegner in nächster
Nähe erhielten; mit karthagischer Hülfe behaupteten die Ma-
mertiner sich gegen Pyrrhos und der unzeitige Abzug des
Königs gab ihnen ihre ganze Macht zurück. — Es ziemt der
Historie weder den treulosen Frevel zu entschuldigen, durch
den sie der Herrschaft sich bemächtigten, noch zu vergessen,
daſs der Gott, der die Sünde der Väter straft bis ins vierte
Glied, nicht der Gott der Geschichte ist. Wer sich berufen
fühlt die Sünden Anderer zu richten, mag die Menschen ver-
dammen; für Sicilien konnte es heilbringend sein, daſs hier
eine streitkräftige und der Insel eigene Macht sich zu bilden
anfing, die schon bis achttausend Mann ins Feld zu stellen
vermochte und die allmählich sich in den Stand setzte, den
Kampf, dem die trotz der ewigen Kriege sich immer mehr
der Waffen entwöhnenden Hellenen nicht mehr gewachsen
waren, zu rechter Zeit gegen die Ausländer mit eigenen
Kräften aufzunehmen.

Zunächst indeſs kam es anders. Ein junger syrakusani-
scher Offizier, der durch seine Abstammung aus dem Ge-
schlechte Gelons und durch seine engen verwandtschaftlichen
Beziehungen zum König Pyrrhos ebenso sehr wie durch die
Auszeichnung, mit der er in dessen Feldzügen gefochten hatte,
die Blicke seiner Mitbürger wie die der syrakusanischen Sol-
datesca auf sich gelenkt hatte, Hieron, des Hierokles Sohn,
ward durch eine militärische Wahl an die Spitze des mit den
Bürgern hadernden Heeres gerufen (479/80 Roms, Ol. 126, 2).
Durch seine kluge Verwaltung, sein adliches Wesen und seinen
mäſsigen Sinn gewann er schnell sich die Herzen der syra-
kusanischen, des schändlichsten Despotenunfugs gewohnten
Bürgerschaft und überhaupt der sicilischen Griechen. Er ent-
ledigte sich, freilich auf treulose Weise, des unbotmäſsigen
Söldnerheeres, regenerirte die Bürgermiliz nnd versuchte, an-
fangs mit dem Titel als Feldherr, später als König, mit den
Bürgertruppen und frischen und lenksameren Geworbenen
die tief gesunkene hellenische Macht wieder herzustellen. Mit
den Karthagern, die im Einverständniss mit den Griechen den
König Pyrrhos von der Insel vertrieben hatten, war damals
Friede; die nächsten Feinde der Syrakusier waren die Ma-
mertiner, die Stammgenossen der verhassten, vor kurzem aus-
gerotteten Söldner, die Mörder ihrer griechischen Wirthe, die
Schmälerer des syrakusanischen Gebiets, die Zwingherren und
Brandschatzer einer Menge kleinerer griechischen Städte. Im

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[332/0346] DRITTES BUCH. KAPITEL II. loren und einen neuen und mächtigen Gegner in nächster Nähe erhielten; mit karthagischer Hülfe behaupteten die Ma- mertiner sich gegen Pyrrhos und der unzeitige Abzug des Königs gab ihnen ihre ganze Macht zurück. — Es ziemt der Historie weder den treulosen Frevel zu entschuldigen, durch den sie der Herrschaft sich bemächtigten, noch zu vergessen, daſs der Gott, der die Sünde der Väter straft bis ins vierte Glied, nicht der Gott der Geschichte ist. Wer sich berufen fühlt die Sünden Anderer zu richten, mag die Menschen ver- dammen; für Sicilien konnte es heilbringend sein, daſs hier eine streitkräftige und der Insel eigene Macht sich zu bilden anfing, die schon bis achttausend Mann ins Feld zu stellen vermochte und die allmählich sich in den Stand setzte, den Kampf, dem die trotz der ewigen Kriege sich immer mehr der Waffen entwöhnenden Hellenen nicht mehr gewachsen waren, zu rechter Zeit gegen die Ausländer mit eigenen Kräften aufzunehmen. Zunächst indeſs kam es anders. Ein junger syrakusani- scher Offizier, der durch seine Abstammung aus dem Ge- schlechte Gelons und durch seine engen verwandtschaftlichen Beziehungen zum König Pyrrhos ebenso sehr wie durch die Auszeichnung, mit der er in dessen Feldzügen gefochten hatte, die Blicke seiner Mitbürger wie die der syrakusanischen Sol- datesca auf sich gelenkt hatte, Hieron, des Hierokles Sohn, ward durch eine militärische Wahl an die Spitze des mit den Bürgern hadernden Heeres gerufen (479/80 Roms, Ol. 126, 2). Durch seine kluge Verwaltung, sein adliches Wesen und seinen mäſsigen Sinn gewann er schnell sich die Herzen der syra- kusanischen, des schändlichsten Despotenunfugs gewohnten Bürgerschaft und überhaupt der sicilischen Griechen. Er ent- ledigte sich, freilich auf treulose Weise, des unbotmäſsigen Söldnerheeres, regenerirte die Bürgermiliz nnd versuchte, an- fangs mit dem Titel als Feldherr, später als König, mit den Bürgertruppen und frischen und lenksameren Geworbenen die tief gesunkene hellenische Macht wieder herzustellen. Mit den Karthagern, die im Einverständniss mit den Griechen den König Pyrrhos von der Insel vertrieben hatten, war damals Friede; die nächsten Feinde der Syrakusier waren die Ma- mertiner, die Stammgenossen der verhassten, vor kurzem aus- gerotteten Söldner, die Mörder ihrer griechischen Wirthe, die Schmälerer des syrakusanischen Gebiets, die Zwingherren und Brandschatzer einer Menge kleinerer griechischen Städte. Im

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/346>, abgerufen am 22.11.2024.