Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ANSIEDLUNGEN DER LATINER. Alba selbst, dann dreissig grösstentheils für uns vollständigverschollene Flecken, die sogenannten albanischen Colonien, von denen unter den sonst bekannten die meisten zwischen Alba und Praeneste (so Aesula, Bola, Pedum, Vitellia, Toleria) und zwi- schen Alba und Antium (so Corioli, Longula, Pollusca) gelegen sind; doch erscheint merkwürdiger Weise darunter auch Fi- denae, das zwischen Tiber und Anio 11 Miglien über Rom hinaus liegt, ja vielleicht auch das noch weiter entfernte Horta. -- Eine zweite Verbrüderung ist diejenige, deren Bun- desstätte der Hain der Diana in Aricia war; ihm gehörten nach Cato bei Stiftung des Heiligthums an die Gemeinden Tus- culum, Aricia, Lanuvium, Laurentum, ferner Pometia, Ardea, die Rutuler, Cora und Tibur; das hohe Alter dieses Verzeich- nisses, welches theils sabellische, theils latinische Stämme in politischer Conföderation zeigt, bezeugt die Erwähnung des früh zerstörten Suessa Pometia. -- An der Spitze eines ähn- lichen Bundes, dem vielleicht Lavicum und Nomentum ange- hörten, mag Gabii gestanden haben, einstmals der nächste und gefährlichste Gegner Roms, gegen den die Burg Sucusa gebaut ward zwischen Palatin und Esquilin. Es wäre ver- geblich die Kreise genauer abgrenzen zu wollen; ohne Zweifel waren auch die Bünde selbst wandelbar und schloss der ein- zelne Gau sich bald da, bald dort an oder versuchte sich auch auf eigene Hand zu behaupten. ,Grössere und kleinere Völkergemeinden umschlossen die neue Stadt, sagt Strabon von dem neu gegründeten Rom, von denen einige auch in unabhängigen Dörfern wohnten, keinem gemeinsamen Stamm unterthan'. -- Dass alle diese Bünde sich wieder als Stamm- und Bundesgenossen in der latinischen Conföderation zusam- menfanden, als die ,alten Latiner' (prisci Latini) im Gegen- satz der später ausserhalb Latium angesiedelten latinischen Gemeinden, ist sehr wahrscheinlich, obgleich sich natürlich nicht ausmachen lässt, wie weit das Recht und die Macht dieser obersten Bundesgemeinde reichte. Dass Alba als Haupt- und Muttergemeinde galt, ist gewiss, und bloss in diesem Sinn wird Rom auch als albanische Colonie bezeichnet. ANSIEDLUNGEN DER LATINER. Alba selbst, dann dreiſsig gröſstentheils für uns vollständigverschollene Flecken, die sogenannten albanischen Colonien, von denen unter den sonst bekannten die meisten zwischen Alba und Praeneste (so Aesula, Bola, Pedum, Vitellia, Toleria) und zwi- schen Alba und Antium (so Corioli, Longula, Pollusca) gelegen sind; doch erscheint merkwürdiger Weise darunter auch Fi- denae, das zwischen Tiber und Anio 11 Miglien über Rom hinaus liegt, ja vielleicht auch das noch weiter entfernte Horta. — Eine zweite Verbrüderung ist diejenige, deren Bun- desstätte der Hain der Diana in Aricia war; ihm gehörten nach Cato bei Stiftung des Heiligthums an die Gemeinden Tus- culum, Aricia, Lanuvium, Laurentum, ferner Pometia, Ardea, die Rutuler, Cora und Tibur; das hohe Alter dieses Verzeich- nisses, welches theils sabellische, theils latinische Stämme in politischer Conföderation zeigt, bezeugt die Erwähnung des früh zerstörten Suessa Pometia. — An der Spitze eines ähn- lichen Bundes, dem vielleicht Lavicum und Nomentum ange- hörten, mag Gabii gestanden haben, einstmals der nächste und gefährlichste Gegner Roms, gegen den die Burg Sucusa gebaut ward zwischen Palatin und Esquilin. Es wäre ver- geblich die Kreise genauer abgrenzen zu wollen; ohne Zweifel waren auch die Bünde selbst wandelbar und schloſs der ein- zelne Gau sich bald da, bald dort an oder versuchte sich auch auf eigene Hand zu behaupten. ‚Gröſsere und kleinere Völkergemeinden umschlossen die neue Stadt, sagt Strabon von dem neu gegründeten Rom, von denen einige auch in unabhängigen Dörfern wohnten, keinem gemeinsamen Stamm unterthan‘. — Daſs alle diese Bünde sich wieder als Stamm- und Bundesgenossen in der latinischen Conföderation zusam- menfanden, als die ‚alten Latiner‘ (prisci Latini) im Gegen- satz der später auſserhalb Latium angesiedelten latinischen Gemeinden, ist sehr wahrscheinlich, obgleich sich natürlich nicht ausmachen läſst, wie weit das Recht und die Macht dieser obersten Bundesgemeinde reichte. Daſs Alba als Haupt- und Muttergemeinde galt, ist gewiſs, und bloſs in diesem Sinn wird Rom auch als albanische Colonie bezeichnet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0043" n="29"/><fw place="top" type="header">ANSIEDLUNGEN DER LATINER.</fw><lb/> Alba selbst, dann dreiſsig gröſstentheils für uns vollständig<lb/> verschollene Flecken, die sogenannten albanischen Colonien, von<lb/> denen unter den sonst bekannten die meisten zwischen Alba und<lb/> Praeneste (so Aesula, Bola, Pedum, Vitellia, Toleria) und zwi-<lb/> schen Alba und Antium (so Corioli, Longula, Pollusca) gelegen<lb/> sind; doch erscheint merkwürdiger Weise darunter auch Fi-<lb/> denae, das zwischen Tiber und Anio 11 Miglien über Rom<lb/> hinaus liegt, ja vielleicht auch das noch weiter entfernte<lb/> Horta. — Eine zweite Verbrüderung ist diejenige, deren Bun-<lb/> desstätte der Hain der Diana in Aricia war; ihm gehörten<lb/> nach Cato bei Stiftung des Heiligthums an die Gemeinden Tus-<lb/> culum, Aricia, Lanuvium, Laurentum, ferner Pometia, Ardea,<lb/> die Rutuler, Cora und Tibur; das hohe Alter dieses Verzeich-<lb/> nisses, welches theils sabellische, theils latinische Stämme in<lb/> politischer Conföderation zeigt, bezeugt die Erwähnung des<lb/> früh zerstörten Suessa Pometia. — An der Spitze eines ähn-<lb/> lichen Bundes, dem vielleicht Lavicum und Nomentum ange-<lb/> hörten, mag Gabii gestanden haben, einstmals der nächste<lb/> und gefährlichste Gegner Roms, gegen den die Burg Sucusa<lb/> gebaut ward zwischen Palatin und Esquilin. 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ANSIEDLUNGEN DER LATINER.
Alba selbst, dann dreiſsig gröſstentheils für uns vollständig
verschollene Flecken, die sogenannten albanischen Colonien, von
denen unter den sonst bekannten die meisten zwischen Alba und
Praeneste (so Aesula, Bola, Pedum, Vitellia, Toleria) und zwi-
schen Alba und Antium (so Corioli, Longula, Pollusca) gelegen
sind; doch erscheint merkwürdiger Weise darunter auch Fi-
denae, das zwischen Tiber und Anio 11 Miglien über Rom
hinaus liegt, ja vielleicht auch das noch weiter entfernte
Horta. — Eine zweite Verbrüderung ist diejenige, deren Bun-
desstätte der Hain der Diana in Aricia war; ihm gehörten
nach Cato bei Stiftung des Heiligthums an die Gemeinden Tus-
culum, Aricia, Lanuvium, Laurentum, ferner Pometia, Ardea,
die Rutuler, Cora und Tibur; das hohe Alter dieses Verzeich-
nisses, welches theils sabellische, theils latinische Stämme in
politischer Conföderation zeigt, bezeugt die Erwähnung des
früh zerstörten Suessa Pometia. — An der Spitze eines ähn-
lichen Bundes, dem vielleicht Lavicum und Nomentum ange-
hörten, mag Gabii gestanden haben, einstmals der nächste
und gefährlichste Gegner Roms, gegen den die Burg Sucusa
gebaut ward zwischen Palatin und Esquilin. Es wäre ver-
geblich die Kreise genauer abgrenzen zu wollen; ohne Zweifel
waren auch die Bünde selbst wandelbar und schloſs der ein-
zelne Gau sich bald da, bald dort an oder versuchte sich
auch auf eigene Hand zu behaupten. ‚Gröſsere und kleinere
Völkergemeinden umschlossen die neue Stadt, sagt Strabon
von dem neu gegründeten Rom, von denen einige auch in
unabhängigen Dörfern wohnten, keinem gemeinsamen Stamm
unterthan‘. — Daſs alle diese Bünde sich wieder als Stamm-
und Bundesgenossen in der latinischen Conföderation zusam-
menfanden, als die ‚alten Latiner‘ (prisci Latini) im Gegen-
satz der später auſserhalb Latium angesiedelten latinischen
Gemeinden, ist sehr wahrscheinlich, obgleich sich natürlich
nicht ausmachen läſst, wie weit das Recht und die Macht
dieser obersten Bundesgemeinde reichte. Daſs Alba als Haupt-
und Muttergemeinde galt, ist gewiſs, und bloſs in diesem Sinn
wird Rom auch als albanische Colonie bezeichnet.
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