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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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HANNIBALISCHER KRIEG.
dess konnte, da der obere Lauf des Flusses in Hannibals
Händen war, es ihm nicht verwehrt werden, dass er strom-
aufwärts marschirend auf einer Schiffbrücke übersetzte und in
wenigen Tagen auf dem rechten Ufer dem römischen Heere
gegenübertrat. Dies hatte in der Ebene von Placentia Stel-
lung genommen; allein die Meuterei einer keltischen Abthei-
lung im römischen Lager und die ringsum aufs neue aus-
brechende gallische Insurrection zwang den Consul die Ebene
zu räumen und sich auf den Hügeln hinter der Trebia zu
setzen, was ohne namhaften Verlust bewerkstelligt ward, da
die nachsetzenden numidischen Reiter mit dem Plündern und
Anzünden des verlassenen Lagers die Zeit verdarben. In die-
ser starken Stellung, den linken Flügel gelehnt an den Apen-
nin, den rechten an den Po und die Festung Placentia, von
vorn gedeckt durch die in dieser Jahrzeit nicht unbedeutende
Trebia hemmte er Hannibals Vorrücken so vollständig, dass
diesem nichts übrig blieb als sein Lager gegenüber aufzu-
schlagen und das in seinem Rücken gelassene römische Castell
Clastidium, in dem reiche Magazine sich befanden, zur Aus-
füllung der Zeit zu belagern. Zwar die Insurrection fast aller
gallischer Cantone mit Ausnahme der römisch gesinnten Ce-
nomanen vermochte Scipio nicht abzuwenden, aber die von
ihm genommene Stellung so wie die Bedrohung der insubri-
schen Grenzen durch die Cenomanen hinderte doch die mäch-
tigsten gallischen Gemeinden sich massenweise dem Feinde
anzuschliessen. Das zweite römische Heer, das mittlerweile
von Lilybaeon in Ariminum eingetroffen war, konnte mitten
durch das insurgirte Land ohne wesentliche Hinderung Pla-
centia erreichen und mit der Poarmee sich vereinigen; Scipio
hatte seine schwierige Aufgabe vollständig und glänzend ge-
löst. Das römische Heer, jetzt nahe an 40000 Mann stark
und dem Gegner wenn auch an Reiterei nicht gewachsen,
doch an Fussvolk wenigstens gleich, brauchte bloss da stehen
zu bleiben wo es stand, um den Feind entweder zu nöthigen
in der winterlichen Jahreszeit den Flussübergang und den
Angriff auf das römische Lager zu versuchen oder sein Vor-
rücken einzustellen und den Wankelmuth der Gallier durch
die lästigen Winterquartiere auf die Probe zu setzen. Indess
so einleuchtend dies war, so war es nicht minder klar, dass
man schon im December war und bei jenem Verfahren zwar
vielleicht Rom den Sieg gewann, aber nicht der Consul Tiberius
Sempronius, der in Folge von Scipos Verwundung den Ober-

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deſs konnte, da der obere Lauf des Flusses in Hannibals
Händen war, es ihm nicht verwehrt werden, daſs er strom-
aufwärts marschirend auf einer Schiffbrücke übersetzte und in
wenigen Tagen auf dem rechten Ufer dem römischen Heere
gegenübertrat. Dies hatte in der Ebene von Placentia Stel-
lung genommen; allein die Meuterei einer keltischen Abthei-
lung im römischen Lager und die ringsum aufs neue aus-
brechende gallische Insurrection zwang den Consul die Ebene
zu räumen und sich auf den Hügeln hinter der Trebia zu
setzen, was ohne namhaften Verlust bewerkstelligt ward, da
die nachsetzenden numidischen Reiter mit dem Plündern und
Anzünden des verlassenen Lagers die Zeit verdarben. In die-
ser starken Stellung, den linken Flügel gelehnt an den Apen-
nin, den rechten an den Po und die Festung Placentia, von
vorn gedeckt durch die in dieser Jahrzeit nicht unbedeutende
Trebia hemmte er Hannibals Vorrücken so vollständig, daſs
diesem nichts übrig blieb als sein Lager gegenüber aufzu-
schlagen und das in seinem Rücken gelassene römische Castell
Clastidium, in dem reiche Magazine sich befanden, zur Aus-
füllung der Zeit zu belagern. Zwar die Insurrection fast aller
gallischer Cantone mit Ausnahme der römisch gesinnten Ce-
nomanen vermochte Scipio nicht abzuwenden, aber die von
ihm genommene Stellung so wie die Bedrohung der insubri-
schen Grenzen durch die Cenomanen hinderte doch die mäch-
tigsten gallischen Gemeinden sich massenweise dem Feinde
anzuschlieſsen. Das zweite römische Heer, das mittlerweile
von Lilybaeon in Ariminum eingetroffen war, konnte mitten
durch das insurgirte Land ohne wesentliche Hinderung Pla-
centia erreichen und mit der Poarmee sich vereinigen; Scipio
hatte seine schwierige Aufgabe vollständig und glänzend ge-
löst. Das römische Heer, jetzt nahe an 40000 Mann stark
und dem Gegner wenn auch an Reiterei nicht gewachsen,
doch an Fuſsvolk wenigstens gleich, brauchte bloſs da stehen
zu bleiben wo es stand, um den Feind entweder zu nöthigen
in der winterlichen Jahreszeit den Fluſsübergang und den
Angriff auf das römische Lager zu versuchen oder sein Vor-
rücken einzustellen und den Wankelmuth der Gallier durch
die lästigen Winterquartiere auf die Probe zu setzen. Indeſs
so einleuchtend dies war, so war es nicht minder klar, daſs
man schon im December war und bei jenem Verfahren zwar
vielleicht Rom den Sieg gewann, aber nicht der Consul Tiberius
Sempronius, der in Folge von Scipos Verwundung den Ober-

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[409/0423] HANNIBALISCHER KRIEG. deſs konnte, da der obere Lauf des Flusses in Hannibals Händen war, es ihm nicht verwehrt werden, daſs er strom- aufwärts marschirend auf einer Schiffbrücke übersetzte und in wenigen Tagen auf dem rechten Ufer dem römischen Heere gegenübertrat. Dies hatte in der Ebene von Placentia Stel- lung genommen; allein die Meuterei einer keltischen Abthei- lung im römischen Lager und die ringsum aufs neue aus- brechende gallische Insurrection zwang den Consul die Ebene zu räumen und sich auf den Hügeln hinter der Trebia zu setzen, was ohne namhaften Verlust bewerkstelligt ward, da die nachsetzenden numidischen Reiter mit dem Plündern und Anzünden des verlassenen Lagers die Zeit verdarben. In die- ser starken Stellung, den linken Flügel gelehnt an den Apen- nin, den rechten an den Po und die Festung Placentia, von vorn gedeckt durch die in dieser Jahrzeit nicht unbedeutende Trebia hemmte er Hannibals Vorrücken so vollständig, daſs diesem nichts übrig blieb als sein Lager gegenüber aufzu- schlagen und das in seinem Rücken gelassene römische Castell Clastidium, in dem reiche Magazine sich befanden, zur Aus- füllung der Zeit zu belagern. Zwar die Insurrection fast aller gallischer Cantone mit Ausnahme der römisch gesinnten Ce- nomanen vermochte Scipio nicht abzuwenden, aber die von ihm genommene Stellung so wie die Bedrohung der insubri- schen Grenzen durch die Cenomanen hinderte doch die mäch- tigsten gallischen Gemeinden sich massenweise dem Feinde anzuschlieſsen. Das zweite römische Heer, das mittlerweile von Lilybaeon in Ariminum eingetroffen war, konnte mitten durch das insurgirte Land ohne wesentliche Hinderung Pla- centia erreichen und mit der Poarmee sich vereinigen; Scipio hatte seine schwierige Aufgabe vollständig und glänzend ge- löst. Das römische Heer, jetzt nahe an 40000 Mann stark und dem Gegner wenn auch an Reiterei nicht gewachsen, doch an Fuſsvolk wenigstens gleich, brauchte bloſs da stehen zu bleiben wo es stand, um den Feind entweder zu nöthigen in der winterlichen Jahreszeit den Fluſsübergang und den Angriff auf das römische Lager zu versuchen oder sein Vor- rücken einzustellen und den Wankelmuth der Gallier durch die lästigen Winterquartiere auf die Probe zu setzen. Indeſs so einleuchtend dies war, so war es nicht minder klar, daſs man schon im December war und bei jenem Verfahren zwar vielleicht Rom den Sieg gewann, aber nicht der Consul Tiberius Sempronius, der in Folge von Scipos Verwundung den Ober-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/423>, abgerufen am 24.11.2024.