Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL II. Die Gegenbeschuldigungen, die natürlich nicht fehlten, warengemässigt gehalten und vermieden es sogar die beabsichtigte sicilische Invasion als Kriegsgrund zu bezeichnen, obwohl sie es war; denn wie Rom die italischen, so betrachtete Karthago die sicilischen Angelegenheiten als innere, in die eine unab- hängige Macht keinen Eingriff gestatten kann, und war ent- schlossen hienach zu handeln. Die punische Politik indess ging einen leiseren Gang als der der offenen Kriegsdrohung war. Als in Rom die Vorbereitungen zum Kriege endlich so weit gedie- hen waren, dass die Flotte, gebildet aus den Kriegsschiffen von Neapel, Tarent, Velia und Lokri, und die Vorhut des römischen Landheeres unter dem Kriegstribun Gaius Claudius in Rhegion erschienen (Frühling 490), kam ihnen von Messana die uner- wartete Botschaft, dass die Karthager im Einverständniss mit der antirömischen Partei in Messana als neutrale Macht einen Frieden zwischen Hieron und den Mamertinern vermittelt hätten und die Belagerung also aufgehoben sei; dass ferner im Hafen von Messana eine karthagische Flotte, in der Burg karthagische Besatzung liege, beide unter dem Befehl des Admiral Hanno. Die vom karthagischen Einfluss beherrschte mamertinische Bürgerschaft liess unter verbindlichem Dank für die schleunig gewährte Bundeshülfe den römischen Be- fehlshabern anzeigen, dass man sich freue derselben nicht mehr zu bedürfen. Es schien fast, als hätten die Römer vor Messana sich ebenso nutzlos compromittirt wie die Karthager vor Tarent. Indess der gewandte und verwegene Offizier, der die römische Vorhut befehligte, schiffte nichts desto weniger seine Truppen ein. Die Karthager wiesen die römischen Schiffe zurück und brachten sogar einige derselben auf, die der karthagische Admiral, eingedenk der strengen Befehle keine Veranlassung zum Ausbruch der Feindseligkeiten zu geben, den guten Freunden jenseit der Meerenge zurück- sandte. Aber Claudius liess sich nicht abschrecken und bei einem zweiten Versuch gelang die Ueberfahrt. Kaum gelandet berief er die Bürgerschaft zur Versammlung und auf seinen Wunsch erschien in derselben gleichfalls der Admiral, noch immer wähnend den offenen Bruch vermeiden zu können. Allein in der Versammlung selbst bemächtigten die Römer sich seiner Person und Hanno sowie die schwache und führer- lose punische Besatzung auf der Burg waren kleinmüthig ge- nug jener an seine Truppen den Befehl zum Abzug zu geben, diese dem Befehl des gefangenen Feldherrn nachzukommen DRITTES BUCH. KAPITEL II. Die Gegenbeschuldigungen, die natürlich nicht fehlten, warengemäſsigt gehalten und vermieden es sogar die beabsichtigte sicilische Invasion als Kriegsgrund zu bezeichnen, obwohl sie es war; denn wie Rom die italischen, so betrachtete Karthago die sicilischen Angelegenheiten als innere, in die eine unab- hängige Macht keinen Eingriff gestatten kann, und war ent- schlossen hienach zu handeln. Die punische Politik indeſs ging einen leiseren Gang als der der offenen Kriegsdrohung war. Als in Rom die Vorbereitungen zum Kriege endlich so weit gedie- hen waren, daſs die Flotte, gebildet aus den Kriegsschiffen von Neapel, Tarent, Velia und Lokri, und die Vorhut des römischen Landheeres unter dem Kriegstribun Gaius Claudius in Rhegion erschienen (Frühling 490), kam ihnen von Messana die uner- wartete Botschaft, daſs die Karthager im Einverständniſs mit der antirömischen Partei in Messana als neutrale Macht einen Frieden zwischen Hieron und den Mamertinern vermittelt hätten und die Belagerung also aufgehoben sei; daſs ferner im Hafen von Messana eine karthagische Flotte, in der Burg karthagische Besatzung liege, beide unter dem Befehl des Admiral Hanno. Die vom karthagischen Einfluſs beherrschte mamertinische Bürgerschaft lieſs unter verbindlichem Dank für die schleunig gewährte Bundeshülfe den römischen Be- fehlshabern anzeigen, daſs man sich freue derselben nicht mehr zu bedürfen. Es schien fast, als hätten die Römer vor Messana sich ebenso nutzlos compromittirt wie die Karthager vor Tarent. Indeſs der gewandte und verwegene Offizier, der die römische Vorhut befehligte, schiffte nichts desto weniger seine Truppen ein. Die Karthager wiesen die römischen Schiffe zurück und brachten sogar einige derselben auf, die der karthagische Admiral, eingedenk der strengen Befehle keine Veranlassung zum Ausbruch der Feindseligkeiten zu geben, den guten Freunden jenseit der Meerenge zurück- sandte. Aber Claudius lieſs sich nicht abschrecken und bei einem zweiten Versuch gelang die Ueberfahrt. Kaum gelandet berief er die Bürgerschaft zur Versammlung und auf seinen Wunsch erschien in derselben gleichfalls der Admiral, noch immer wähnend den offenen Bruch vermeiden zu können. Allein in der Versammlung selbst bemächtigten die Römer sich seiner Person und Hanno sowie die schwache und führer- lose punische Besatzung auf der Burg waren kleinmüthig ge- nug jener an seine Truppen den Befehl zum Abzug zu geben, diese dem Befehl des gefangenen Feldherrn nachzukommen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0350" n="336"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. KAPITEL II.</fw><lb/> Die Gegenbeschuldigungen, die natürlich nicht fehlten, waren<lb/> gemäſsigt gehalten und vermieden es sogar die beabsichtigte<lb/> sicilische Invasion als Kriegsgrund zu bezeichnen, obwohl sie<lb/> es war; denn wie Rom die italischen, so betrachtete Karthago<lb/> die sicilischen Angelegenheiten als innere, in die eine unab-<lb/> hängige Macht keinen Eingriff gestatten kann, und war ent-<lb/> schlossen hienach zu handeln. Die punische Politik indeſs ging<lb/> einen leiseren Gang als der der offenen Kriegsdrohung war. 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DRITTES BUCH. KAPITEL II.
Die Gegenbeschuldigungen, die natürlich nicht fehlten, waren
gemäſsigt gehalten und vermieden es sogar die beabsichtigte
sicilische Invasion als Kriegsgrund zu bezeichnen, obwohl sie
es war; denn wie Rom die italischen, so betrachtete Karthago
die sicilischen Angelegenheiten als innere, in die eine unab-
hängige Macht keinen Eingriff gestatten kann, und war ent-
schlossen hienach zu handeln. Die punische Politik indeſs ging
einen leiseren Gang als der der offenen Kriegsdrohung war. Als
in Rom die Vorbereitungen zum Kriege endlich so weit gedie-
hen waren, daſs die Flotte, gebildet aus den Kriegsschiffen von
Neapel, Tarent, Velia und Lokri, und die Vorhut des römischen
Landheeres unter dem Kriegstribun Gaius Claudius in Rhegion
erschienen (Frühling 490), kam ihnen von Messana die uner-
wartete Botschaft, daſs die Karthager im Einverständniſs mit
der antirömischen Partei in Messana als neutrale Macht einen
Frieden zwischen Hieron und den Mamertinern vermittelt
hätten und die Belagerung also aufgehoben sei; daſs ferner
im Hafen von Messana eine karthagische Flotte, in der Burg
karthagische Besatzung liege, beide unter dem Befehl des
Admiral Hanno. Die vom karthagischen Einfluſs beherrschte
mamertinische Bürgerschaft lieſs unter verbindlichem Dank
für die schleunig gewährte Bundeshülfe den römischen Be-
fehlshabern anzeigen, daſs man sich freue derselben nicht
mehr zu bedürfen. Es schien fast, als hätten die Römer vor
Messana sich ebenso nutzlos compromittirt wie die Karthager
vor Tarent. Indeſs der gewandte und verwegene Offizier, der
die römische Vorhut befehligte, schiffte nichts desto weniger
seine Truppen ein. Die Karthager wiesen die römischen
Schiffe zurück und brachten sogar einige derselben auf, die
der karthagische Admiral, eingedenk der strengen Befehle
keine Veranlassung zum Ausbruch der Feindseligkeiten zu
geben, den guten Freunden jenseit der Meerenge zurück-
sandte. Aber Claudius lieſs sich nicht abschrecken und bei
einem zweiten Versuch gelang die Ueberfahrt. Kaum gelandet
berief er die Bürgerschaft zur Versammlung und auf seinen
Wunsch erschien in derselben gleichfalls der Admiral, noch
immer wähnend den offenen Bruch vermeiden zu können.
Allein in der Versammlung selbst bemächtigten die Römer
sich seiner Person und Hanno sowie die schwache und führer-
lose punische Besatzung auf der Burg waren kleinmüthig ge-
nug jener an seine Truppen den Befehl zum Abzug zu geben,
diese dem Befehl des gefangenen Feldherrn nachzukommen
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