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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL II.
endigen wollen. Man hatte eine Landung in Africa mit fri-
schen Kräften, im vollen Lauf der Siege versucht und war
völlig gescheitert. Man hatte Sicilien Stadt um Stadt zu erstür-
men unternommen; die geringeren Plätze waren gefallen, aber
die beiden gewaltigen Seeburgen standen unbezwinglicher als
je zuvor. Was sollte man beginnen? In der That, der Klein-
muth behielt gewissermassen Recht. Die Väter der Stadt ver-
zagten; sie liessen die Sachen eben gehen wie sie gehen
mochten, wohl wissend, dass ein ziel- und endlos sich hin-
spinnender Krieg für Italien verderblicher war als die An-
strengung des letzten Mannes und des letzten Silberstücks,
aber ohne den Muth und die Zuversicht zu dem Volk und zu
dem Glück um zu den alten nutzlos vergeudeten neue Opfer
zu fordern. Man schaffte die Flotte ab; höchstens beförderte
man die Kaperei und stellte den Capitänen, die auf ihre ei-
gene Hand dieselbe zu wagen bereit waren, zu diesem Behuf
Kriegsschiffe des Staates zur Verfügung. Der Landkrieg ward
dem Namen nach fortgeführt, weil man eben nicht anders
konnte; allein man begnügte sich die sicilischen Festungen
zu beobachten und was man besass nothdürftig zu behaupten,
was ohne Hülfe der Flotte ein sehr zahlreiches Heer und
äusserst kostspielige Anstalten erforderte. -- Wenn jemals,
so war jetzt die Zeit gekommen, wo Karthago den gewaltigen
Gegner zu demüthigen im Stande war. Dass auch dort die
Erschöpfung der Kräfte gefühlt ward, versteht sich; allein wie
die Sachen standen, konnten die punischen Finanzen unmöglich
so im Verfall sein, dass die Karthager den Krieg, der ihnen
hauptsächlich nur Geld kostete, nicht hätten offensiv und nach-
drücklich fortführen können. Allein die karthagische Regierung
war eben nicht energisch, sondern schwach und lässig, wenn
nicht ein leichter und sicherer Gewinn oder die äusserste
Noth sie trieb. Froh der römischen Flotte los zu sein liess
man thöricht auch die eigene verfallen und fing an nach dem
Beispiel der Feinde sich zu Lande und zur See auf den klei-
nen Krieg in und um Sicilien zu beschränken.

So folgten sechs thatenlose Kriegsjahre (506-511), die
ruhmlosesten, welche die römische Geschichte kennt und ruhm-
los auch für das Volk der Karthager. Indess ein Mann von diesen
dachte und handelte anders als seine Nation. Hamilkar Bar-
kas, ein junger vielversprechender Offizier, hatte den Oberbe-
fehl der sicilischen Truppen übernommen. Woran es seinem
Staate fehlte, war eine zuverlässige und krieggeübte Infanterie;

DRITTES BUCH. KAPITEL II.
endigen wollen. Man hatte eine Landung in Africa mit fri-
schen Kräften, im vollen Lauf der Siege versucht und war
völlig gescheitert. Man hatte Sicilien Stadt um Stadt zu erstür-
men unternommen; die geringeren Plätze waren gefallen, aber
die beiden gewaltigen Seeburgen standen unbezwinglicher als
je zuvor. Was sollte man beginnen? In der That, der Klein-
muth behielt gewissermaſsen Recht. Die Väter der Stadt ver-
zagten; sie lieſsen die Sachen eben gehen wie sie gehen
mochten, wohl wissend, daſs ein ziel- und endlos sich hin-
spinnender Krieg für Italien verderblicher war als die An-
strengung des letzten Mannes und des letzten Silberstücks,
aber ohne den Muth und die Zuversicht zu dem Volk und zu
dem Glück um zu den alten nutzlos vergeudeten neue Opfer
zu fordern. Man schaffte die Flotte ab; höchstens beförderte
man die Kaperei und stellte den Capitänen, die auf ihre ei-
gene Hand dieselbe zu wagen bereit waren, zu diesem Behuf
Kriegsschiffe des Staates zur Verfügung. Der Landkrieg ward
dem Namen nach fortgeführt, weil man eben nicht anders
konnte; allein man begnügte sich die sicilischen Festungen
zu beobachten und was man besaſs nothdürftig zu behaupten,
was ohne Hülfe der Flotte ein sehr zahlreiches Heer und
äuſserst kostspielige Anstalten erforderte. — Wenn jemals,
so war jetzt die Zeit gekommen, wo Karthago den gewaltigen
Gegner zu demüthigen im Stande war. Daſs auch dort die
Erschöpfung der Kräfte gefühlt ward, versteht sich; allein wie
die Sachen standen, konnten die punischen Finanzen unmöglich
so im Verfall sein, daſs die Karthager den Krieg, der ihnen
hauptsächlich nur Geld kostete, nicht hätten offensiv und nach-
drücklich fortführen können. Allein die karthagische Regierung
war eben nicht energisch, sondern schwach und lässig, wenn
nicht ein leichter und sicherer Gewinn oder die äuſserste
Noth sie trieb. Froh der römischen Flotte los zu sein lieſs
man thöricht auch die eigene verfallen und fing an nach dem
Beispiel der Feinde sich zu Lande und zur See auf den klei-
nen Krieg in und um Sicilien zu beschränken.

So folgten sechs thatenlose Kriegsjahre (506-511), die
ruhmlosesten, welche die römische Geschichte kennt und ruhm-
los auch für das Volk der Karthager. Indeſs ein Mann von diesen
dachte und handelte anders als seine Nation. Hamilkar Bar-
kas, ein junger vielversprechender Offizier, hatte den Oberbe-
fehl der sicilischen Truppen übernommen. Woran es seinem
Staate fehlte, war eine zuverlässige und krieggeübte Infanterie;

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[354/0368] DRITTES BUCH. KAPITEL II. endigen wollen. Man hatte eine Landung in Africa mit fri- schen Kräften, im vollen Lauf der Siege versucht und war völlig gescheitert. Man hatte Sicilien Stadt um Stadt zu erstür- men unternommen; die geringeren Plätze waren gefallen, aber die beiden gewaltigen Seeburgen standen unbezwinglicher als je zuvor. Was sollte man beginnen? In der That, der Klein- muth behielt gewissermaſsen Recht. Die Väter der Stadt ver- zagten; sie lieſsen die Sachen eben gehen wie sie gehen mochten, wohl wissend, daſs ein ziel- und endlos sich hin- spinnender Krieg für Italien verderblicher war als die An- strengung des letzten Mannes und des letzten Silberstücks, aber ohne den Muth und die Zuversicht zu dem Volk und zu dem Glück um zu den alten nutzlos vergeudeten neue Opfer zu fordern. Man schaffte die Flotte ab; höchstens beförderte man die Kaperei und stellte den Capitänen, die auf ihre ei- gene Hand dieselbe zu wagen bereit waren, zu diesem Behuf Kriegsschiffe des Staates zur Verfügung. Der Landkrieg ward dem Namen nach fortgeführt, weil man eben nicht anders konnte; allein man begnügte sich die sicilischen Festungen zu beobachten und was man besaſs nothdürftig zu behaupten, was ohne Hülfe der Flotte ein sehr zahlreiches Heer und äuſserst kostspielige Anstalten erforderte. — Wenn jemals, so war jetzt die Zeit gekommen, wo Karthago den gewaltigen Gegner zu demüthigen im Stande war. Daſs auch dort die Erschöpfung der Kräfte gefühlt ward, versteht sich; allein wie die Sachen standen, konnten die punischen Finanzen unmöglich so im Verfall sein, daſs die Karthager den Krieg, der ihnen hauptsächlich nur Geld kostete, nicht hätten offensiv und nach- drücklich fortführen können. Allein die karthagische Regierung war eben nicht energisch, sondern schwach und lässig, wenn nicht ein leichter und sicherer Gewinn oder die äuſserste Noth sie trieb. Froh der römischen Flotte los zu sein lieſs man thöricht auch die eigene verfallen und fing an nach dem Beispiel der Feinde sich zu Lande und zur See auf den klei- nen Krieg in und um Sicilien zu beschränken. So folgten sechs thatenlose Kriegsjahre (506-511), die ruhmlosesten, welche die römische Geschichte kennt und ruhm- los auch für das Volk der Karthager. Indeſs ein Mann von diesen dachte und handelte anders als seine Nation. Hamilkar Bar- kas, ein junger vielversprechender Offizier, hatte den Oberbe- fehl der sicilischen Truppen übernommen. Woran es seinem Staate fehlte, war eine zuverlässige und krieggeübte Infanterie;

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/368>, abgerufen am 24.11.2024.