die Transportflotte längs der südlichen Küste der Insel mit der zweiten römischen Flotte von 120 Kriegsschiffen zu convoyiren, beging den Fehler seine Schiffe zu theilen und den ersten Trans- port allein abgehen zu lassen und erst später mit dem zweiten zu folgen. Als der karthagische Unterbefehlshaber Karthalo, der mit hundert auserlesenen Schiffen die römische Flotte im Hafen von Lilybaeon blokirte, von der Abfahrt der römischen Transportflotte vernahm, wandte er sich nach der Südküste der Insel und indem er sich zwischen die beiden römischen Geschwader legte, schnitt er sie von einander ab und zwang sie an den unwirthlichen Gestaden von Gela und Kamarina in zwei schlechten Nothhäfen sich zu bergen. Die Angriffe der Karthager wurden freilich von den Römern tapfer zurückge- wiesen mit Hülfe der Strandbatterien, die hier wie überall an der Küste schon seit längerer Zeit errichtet waren; allein da für die Römer an eine Vereinigung und Fortsetzung der Fahrt nicht zu denken war, konnte Karthalo den nächsten Sturm abwarten, dem er auf der hohen See mit seinen unbeschwerten und gut geführten Schiffen leicht entging, während die beiden Flotten auf ihren schlechten Rheden vollständig vernichtet wurden. Die Mannschaft und die Ladung gelang es den Rö- mern indess grösstentheils zu retten (505).
Der römische Senat war rathlos. Der Krieg währte nun ins funfzehnte Jahr und von dem Ziele schien man weiter ab zu sein im funfzehnten als im ersten. Vier grosse Flotten waren in diesem Krieg zu Grunde gegangen, drei davon mit römischen Heeren am Bord; ein viertes ausgesuchtes Land- heer hatte der Feind in Libyen vernichtet, ungerechnet die zahllosen Opfer, die die kleinen Gefechte zur See, die in Si- cilien die Schlachten und mehr noch der Postenkrieg und die Seuchen gefordert hatten. Welche Zahl von Menschenleben der Krieg wegraffte, ist daraus zu erkennen, dass die Bür- gerrolle bloss von 502 auf 507 um den sechsten Theil der Gesammtzahl, etwa 40000 Köpfe sank; wozu man noch rechnen muss die Verluste der Bundesgenossen, die die ganze Schwere des Seekriegs traf und daneben der Landkrieg mindestens in gleichem Verhältniss wie die Römer. Von den finanziellen Verlusten ist es nicht möglich sich eine Vorstellung zu machen; aber sowohl die unmittelbare Einbusse an Schiffen und Mate- rial als die mittelbare durch die Lähmung des Handels müssen ungeheuer gewesen sein. Allein schlimmer als dies alles war die Abnutzung aller Mittel, durch die man den Krieg hatte
Röm. Gesch. I. 23
ERSTER PUNISCHER KRIEG.
die Transportflotte längs der südlichen Küste der Insel mit der zweiten römischen Flotte von 120 Kriegsschiffen zu convoyiren, beging den Fehler seine Schiffe zu theilen und den ersten Trans- port allein abgehen zu lassen und erst später mit dem zweiten zu folgen. Als der karthagische Unterbefehlshaber Karthalo, der mit hundert auserlesenen Schiffen die römische Flotte im Hafen von Lilybaeon blokirte, von der Abfahrt der römischen Transportflotte vernahm, wandte er sich nach der Südküste der Insel und indem er sich zwischen die beiden römischen Geschwader legte, schnitt er sie von einander ab und zwang sie an den unwirthlichen Gestaden von Gela und Kamarina in zwei schlechten Nothhäfen sich zu bergen. Die Angriffe der Karthager wurden freilich von den Römern tapfer zurückge- wiesen mit Hülfe der Strandbatterien, die hier wie überall an der Küste schon seit längerer Zeit errichtet waren; allein da für die Römer an eine Vereinigung und Fortsetzung der Fahrt nicht zu denken war, konnte Karthalo den nächsten Sturm abwarten, dem er auf der hohen See mit seinen unbeschwerten und gut geführten Schiffen leicht entging, während die beiden Flotten auf ihren schlechten Rheden vollständig vernichtet wurden. Die Mannschaft und die Ladung gelang es den Rö- mern indeſs gröſstentheils zu retten (505).
Der römische Senat war rathlos. Der Krieg währte nun ins funfzehnte Jahr und von dem Ziele schien man weiter ab zu sein im funfzehnten als im ersten. Vier groſse Flotten waren in diesem Krieg zu Grunde gegangen, drei davon mit römischen Heeren am Bord; ein viertes ausgesuchtes Land- heer hatte der Feind in Libyen vernichtet, ungerechnet die zahllosen Opfer, die die kleinen Gefechte zur See, die in Si- cilien die Schlachten und mehr noch der Postenkrieg und die Seuchen gefordert hatten. Welche Zahl von Menschenleben der Krieg wegraffte, ist daraus zu erkennen, daſs die Bür- gerrolle bloſs von 502 auf 507 um den sechsten Theil der Gesammtzahl, etwa 40000 Köpfe sank; wozu man noch rechnen muſs die Verluste der Bundesgenossen, die die ganze Schwere des Seekriegs traf und daneben der Landkrieg mindestens in gleichem Verhältniſs wie die Römer. Von den finanziellen Verlusten ist es nicht möglich sich eine Vorstellung zu machen; aber sowohl die unmittelbare Einbuſse an Schiffen und Mate- rial als die mittelbare durch die Lähmung des Handels müssen ungeheuer gewesen sein. Allein schlimmer als dies alles war die Abnutzung aller Mittel, durch die man den Krieg hatte
Röm. Gesch. I. 23
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ERSTER PUNISCHER KRIEG.
die Transportflotte längs der südlichen Küste der Insel mit der
zweiten römischen Flotte von 120 Kriegsschiffen zu convoyiren,
beging den Fehler seine Schiffe zu theilen und den ersten Trans-
port allein abgehen zu lassen und erst später mit dem zweiten
zu folgen. Als der karthagische Unterbefehlshaber Karthalo,
der mit hundert auserlesenen Schiffen die römische Flotte im
Hafen von Lilybaeon blokirte, von der Abfahrt der römischen
Transportflotte vernahm, wandte er sich nach der Südküste
der Insel und indem er sich zwischen die beiden römischen
Geschwader legte, schnitt er sie von einander ab und zwang
sie an den unwirthlichen Gestaden von Gela und Kamarina in
zwei schlechten Nothhäfen sich zu bergen. Die Angriffe der
Karthager wurden freilich von den Römern tapfer zurückge-
wiesen mit Hülfe der Strandbatterien, die hier wie überall an
der Küste schon seit längerer Zeit errichtet waren; allein da
für die Römer an eine Vereinigung und Fortsetzung der Fahrt
nicht zu denken war, konnte Karthalo den nächsten Sturm
abwarten, dem er auf der hohen See mit seinen unbeschwerten
und gut geführten Schiffen leicht entging, während die beiden
Flotten auf ihren schlechten Rheden vollständig vernichtet
wurden. Die Mannschaft und die Ladung gelang es den Rö-
mern indeſs gröſstentheils zu retten (505).
Der römische Senat war rathlos. Der Krieg währte nun
ins funfzehnte Jahr und von dem Ziele schien man weiter
ab zu sein im funfzehnten als im ersten. Vier groſse Flotten
waren in diesem Krieg zu Grunde gegangen, drei davon mit
römischen Heeren am Bord; ein viertes ausgesuchtes Land-
heer hatte der Feind in Libyen vernichtet, ungerechnet die
zahllosen Opfer, die die kleinen Gefechte zur See, die in Si-
cilien die Schlachten und mehr noch der Postenkrieg und die
Seuchen gefordert hatten. Welche Zahl von Menschenleben
der Krieg wegraffte, ist daraus zu erkennen, daſs die Bür-
gerrolle bloſs von 502 auf 507 um den sechsten Theil der
Gesammtzahl, etwa 40000 Köpfe sank; wozu man noch rechnen
muſs die Verluste der Bundesgenossen, die die ganze Schwere
des Seekriegs traf und daneben der Landkrieg mindestens
in gleichem Verhältniſs wie die Römer. Von den finanziellen
Verlusten ist es nicht möglich sich eine Vorstellung zu machen;
aber sowohl die unmittelbare Einbuſse an Schiffen und Mate-
rial als die mittelbare durch die Lähmung des Handels müssen
ungeheuer gewesen sein. Allein schlimmer als dies alles war
die Abnutzung aller Mittel, durch die man den Krieg hatte
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/367>, abgerufen am 18.06.2024.
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