ihr zu folgen es weiss keiner wohin. Nach langer ernster Berathung über den Antrag der Consuln die Legionen den Mamertinern zu Hülfe zu führen kam der Senat zu keinem entscheidenden Beschluss, sondern verwies die Sache an das Volk. In diesem lebte das frische Gefühl der durch eigene Kraft gegründeten Grossmacht. Die Eroberung Italiens gab den Römern wie die Griechenlands den Makedoniern, wie die Schlesiens den Preussen den Muth, eine neue politische Bahn zu betreten; formell motivirt ward die Unterstützung der Ma- mertiner durch die Schutzherrschaft, die Rom über sämmtliche Italiker ansprach. Auf Antrag der Consuln beschloss die Bürgerschaft den überseeischen Italikern Hülfe zu senden (489).
Man bereitete sich also zum Kriege, erwartend, wie die beiden zunächst betroffenen und beide bisher dem Namen nach mit Rom verbündeten sicilischen Mächte die Invasion der Römer auf die Insel aufnehmen würden. Hieron hatte Grund genug die an ihn ergangene Aufforderung der Römer, gegen ihre neuen Bundesgenossen in Messana die Feindseligkeiten einzustellen, ebenso zu behandeln, wie die Samniten und die Lucaner in gleichem Falle die Besetzung von Capua und Thurii aufgenommen hatten und den Römern mit einer Kriegserklärung zu antworten; blieb er indess allein, so war ein solcher Krieg eine Thorheit und von seiner vorsichtigen und gemässigten Politik konnte man erwarten, dass er sich fügen werde, wenn Karthago sich ruhig verhielt. Unmöglich schien es nicht. Eine römische Gesandtschaft ging jetzt (489), sieben Jahre nach dem Versuch der punischen Flotte sich Tarents zu bemächtigen, nach Karthago, um Auf- klärung wegen dieser Vorgänge zu verlangen; man erinnerte sich nicht ohne Grund jetzt plötzlich wieder der halb verges- senen Beschwerden -- es schien nicht überflüssig unter an- deren Kriegsvorbereitungen auch die papierene Rüstkammer mit Kriegsgründen zu füllen und für die künftigen Manifeste sich, wie die Römer es pflegten, die Rolle des angegriffenen Theils zu reserviren. Wenigstens das konnte man mit vollem Rechte sagen, dass die beiderseitigen Unternehmungen auf Tarent und auf Messana der Absicht und dem Rechtsgrund nach vollkommen gleich standen und nur der zufällige Erfolg den Unterschied machte. Karthago vermied den offenen Bruch. Die Gesandten brachten nach Rom die Desavouirung des karthagischen Admirals zurück, der den Versuch auf Ta- rent gemacht hatte, nebst den erforderlichen falschen Eiden.
ERSTER PUNISCHER KRIEG.
ihr zu folgen es weiſs keiner wohin. Nach langer ernster Berathung über den Antrag der Consuln die Legionen den Mamertinern zu Hülfe zu führen kam der Senat zu keinem entscheidenden Beschluſs, sondern verwies die Sache an das Volk. In diesem lebte das frische Gefühl der durch eigene Kraft gegründeten Groſsmacht. Die Eroberung Italiens gab den Römern wie die Griechenlands den Makedoniern, wie die Schlesiens den Preuſsen den Muth, eine neue politische Bahn zu betreten; formell motivirt ward die Unterstützung der Ma- mertiner durch die Schutzherrschaft, die Rom über sämmtliche Italiker ansprach. Auf Antrag der Consuln beschloſs die Bürgerschaft den überseeischen Italikern Hülfe zu senden (489).
Man bereitete sich also zum Kriege, erwartend, wie die beiden zunächst betroffenen und beide bisher dem Namen nach mit Rom verbündeten sicilischen Mächte die Invasion der Römer auf die Insel aufnehmen würden. Hieron hatte Grund genug die an ihn ergangene Aufforderung der Römer, gegen ihre neuen Bundesgenossen in Messana die Feindseligkeiten einzustellen, ebenso zu behandeln, wie die Samniten und die Lucaner in gleichem Falle die Besetzung von Capua und Thurii aufgenommen hatten und den Römern mit einer Kriegserklärung zu antworten; blieb er indeſs allein, so war ein solcher Krieg eine Thorheit und von seiner vorsichtigen und gemäſsigten Politik konnte man erwarten, daſs er sich fügen werde, wenn Karthago sich ruhig verhielt. Unmöglich schien es nicht. Eine römische Gesandtschaft ging jetzt (489), sieben Jahre nach dem Versuch der punischen Flotte sich Tarents zu bemächtigen, nach Karthago, um Auf- klärung wegen dieser Vorgänge zu verlangen; man erinnerte sich nicht ohne Grund jetzt plötzlich wieder der halb verges- senen Beschwerden — es schien nicht überflüssig unter an- deren Kriegsvorbereitungen auch die papierene Rüstkammer mit Kriegsgründen zu füllen und für die künftigen Manifeste sich, wie die Römer es pflegten, die Rolle des angegriffenen Theils zu reserviren. Wenigstens das konnte man mit vollem Rechte sagen, daſs die beiderseitigen Unternehmungen auf Tarent und auf Messana der Absicht und dem Rechtsgrund nach vollkommen gleich standen und nur der zufällige Erfolg den Unterschied machte. Karthago vermied den offenen Bruch. Die Gesandten brachten nach Rom die Desavouirung des karthagischen Admirals zurück, der den Versuch auf Ta- rent gemacht hatte, nebst den erforderlichen falschen Eiden.
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ERSTER PUNISCHER KRIEG.
ihr zu folgen es weiſs keiner wohin. Nach langer ernster
Berathung über den Antrag der Consuln die Legionen den
Mamertinern zu Hülfe zu führen kam der Senat zu keinem
entscheidenden Beschluſs, sondern verwies die Sache an das
Volk. In diesem lebte das frische Gefühl der durch eigene
Kraft gegründeten Groſsmacht. Die Eroberung Italiens gab
den Römern wie die Griechenlands den Makedoniern, wie die
Schlesiens den Preuſsen den Muth, eine neue politische Bahn
zu betreten; formell motivirt ward die Unterstützung der Ma-
mertiner durch die Schutzherrschaft, die Rom über sämmtliche
Italiker ansprach. Auf Antrag der Consuln beschloſs die
Bürgerschaft den überseeischen Italikern Hülfe zu senden (489).
Man bereitete sich also zum Kriege, erwartend, wie die
beiden zunächst betroffenen und beide bisher dem Namen
nach mit Rom verbündeten sicilischen Mächte die Invasion
der Römer auf die Insel aufnehmen würden. Hieron
hatte Grund genug die an ihn ergangene Aufforderung der
Römer, gegen ihre neuen Bundesgenossen in Messana die
Feindseligkeiten einzustellen, ebenso zu behandeln, wie die
Samniten und die Lucaner in gleichem Falle die Besetzung
von Capua und Thurii aufgenommen hatten und den Römern
mit einer Kriegserklärung zu antworten; blieb er indeſs
allein, so war ein solcher Krieg eine Thorheit und von seiner
vorsichtigen und gemäſsigten Politik konnte man erwarten,
daſs er sich fügen werde, wenn Karthago sich ruhig verhielt.
Unmöglich schien es nicht. Eine römische Gesandtschaft ging
jetzt (489), sieben Jahre nach dem Versuch der punischen
Flotte sich Tarents zu bemächtigen, nach Karthago, um Auf-
klärung wegen dieser Vorgänge zu verlangen; man erinnerte
sich nicht ohne Grund jetzt plötzlich wieder der halb verges-
senen Beschwerden — es schien nicht überflüssig unter an-
deren Kriegsvorbereitungen auch die papierene Rüstkammer
mit Kriegsgründen zu füllen und für die künftigen Manifeste
sich, wie die Römer es pflegten, die Rolle des angegriffenen
Theils zu reserviren. Wenigstens das konnte man mit vollem
Rechte sagen, daſs die beiderseitigen Unternehmungen auf
Tarent und auf Messana der Absicht und dem Rechtsgrund
nach vollkommen gleich standen und nur der zufällige Erfolg
den Unterschied machte. Karthago vermied den offenen
Bruch. Die Gesandten brachten nach Rom die Desavouirung
des karthagischen Admirals zurück, der den Versuch auf Ta-
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/349>, abgerufen am 22.11.2024.
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