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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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flotte nicht ab, sowie die Vorbereitungen beendigt waren,
gleichfalls nach Messana unter Segel zu gehen. Auf der Fahrt
längs der italischen Küste traf sie auf ein schwächeres kar-
thagisches Recognoscirungsgeschwader, dem sie das Glück
hatte einen den ersten römischen mehr als aufwiegenden
Verlust zuzufügen und traf so glücklich und siegreich im Ha-
fen von Messana ein, wo der zweite Consul Gaius Duilius das
Commando an der Stelle seines gefangenen Collegen über-
nahm. An der Landspitze von Mylae nordwestlich von Mes-
sana traf die karthagische Flotte, die unter Hannibal von Pan-
ormos herankam, auf die römische, welche hier ihre erste
grössere Probe bestand. Die Karthager, in den schlecht segeln-
den und unbehülflichen römischen Schiffen eine leichte Beute
erblickend, stürzten sich in aufgelöster Linie auf dieselben;
aber die neu erfundenen Enterbrücken bewährten sich voll-
kommen. Die römischen Schiffe fesselten und stürmten die
feindlichen, wie sie einzeln heransegelten; es war ihnen weder
von vorn, noch von den Seiten beizukommen, ohne dass die
gefährlichen Brücken sich niedersenkten auf das feindliche
Verdeck. Als die Schlacht zu Ende war, waren gegen funfzig
karthagische Schiffe, fast die Hälfte ihrer Flotte, von den Rö-
mern versenkt oder genommen, unter den letztern das Admi-
ralschiff Hannibals, einst das des Königs Pyrrhos. Der Gewinn
war gross; noch grösser der moralische Eindruck. Rom war
plötzlich eine Seemacht geworden und hatte die Mittel in der
Hand, den Krieg, der endlos sich hinausspinnen zu sollen
und dem italischen Handel den Ruin zu drohen schien, ener-
gisch zu Ende zu führen.

Es gab dazu einen doppelten Weg. Man konnte ent-
weder Karthago auf den italischen Inseln angreifen und ihm
die Küstenfestungen Siciliens und Sardiniens eine nach der
andern entreissen, was durch gut combinirte Operationen zu
Lande und zur See ausführbar war; war dies durchgesetzt,
so konnte entweder mit Karthago auf Grund der Abtre-
tung dieser Inseln Friede geschlossen oder, wenn dies miss-
lang oder nicht genügte, der zweite Act des Krieges nach Africa
verlegt werden. Oder man konnte die Inseln vernachlässigen
und sich gleich mit aller Macht auf Afrika werfen, nicht in
Agathokles abenteuernder Art die Schiffe hinter sich verbren-
nend und alles setzend auf den Sieg eines verzweifelten Hau-
fens, sondern die Verbindungen der africanischen Invasions-
armee mit Italien deckend durch eine starke Flotte; in die-

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flotte nicht ab, sowie die Vorbereitungen beendigt waren,
gleichfalls nach Messana unter Segel zu gehen. Auf der Fahrt
längs der italischen Küste traf sie auf ein schwächeres kar-
thagisches Recognoscirungsgeschwader, dem sie das Glück
hatte einen den ersten römischen mehr als aufwiegenden
Verlust zuzufügen und traf so glücklich und siegreich im Ha-
fen von Messana ein, wo der zweite Consul Gaius Duilius das
Commando an der Stelle seines gefangenen Collegen über-
nahm. An der Landspitze von Mylae nordwestlich von Mes-
sana traf die karthagische Flotte, die unter Hannibal von Pan-
ormos herankam, auf die römische, welche hier ihre erste
gröſsere Probe bestand. Die Karthager, in den schlecht segeln-
den und unbehülflichen römischen Schiffen eine leichte Beute
erblickend, stürzten sich in aufgelöster Linie auf dieselben;
aber die neu erfundenen Enterbrücken bewährten sich voll-
kommen. Die römischen Schiffe fesselten und stürmten die
feindlichen, wie sie einzeln heransegelten; es war ihnen weder
von vorn, noch von den Seiten beizukommen, ohne daſs die
gefährlichen Brücken sich niedersenkten auf das feindliche
Verdeck. Als die Schlacht zu Ende war, waren gegen funfzig
karthagische Schiffe, fast die Hälfte ihrer Flotte, von den Rö-
mern versenkt oder genommen, unter den letztern das Admi-
ralschiff Hannibals, einst das des Königs Pyrrhos. Der Gewinn
war groſs; noch gröſser der moralische Eindruck. Rom war
plötzlich eine Seemacht geworden und hatte die Mittel in der
Hand, den Krieg, der endlos sich hinausspinnen zu sollen
und dem italischen Handel den Ruin zu drohen schien, ener-
gisch zu Ende zu führen.

Es gab dazu einen doppelten Weg. Man konnte ent-
weder Karthago auf den italischen Inseln angreifen und ihm
die Küstenfestungen Siciliens und Sardiniens eine nach der
andern entreiſsen, was durch gut combinirte Operationen zu
Lande und zur See ausführbar war; war dies durchgesetzt,
so konnte entweder mit Karthago auf Grund der Abtre-
tung dieser Inseln Friede geschlossen oder, wenn dies miſs-
lang oder nicht genügte, der zweite Act des Krieges nach Africa
verlegt werden. Oder man konnte die Inseln vernachlässigen
und sich gleich mit aller Macht auf Afrika werfen, nicht in
Agathokles abenteuernder Art die Schiffe hinter sich verbren-
nend und alles setzend auf den Sieg eines verzweifelten Hau-
fens, sondern die Verbindungen der africanischen Invasions-
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[342/0356] DRITTES BUCH. KAPITEL II. flotte nicht ab, sowie die Vorbereitungen beendigt waren, gleichfalls nach Messana unter Segel zu gehen. Auf der Fahrt längs der italischen Küste traf sie auf ein schwächeres kar- thagisches Recognoscirungsgeschwader, dem sie das Glück hatte einen den ersten römischen mehr als aufwiegenden Verlust zuzufügen und traf so glücklich und siegreich im Ha- fen von Messana ein, wo der zweite Consul Gaius Duilius das Commando an der Stelle seines gefangenen Collegen über- nahm. An der Landspitze von Mylae nordwestlich von Mes- sana traf die karthagische Flotte, die unter Hannibal von Pan- ormos herankam, auf die römische, welche hier ihre erste gröſsere Probe bestand. Die Karthager, in den schlecht segeln- den und unbehülflichen römischen Schiffen eine leichte Beute erblickend, stürzten sich in aufgelöster Linie auf dieselben; aber die neu erfundenen Enterbrücken bewährten sich voll- kommen. Die römischen Schiffe fesselten und stürmten die feindlichen, wie sie einzeln heransegelten; es war ihnen weder von vorn, noch von den Seiten beizukommen, ohne daſs die gefährlichen Brücken sich niedersenkten auf das feindliche Verdeck. Als die Schlacht zu Ende war, waren gegen funfzig karthagische Schiffe, fast die Hälfte ihrer Flotte, von den Rö- mern versenkt oder genommen, unter den letztern das Admi- ralschiff Hannibals, einst das des Königs Pyrrhos. Der Gewinn war groſs; noch gröſser der moralische Eindruck. Rom war plötzlich eine Seemacht geworden und hatte die Mittel in der Hand, den Krieg, der endlos sich hinausspinnen zu sollen und dem italischen Handel den Ruin zu drohen schien, ener- gisch zu Ende zu führen. Es gab dazu einen doppelten Weg. Man konnte ent- weder Karthago auf den italischen Inseln angreifen und ihm die Küstenfestungen Siciliens und Sardiniens eine nach der andern entreiſsen, was durch gut combinirte Operationen zu Lande und zur See ausführbar war; war dies durchgesetzt, so konnte entweder mit Karthago auf Grund der Abtre- tung dieser Inseln Friede geschlossen oder, wenn dies miſs- lang oder nicht genügte, der zweite Act des Krieges nach Africa verlegt werden. Oder man konnte die Inseln vernachlässigen und sich gleich mit aller Macht auf Afrika werfen, nicht in Agathokles abenteuernder Art die Schiffe hinter sich verbren- nend und alles setzend auf den Sieg eines verzweifelten Hau- fens, sondern die Verbindungen der africanischen Invasions- armee mit Italien deckend durch eine starke Flotte; in die-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/356>, abgerufen am 23.11.2024.