dadurch verscherzt, dass es nach der Schlacht der belagerten Armee während der Verwirrung und der Ermüdung der Sieger gelang aus der Stadt zu entkommen und die Flotte zu erreichen. Dennoch war der Sieg von Bedeutung; Akragas fiel dadurch in die Hände der Römer und damit war die ganze Insel in ihrer Gewalt mit Ausnahme der Seefestungen, in denen der karthagische Feldherr Hamilkar, Hannos Nachfolger im Ober- befehl, sich bis an die Zähne verschanzte und weder durch Gewalt noch durch Hunger zu vertreiben war. Der Krieg hörte auf der Insel auf; nur durch Landungen und durch Ausfälle aus den Festungen ward er fortgesetzt in einer für die Römer äusserst nachtheiligen und beschwerlichen Weise.
In der That empfanden die Römer erst jetzt die wirk- lichen Schwierigkeiten des Krieges. Die karthagische Flotte beherrschte die See und hielt nicht bloss die sicilischen Kü- stenstädte im Gehorsam und mit allem Nothwendigen ver- sehen, sondern bedrohte auch Italien mit einer Landung, wesswegen schon 492 dort eine consularische Armee hatte zurückbleiben müssen. Zwar zu einer grösseren Invasion kam es nicht; allein wohl landeten kleinere karthagische Ab- theilungen an den italischen Küsten und brandschatzten die Bundesgenossen und was schlimmer als alles Uebrige war, der Handel Roms und seiner Bundesgenossen war völlig ge- lähmt; es brauchte nicht lange so fortzugehen, um Caere, Ostia, Neapel, Tarent, Syrakus vollständig zu Grunde zu richten, während die Karthager über die Contributionssummen und den reichen Kaperfang die ausbleibenden sicilischen Tri- bute leicht verschmerzten. Die Römer erfuhren jetzt, was Dionysios, Agathokles und Pyrrhos erfahren hatten, dass es ebenso leicht war die Karthager aus dem Felde zu schlagen als schwierig sie zu überwinden, und dass alles darauf ankam eine Flotte zu schaffen. Man sah es ein und beschloss eine römische Flotte von hundert fünf und zwanzig Dreideckern herzustellen. Die Ausführung indess dieses energischen Be- schlusses war nicht leicht. Zwar die aus den Rhetorschulen stammende Darstellung, die glauben machen möchte, als hätten damals zuerst die Römer die Ruder ins Wasser getaucht, ist eine kindische Phrase; Italiens Handelsmarine musste um diese Zeit sehr ausgedehnt sein und auch an italischen Kriegsschiffen fehlte es keineswegs. Aber es waren dies Kriegsbarken und Dreidecker, wie sie in früherer Zeit üblich gewesen waren; Fünfdecker, die nach dem neueren besonders
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ERSTER PUNISCHER KRIEG.
dadurch verscherzt, daſs es nach der Schlacht der belagerten Armee während der Verwirrung und der Ermüdung der Sieger gelang aus der Stadt zu entkommen und die Flotte zu erreichen. Dennoch war der Sieg von Bedeutung; Akragas fiel dadurch in die Hände der Römer und damit war die ganze Insel in ihrer Gewalt mit Ausnahme der Seefestungen, in denen der karthagische Feldherr Hamilkar, Hannos Nachfolger im Ober- befehl, sich bis an die Zähne verschanzte und weder durch Gewalt noch durch Hunger zu vertreiben war. Der Krieg hörte auf der Insel auf; nur durch Landungen und durch Ausfälle aus den Festungen ward er fortgesetzt in einer für die Römer äuſserst nachtheiligen und beschwerlichen Weise.
In der That empfanden die Römer erst jetzt die wirk- lichen Schwierigkeiten des Krieges. Die karthagische Flotte beherrschte die See und hielt nicht bloſs die sicilischen Kü- stenstädte im Gehorsam und mit allem Nothwendigen ver- sehen, sondern bedrohte auch Italien mit einer Landung, weſswegen schon 492 dort eine consularische Armee hatte zurückbleiben müssen. Zwar zu einer gröſseren Invasion kam es nicht; allein wohl landeten kleinere karthagische Ab- theilungen an den italischen Küsten und brandschatzten die Bundesgenossen und was schlimmer als alles Uebrige war, der Handel Roms und seiner Bundesgenossen war völlig ge- lähmt; es brauchte nicht lange so fortzugehen, um Caere, Ostia, Neapel, Tarent, Syrakus vollständig zu Grunde zu richten, während die Karthager über die Contributionssummen und den reichen Kaperfang die ausbleibenden sicilischen Tri- bute leicht verschmerzten. Die Römer erfuhren jetzt, was Dionysios, Agathokles und Pyrrhos erfahren hatten, daſs es ebenso leicht war die Karthager aus dem Felde zu schlagen als schwierig sie zu überwinden, und daſs alles darauf ankam eine Flotte zu schaffen. Man sah es ein und beschloſs eine römische Flotte von hundert fünf und zwanzig Dreideckern herzustellen. Die Ausführung indeſs dieses energischen Be- schlusses war nicht leicht. Zwar die aus den Rhetorschulen stammende Darstellung, die glauben machen möchte, als hätten damals zuerst die Römer die Ruder ins Wasser getaucht, ist eine kindische Phrase; Italiens Handelsmarine muſste um diese Zeit sehr ausgedehnt sein und auch an italischen Kriegsschiffen fehlte es keineswegs. Aber es waren dies Kriegsbarken und Dreidecker, wie sie in früherer Zeit üblich gewesen waren; Fünfdecker, die nach dem neueren besonders
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ERSTER PUNISCHER KRIEG.
dadurch verscherzt, daſs es nach der Schlacht der belagerten Armee
während der Verwirrung und der Ermüdung der Sieger gelang
aus der Stadt zu entkommen und die Flotte zu erreichen.
Dennoch war der Sieg von Bedeutung; Akragas fiel dadurch
in die Hände der Römer und damit war die ganze Insel in
ihrer Gewalt mit Ausnahme der Seefestungen, in denen der
karthagische Feldherr Hamilkar, Hannos Nachfolger im Ober-
befehl, sich bis an die Zähne verschanzte und weder durch
Gewalt noch durch Hunger zu vertreiben war. Der Krieg
hörte auf der Insel auf; nur durch Landungen und durch
Ausfälle aus den Festungen ward er fortgesetzt in einer für
die Römer äuſserst nachtheiligen und beschwerlichen Weise.
In der That empfanden die Römer erst jetzt die wirk-
lichen Schwierigkeiten des Krieges. Die karthagische Flotte
beherrschte die See und hielt nicht bloſs die sicilischen Kü-
stenstädte im Gehorsam und mit allem Nothwendigen ver-
sehen, sondern bedrohte auch Italien mit einer Landung,
weſswegen schon 492 dort eine consularische Armee hatte
zurückbleiben müssen. Zwar zu einer gröſseren Invasion
kam es nicht; allein wohl landeten kleinere karthagische Ab-
theilungen an den italischen Küsten und brandschatzten die
Bundesgenossen und was schlimmer als alles Uebrige war,
der Handel Roms und seiner Bundesgenossen war völlig ge-
lähmt; es brauchte nicht lange so fortzugehen, um Caere,
Ostia, Neapel, Tarent, Syrakus vollständig zu Grunde zu
richten, während die Karthager über die Contributionssummen
und den reichen Kaperfang die ausbleibenden sicilischen Tri-
bute leicht verschmerzten. Die Römer erfuhren jetzt, was
Dionysios, Agathokles und Pyrrhos erfahren hatten, daſs es
ebenso leicht war die Karthager aus dem Felde zu schlagen
als schwierig sie zu überwinden, und daſs alles darauf ankam
eine Flotte zu schaffen. Man sah es ein und beschloſs eine
römische Flotte von hundert fünf und zwanzig Dreideckern
herzustellen. Die Ausführung indeſs dieses energischen Be-
schlusses war nicht leicht. Zwar die aus den Rhetorschulen
stammende Darstellung, die glauben machen möchte, als hätten
damals zuerst die Römer die Ruder ins Wasser getaucht, ist
eine kindische Phrase; Italiens Handelsmarine muſste um
diese Zeit sehr ausgedehnt sein und auch an italischen
Kriegsschiffen fehlte es keineswegs. Aber es waren dies
Kriegsbarken und Dreidecker, wie sie in früherer Zeit üblich
gewesen waren; Fünfdecker, die nach dem neueren besonders
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/353>, abgerufen am 22.11.2024.
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