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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL V.
geringeren, namentlich an Reiterei sehr schwachen Heer das
Vordringen der überlegenen feindlichen Armee auf- und die
überall sich regende keltische Insurrection niederzuhalten, war,
vermuthlich bei Cremona, über den Po gegangen und rückte
an diesem hinauf dem Feind entgegen, während Hannibal
nach der Einnahme von Turin flussabwärts marschirte, um
den Insubrern und Boiern Luft zu machen. In der Ebene
zwischen dem Ticino und der Sesia unweit Vercelli traf die
römische Reiterei, die mit dem leichten Fussvolk vorgegangen
war um eine forcirte Recognoscirung vorzunehmen, auf die
zu gleichem Zwecke ausgesendete punische, beide geführt von
den Feldherren in Person. Scipio nahm das angebotene Ge-
fecht trotz der Ueberlegenheit des Feindes an; allein sein
leichtes Fussvolk, das vor der Fronte der Reiterei aufgestellt
war, riss aus vor dem Anstoss der feindlichen schweren Rei-
terei und während diese von vorn die römischen Reitermassen
engagirte, nahm die leichte numidische Cavallerie, nachdem
sie die zersprengten Schaaren des feindlichen Fussvolks bei
Seite gedrängt hatte, die römischen Reiter in die Flanken
und den Rücken. Dies entschied das Gefecht. Der Verlust
der Römer war sehr beträchtlich; der Consul selbst, der als
Soldat gut machte was er als Feldherr gefehlt hatte, empfing
eine gefährliche Wunde und verdankte seine Rettung nur der
Hingebung seines siebzehnjährigen Sohnes, der muthig in die
Feinde hineinsprengend seine Schwadron zwang ihm zu folgen
und den Vater herauszuhauen. Scipio, durch dies Gefecht
aufgeklärt über die Stärke des Feindes, begriff den Fehler,
den er gemacht hatte, mit einer schwächeren Armee sich in
der Ebene mit dem Rücken gegen den Fluss aufzustellen und
entschloss sich unter den Augen des Gegners auf das rechte
Poufer zurückzukehren. Wie die Operationen sich auf einen
engeren Raum zusammenzogen und die Illusionen der römi-
schen Unwiderstehlichkeit von ihm gewichen waren, fand er
sein bedeutendes militärisches Talent wieder, das der bis zur
Abenteuerlichkeit verwegene Plan seines jugendlichen Gegners
auf einen Augenblick paralysirt hatte. Durch einen rasch ent-
worfenen und sicher ausgeführten Marsch gelangte er glück-
lich auf das zur Unzeit verlassene rechte Ufer des Flusses,
während Hannibal sich zur Feldschlacht bereit machte, und
brach die Pobrücke hinter dem Heere ab, wobei freilich das
mit der Deckung des Abbruchs beauftragte römische Detache-
ment von 600 Mann abgeschnitten und gefangen wurde. In-

DRITTES BUCH. KAPITEL V.
geringeren, namentlich an Reiterei sehr schwachen Heer das
Vordringen der überlegenen feindlichen Armee auf- und die
überall sich regende keltische Insurrection niederzuhalten, war,
vermuthlich bei Cremona, über den Po gegangen und rückte
an diesem hinauf dem Feind entgegen, während Hannibal
nach der Einnahme von Turin fluſsabwärts marschirte, um
den Insubrern und Boiern Luft zu machen. In der Ebene
zwischen dem Ticino und der Sesia unweit Vercelli traf die
römische Reiterei, die mit dem leichten Fuſsvolk vorgegangen
war um eine forcirte Recognoscirung vorzunehmen, auf die
zu gleichem Zwecke ausgesendete punische, beide geführt von
den Feldherren in Person. Scipio nahm das angebotene Ge-
fecht trotz der Ueberlegenheit des Feindes an; allein sein
leichtes Fuſsvolk, das vor der Fronte der Reiterei aufgestellt
war, riſs aus vor dem Anstoſs der feindlichen schweren Rei-
terei und während diese von vorn die römischen Reitermassen
engagirte, nahm die leichte numidische Cavallerie, nachdem
sie die zersprengten Schaaren des feindlichen Fuſsvolks bei
Seite gedrängt hatte, die römischen Reiter in die Flanken
und den Rücken. Dies entschied das Gefecht. Der Verlust
der Römer war sehr beträchtlich; der Consul selbst, der als
Soldat gut machte was er als Feldherr gefehlt hatte, empfing
eine gefährliche Wunde und verdankte seine Rettung nur der
Hingebung seines siebzehnjährigen Sohnes, der muthig in die
Feinde hineinsprengend seine Schwadron zwang ihm zu folgen
und den Vater herauszuhauen. Scipio, durch dies Gefecht
aufgeklärt über die Stärke des Feindes, begriff den Fehler,
den er gemacht hatte, mit einer schwächeren Armee sich in
der Ebene mit dem Rücken gegen den Fluſs aufzustellen und
entschloſs sich unter den Augen des Gegners auf das rechte
Poufer zurückzukehren. Wie die Operationen sich auf einen
engeren Raum zusammenzogen und die Illusionen der römi-
schen Unwiderstehlichkeit von ihm gewichen waren, fand er
sein bedeutendes militärisches Talent wieder, das der bis zur
Abenteuerlichkeit verwegene Plan seines jugendlichen Gegners
auf einen Augenblick paralysirt hatte. Durch einen rasch ent-
worfenen und sicher ausgeführten Marsch gelangte er glück-
lich auf das zur Unzeit verlassene rechte Ufer des Flusses,
während Hannibal sich zur Feldschlacht bereit machte, und
brach die Pobrücke hinter dem Heere ab, wobei freilich das
mit der Deckung des Abbruchs beauftragte römische Detache-
ment von 600 Mann abgeschnitten und gefangen wurde. In-

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[408/0422] DRITTES BUCH. KAPITEL V. geringeren, namentlich an Reiterei sehr schwachen Heer das Vordringen der überlegenen feindlichen Armee auf- und die überall sich regende keltische Insurrection niederzuhalten, war, vermuthlich bei Cremona, über den Po gegangen und rückte an diesem hinauf dem Feind entgegen, während Hannibal nach der Einnahme von Turin fluſsabwärts marschirte, um den Insubrern und Boiern Luft zu machen. In der Ebene zwischen dem Ticino und der Sesia unweit Vercelli traf die römische Reiterei, die mit dem leichten Fuſsvolk vorgegangen war um eine forcirte Recognoscirung vorzunehmen, auf die zu gleichem Zwecke ausgesendete punische, beide geführt von den Feldherren in Person. Scipio nahm das angebotene Ge- fecht trotz der Ueberlegenheit des Feindes an; allein sein leichtes Fuſsvolk, das vor der Fronte der Reiterei aufgestellt war, riſs aus vor dem Anstoſs der feindlichen schweren Rei- terei und während diese von vorn die römischen Reitermassen engagirte, nahm die leichte numidische Cavallerie, nachdem sie die zersprengten Schaaren des feindlichen Fuſsvolks bei Seite gedrängt hatte, die römischen Reiter in die Flanken und den Rücken. Dies entschied das Gefecht. Der Verlust der Römer war sehr beträchtlich; der Consul selbst, der als Soldat gut machte was er als Feldherr gefehlt hatte, empfing eine gefährliche Wunde und verdankte seine Rettung nur der Hingebung seines siebzehnjährigen Sohnes, der muthig in die Feinde hineinsprengend seine Schwadron zwang ihm zu folgen und den Vater herauszuhauen. Scipio, durch dies Gefecht aufgeklärt über die Stärke des Feindes, begriff den Fehler, den er gemacht hatte, mit einer schwächeren Armee sich in der Ebene mit dem Rücken gegen den Fluſs aufzustellen und entschloſs sich unter den Augen des Gegners auf das rechte Poufer zurückzukehren. Wie die Operationen sich auf einen engeren Raum zusammenzogen und die Illusionen der römi- schen Unwiderstehlichkeit von ihm gewichen waren, fand er sein bedeutendes militärisches Talent wieder, das der bis zur Abenteuerlichkeit verwegene Plan seines jugendlichen Gegners auf einen Augenblick paralysirt hatte. Durch einen rasch ent- worfenen und sicher ausgeführten Marsch gelangte er glück- lich auf das zur Unzeit verlassene rechte Ufer des Flusses, während Hannibal sich zur Feldschlacht bereit machte, und brach die Pobrücke hinter dem Heere ab, wobei freilich das mit der Deckung des Abbruchs beauftragte römische Detache- ment von 600 Mann abgeschnitten und gefangen wurde. In-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/422>, abgerufen am 24.11.2024.