Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ERSTES BUCH. KAPITEL III. hier unterbringen zu können meinten. Gewiss richtiger wirdman in diesen Anlagen keineswegs Stadtmauern erkennen, sondern Zufluchtstätten der Markgenossen, wie sie in älterer Zeit ohne Zweifel in ganz Italien wenn gleich in weniger kunstvoller Weise sich fanden. Dass in derselben Epoche, wo die zu städtischen Ansiedlungen übergegangenen Stämme ihren Städten steinerne Ringmauern gaben, auch die Land- schaften, die in offenen Weilern zu wohnen fortfuhren, die Erdwälle und Pfahlwerke ihrer Festungen durch Steinbauten ersetzten, ist natürlich; als dann in der spätern Zeit des ge- sicherten Landfriedens man solcher Festungen nicht mehr bedurfte, wurden diese Zufluchtsstätten verlassen und bald den späteren Generationen ein Räthsel. -- In der römi- schen Mark findet sich eine andere Spur dieser ältesten Ge- schlechtergaue in den uralten Pagi, aus denen man später die Landtribus gestaltet hat. Dass es alte Familienbezirke sind, wird uns von der Ansiedlung der Claudier am Anio be- richtet und geht ebenso sicher für die übrigen Districte aus den Namen hervor, welche sämmtlich entweder für uns gänz- lich verschollenen Geschlechtern entlehnt sind (so den Camilii, Galerii, Lemonii, Pupinii, Voltinii) oder den ältesten römi- schen Patricierfamilien, den Aemilii, Cornelii, Fabii, Horatii, Menenii, Papirii, Poplilii, Romilii, Sergii, Veturii. Es ist bemerkenswerth, dass alle Namen gentilicisch gebildet sind und unter den Geschlechtern kein einziges derjenigen erscheint, die erst später nach Rom eingebürgert wurden, namentlich keines der albischen; so dass wir in diesem Verzeichniss wohl berechtigt sind die bedeutendsten unter den seit Menschen- gedenken in der römischen Mark, lange ehe sie die römische hiess, angesiedelten Geschlechter zu erkennen. Zunächst stand jeder Gau, zugleich Geschlechts- und ERSTES BUCH. KAPITEL III. hier unterbringen zu können meinten. Gewiſs richtiger wirdman in diesen Anlagen keineswegs Stadtmauern erkennen, sondern Zufluchtstätten der Markgenossen, wie sie in älterer Zeit ohne Zweifel in ganz Italien wenn gleich in weniger kunstvoller Weise sich fanden. Daſs in derselben Epoche, wo die zu städtischen Ansiedlungen übergegangenen Stämme ihren Städten steinerne Ringmauern gaben, auch die Land- schaften, die in offenen Weilern zu wohnen fortfuhren, die Erdwälle und Pfahlwerke ihrer Festungen durch Steinbauten ersetzten, ist natürlich; als dann in der spätern Zeit des ge- sicherten Landfriedens man solcher Festungen nicht mehr bedurfte, wurden diese Zufluchtsstätten verlassen und bald den späteren Generationen ein Räthsel. — In der römi- schen Mark findet sich eine andere Spur dieser ältesten Ge- schlechtergaue in den uralten Pagi, aus denen man später die Landtribus gestaltet hat. Daſs es alte Familienbezirke sind, wird uns von der Ansiedlung der Claudier am Anio be- richtet und geht ebenso sicher für die übrigen Districte aus den Namen hervor, welche sämmtlich entweder für uns gänz- lich verschollenen Geschlechtern entlehnt sind (so den Camilii, Galerii, Lemonii, Pupinii, Voltinii) oder den ältesten römi- schen Patricierfamilien, den Aemilii, Cornelii, Fabii, Horatii, Menenii, Papirii, Poplilii, Romilii, Sergii, Veturii. Es ist bemerkenswerth, daſs alle Namen gentilicisch gebildet sind und unter den Geschlechtern kein einziges derjenigen erscheint, die erst später nach Rom eingebürgert wurden, namentlich keines der albischen; so daſs wir in diesem Verzeichniss wohl berechtigt sind die bedeutendsten unter den seit Menschen- gedenken in der römischen Mark, lange ehe sie die römische hieſs, angesiedelten Geschlechter zu erkennen. Zunächst stand jeder Gau, zugleich Geschlechts- und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0042" n="28"/><fw place="top" type="header">ERSTES BUCH. KAPITEL III.</fw><lb/> hier unterbringen zu können meinten. Gewiſs richtiger wird<lb/> man in diesen Anlagen keineswegs Stadtmauern erkennen,<lb/> sondern Zufluchtstätten der Markgenossen, wie sie in älterer<lb/> Zeit ohne Zweifel in ganz Italien wenn gleich in weniger<lb/> kunstvoller Weise sich fanden. 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ERSTES BUCH. KAPITEL III.
hier unterbringen zu können meinten. Gewiſs richtiger wird
man in diesen Anlagen keineswegs Stadtmauern erkennen,
sondern Zufluchtstätten der Markgenossen, wie sie in älterer
Zeit ohne Zweifel in ganz Italien wenn gleich in weniger
kunstvoller Weise sich fanden. Daſs in derselben Epoche,
wo die zu städtischen Ansiedlungen übergegangenen Stämme
ihren Städten steinerne Ringmauern gaben, auch die Land-
schaften, die in offenen Weilern zu wohnen fortfuhren, die
Erdwälle und Pfahlwerke ihrer Festungen durch Steinbauten
ersetzten, ist natürlich; als dann in der spätern Zeit des ge-
sicherten Landfriedens man solcher Festungen nicht mehr
bedurfte, wurden diese Zufluchtsstätten verlassen und bald
den späteren Generationen ein Räthsel. — In der römi-
schen Mark findet sich eine andere Spur dieser ältesten Ge-
schlechtergaue in den uralten Pagi, aus denen man später
die Landtribus gestaltet hat. Daſs es alte Familienbezirke
sind, wird uns von der Ansiedlung der Claudier am Anio be-
richtet und geht ebenso sicher für die übrigen Districte aus
den Namen hervor, welche sämmtlich entweder für uns gänz-
lich verschollenen Geschlechtern entlehnt sind (so den Camilii,
Galerii, Lemonii, Pupinii, Voltinii) oder den ältesten römi-
schen Patricierfamilien, den Aemilii, Cornelii, Fabii, Horatii,
Menenii, Papirii, Poplilii, Romilii, Sergii, Veturii. Es ist
bemerkenswerth, daſs alle Namen gentilicisch gebildet sind
und unter den Geschlechtern kein einziges derjenigen erscheint,
die erst später nach Rom eingebürgert wurden, namentlich
keines der albischen; so daſs wir in diesem Verzeichniss wohl
berechtigt sind die bedeutendsten unter den seit Menschen-
gedenken in der römischen Mark, lange ehe sie die römische
hieſs, angesiedelten Geschlechter zu erkennen.
Zunächst stand jeder Gau, zugleich Geschlechts- und
Markgenossenschaft, für sich allein als politische Einheit; al-
lein natürlich schlossen sich zu gröſserer gemeinschaftlicher
Sicherheit mehrere Gaue zusammen zu Eidgenossenschaften,
und es ist dies der erste Keim zu den Städtebünden, deren
weitere Entwicklung den Inhalt der italischen Geschichte bis
zur Erreichung der nationalen Einheit ausfüllt. — An der
Spitze eines bedeutenden Gemeinbundes dieser Art erscheint
in sehr früher Zeit Alba; das Verzeichniſs der ‚albischen
Völker‘, die unter diesem Namen bis in späte Zeit am latini-
schen Bundesfest theilnahmen, ist vielleicht die älteste urkund-
liche Ueberlieferung der italischen Geschichte. Es nennt zuerst
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