Trotz aller Unfälle stand der römische Stolz nicht minder aufrecht als die römische Symmachie. Die Geschenke, welche die griechischen Städte in Italien und der König Hieron von Syrakus für den nächsten Feldzug anboten -- sie traf der Krieg minder schwer als die übrigen Bundesgenossen Roms, da sie nicht zum Landheer stellten -- wurden mit Dank abgelehnt; den illyrischen Häuptlingen zeigte man an, dass sie nicht säu- men möchten mit Entrichtung des Tributs; ja man beschickte den König von Makedonien abermals um die Auslieferung des Demetrios von Pharos. Die Partei des Uebermuths, die dem Senatsregiment feind war, führte noch immer das Ruder. Was den italischen Krieg anlangte, war man entschlossen keineswegs zurückzukehren zu der Kriegführung des Fabius, welche den Staat langsam zwar, aber sicher verderbe; dass der Volksdicta- tor nicht bessere Ergebnisse erfochten hatte, komme, so meinte man, einzig daher, weil man eine halbe Massregel getroffen und ihm zu wenig Truppen gegeben habe. Diesen Fehler beschloss man zu vermeiden und ein Heer aufzustellen, wie Rom noch keines ausgesandt hatte: acht Legionen, jede um ein Fünftel über die Normalzahl verstärkt, und die entspre- chende Anzahl Bundesgenossen, zusammen 80000 Mann zu Fuss und über 6000 Reiter, genug um den nicht halb so starken Gegner zu erdrücken. Ausserdem ward eine Legion unter dem Praetor Lucius Postumius nach dem Pothal bestimmt, um wo möglich die in Hannibals Heer dienenden Kelten nach der Heimath zurückzuziehen. Diese Beschlüsse waren ver- ständig; es kam nur darauf an auch über den Oberbefehl angemessen zu bestimmen. Das starre Auftreten des Quintus Fabius und die daran sich anspinnenden demagogischen Hetze- reien hatten die Dictatur und überhaupt den Senat unpopu- lärer gemacht als je; im Volke ging, wohl nicht ohne Schuld der Führer, die thörichte Rede, dass der Senat den Krieg ab- sichtlich in die Länge ziehe. Da also an die Ernennung eines Dictators nicht zu denken war, versuchte der Senat die Wahl der Consuln angemessen zu leiten, was indess den Ver- dacht und den Eigensinn erst recht rege machte. Mit Mühe brachte der Senat den einen seiner Candidaten durch, den Lucius Aemilius Paullus, der im Jahre 535 den illyrischen Krieg verständig geführt hatte; die ungeheure Majorität der Bürgerschaft gab ihm zum Collegen den Candidaten der Volks- partei Marcus Terentius Varro, einen unfähigen Mann, der nur bekannt war durch seine verbissene Opposition gegen den Senat
HANNIBALISCHER KRIEG.
Trotz aller Unfälle stand der römische Stolz nicht minder aufrecht als die römische Symmachie. Die Geschenke, welche die griechischen Städte in Italien und der König Hieron von Syrakus für den nächsten Feldzug anboten — sie traf der Krieg minder schwer als die übrigen Bundesgenossen Roms, da sie nicht zum Landheer stellten — wurden mit Dank abgelehnt; den illyrischen Häuptlingen zeigte man an, daſs sie nicht säu- men möchten mit Entrichtung des Tributs; ja man beschickte den König von Makedonien abermals um die Auslieferung des Demetrios von Pharos. Die Partei des Uebermuths, die dem Senatsregiment feind war, führte noch immer das Ruder. Was den italischen Krieg anlangte, war man entschlossen keineswegs zurückzukehren zu der Kriegführung des Fabius, welche den Staat langsam zwar, aber sicher verderbe; daſs der Volksdicta- tor nicht bessere Ergebnisse erfochten hatte, komme, so meinte man, einzig daher, weil man eine halbe Maſsregel getroffen und ihm zu wenig Truppen gegeben habe. Diesen Fehler beschloſs man zu vermeiden und ein Heer aufzustellen, wie Rom noch keines ausgesandt hatte: acht Legionen, jede um ein Fünftel über die Normalzahl verstärkt, und die entspre- chende Anzahl Bundesgenossen, zusammen 80000 Mann zu Fuſs und über 6000 Reiter, genug um den nicht halb so starken Gegner zu erdrücken. Auſserdem ward eine Legion unter dem Praetor Lucius Postumius nach dem Pothal bestimmt, um wo möglich die in Hannibals Heer dienenden Kelten nach der Heimath zurückzuziehen. Diese Beschlüsse waren ver- ständig; es kam nur darauf an auch über den Oberbefehl angemessen zu bestimmen. Das starre Auftreten des Quintus Fabius und die daran sich anspinnenden demagogischen Hetze- reien hatten die Dictatur und überhaupt den Senat unpopu- lärer gemacht als je; im Volke ging, wohl nicht ohne Schuld der Führer, die thörichte Rede, daſs der Senat den Krieg ab- sichtlich in die Länge ziehe. Da also an die Ernennung eines Dictators nicht zu denken war, versuchte der Senat die Wahl der Consuln angemessen zu leiten, was indeſs den Ver- dacht und den Eigensinn erst recht rege machte. Mit Mühe brachte der Senat den einen seiner Candidaten durch, den Lucius Aemilius Paullus, der im Jahre 535 den illyrischen Krieg verständig geführt hatte; die ungeheure Majorität der Bürgerschaft gab ihm zum Collegen den Candidaten der Volks- partei Marcus Terentius Varro, einen unfähigen Mann, der nur bekannt war durch seine verbissene Opposition gegen den Senat
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0435"n="421"/><fwplace="top"type="header">HANNIBALISCHER KRIEG.</fw><lb/><p>Trotz aller Unfälle stand der römische Stolz nicht minder<lb/>
aufrecht als die römische Symmachie. Die Geschenke, welche<lb/>
die griechischen Städte in Italien und der König Hieron von<lb/>
Syrakus für den nächsten Feldzug anboten — sie traf der Krieg<lb/>
minder schwer als die übrigen Bundesgenossen Roms, da sie<lb/>
nicht zum Landheer stellten — wurden mit Dank abgelehnt;<lb/>
den illyrischen Häuptlingen zeigte man an, daſs sie nicht säu-<lb/>
men möchten mit Entrichtung des Tributs; ja man beschickte<lb/>
den König von Makedonien abermals um die Auslieferung des<lb/>
Demetrios von Pharos. Die Partei des Uebermuths, die dem<lb/>
Senatsregiment feind war, führte noch immer das Ruder. Was<lb/>
den italischen Krieg anlangte, war man entschlossen keineswegs<lb/>
zurückzukehren zu der Kriegführung des Fabius, welche den<lb/>
Staat langsam zwar, aber sicher verderbe; daſs der Volksdicta-<lb/>
tor nicht bessere Ergebnisse erfochten hatte, komme, so meinte<lb/>
man, einzig daher, weil man eine halbe Maſsregel getroffen<lb/>
und ihm zu wenig Truppen gegeben habe. Diesen Fehler<lb/>
beschloſs man zu vermeiden und ein Heer aufzustellen, wie<lb/>
Rom noch keines ausgesandt hatte: acht Legionen, jede um<lb/>
ein Fünftel über die Normalzahl verstärkt, und die entspre-<lb/>
chende Anzahl Bundesgenossen, zusammen 80000 Mann zu<lb/>
Fuſs und über 6000 Reiter, genug um den nicht halb so<lb/>
starken Gegner zu erdrücken. Auſserdem ward eine Legion<lb/>
unter dem Praetor Lucius Postumius nach dem Pothal bestimmt,<lb/>
um wo möglich die in Hannibals Heer dienenden Kelten nach<lb/>
der Heimath zurückzuziehen. Diese Beschlüsse waren ver-<lb/>
ständig; es kam nur darauf an auch über den Oberbefehl<lb/>
angemessen zu bestimmen. Das starre Auftreten des Quintus<lb/>
Fabius und die daran sich anspinnenden demagogischen Hetze-<lb/>
reien hatten die Dictatur und überhaupt den Senat unpopu-<lb/>
lärer gemacht als je; im Volke ging, wohl nicht ohne Schuld<lb/>
der Führer, die thörichte Rede, daſs der Senat den Krieg ab-<lb/>
sichtlich in die Länge ziehe. Da also an die Ernennung eines<lb/>
Dictators nicht zu denken war, versuchte der Senat die<lb/>
Wahl der Consuln angemessen zu leiten, was indeſs den Ver-<lb/>
dacht und den Eigensinn erst recht rege machte. Mit Mühe<lb/>
brachte der Senat den einen seiner Candidaten durch, den<lb/>
Lucius Aemilius Paullus, der im Jahre 535 den illyrischen<lb/>
Krieg verständig geführt hatte; die ungeheure Majorität der<lb/>
Bürgerschaft gab ihm zum Collegen den Candidaten der Volks-<lb/>
partei Marcus Terentius Varro, einen unfähigen Mann, der nur<lb/>
bekannt war durch seine verbissene Opposition gegen den Senat<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[421/0435]
HANNIBALISCHER KRIEG.
Trotz aller Unfälle stand der römische Stolz nicht minder
aufrecht als die römische Symmachie. Die Geschenke, welche
die griechischen Städte in Italien und der König Hieron von
Syrakus für den nächsten Feldzug anboten — sie traf der Krieg
minder schwer als die übrigen Bundesgenossen Roms, da sie
nicht zum Landheer stellten — wurden mit Dank abgelehnt;
den illyrischen Häuptlingen zeigte man an, daſs sie nicht säu-
men möchten mit Entrichtung des Tributs; ja man beschickte
den König von Makedonien abermals um die Auslieferung des
Demetrios von Pharos. Die Partei des Uebermuths, die dem
Senatsregiment feind war, führte noch immer das Ruder. Was
den italischen Krieg anlangte, war man entschlossen keineswegs
zurückzukehren zu der Kriegführung des Fabius, welche den
Staat langsam zwar, aber sicher verderbe; daſs der Volksdicta-
tor nicht bessere Ergebnisse erfochten hatte, komme, so meinte
man, einzig daher, weil man eine halbe Maſsregel getroffen
und ihm zu wenig Truppen gegeben habe. Diesen Fehler
beschloſs man zu vermeiden und ein Heer aufzustellen, wie
Rom noch keines ausgesandt hatte: acht Legionen, jede um
ein Fünftel über die Normalzahl verstärkt, und die entspre-
chende Anzahl Bundesgenossen, zusammen 80000 Mann zu
Fuſs und über 6000 Reiter, genug um den nicht halb so
starken Gegner zu erdrücken. Auſserdem ward eine Legion
unter dem Praetor Lucius Postumius nach dem Pothal bestimmt,
um wo möglich die in Hannibals Heer dienenden Kelten nach
der Heimath zurückzuziehen. Diese Beschlüsse waren ver-
ständig; es kam nur darauf an auch über den Oberbefehl
angemessen zu bestimmen. Das starre Auftreten des Quintus
Fabius und die daran sich anspinnenden demagogischen Hetze-
reien hatten die Dictatur und überhaupt den Senat unpopu-
lärer gemacht als je; im Volke ging, wohl nicht ohne Schuld
der Führer, die thörichte Rede, daſs der Senat den Krieg ab-
sichtlich in die Länge ziehe. Da also an die Ernennung eines
Dictators nicht zu denken war, versuchte der Senat die
Wahl der Consuln angemessen zu leiten, was indeſs den Ver-
dacht und den Eigensinn erst recht rege machte. Mit Mühe
brachte der Senat den einen seiner Candidaten durch, den
Lucius Aemilius Paullus, der im Jahre 535 den illyrischen
Krieg verständig geführt hatte; die ungeheure Majorität der
Bürgerschaft gab ihm zum Collegen den Candidaten der Volks-
partei Marcus Terentius Varro, einen unfähigen Mann, der nur
bekannt war durch seine verbissene Opposition gegen den Senat
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/435>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.