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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
genug um es nicht zum Aeussersten kommen zu lassen. Auch
der Senat konnte nicht verkennen, dass die africanische Ex-
pedition nothwendig und es nicht weise war, dieselbe aufs
Unbestimmte hinauszuschieben; nicht verkennen, dass Scipio
ein äusserst fähiger Offizier und insofern zum Führer eines
solchen Krieges wohl geeignet war und dass, wenn einer, er es
vermochte vom Volke die Verlängerung seines Oberbefehls so
lange als nöthig und die Aufbietung der letzten Kräfte zu erlan-
gen. Die Majorität kam zu dem Entschluss Scipio den gewünsch-
ten Auftrag zu ertheilen, nachdem derselbe zuvor die der höch-
sten Regierungsbehörde schuldige Rücksicht wenigstens der Form
nach gewahrt und im Voraus sich dem Beschluss des Senats un-
terworfen hatte. Scipio sollte dies Jahr nach Sicilien gehen um
den Bau der Flotte, die Herstellung des Belagerungsmaterials
und die Bildung der Expeditionsarmee zu betreiben, und dann
im nächsten Jahre in Africa landen. Es ward ihm hiezu die
sicilische Armee -- noch immer jene beiden aus den Trüm-
mern des cannensischen Heeres gebildeten Legionen -- zur
Disposition gestellt, da zur Deckung der Insel eine schwache
Besatzung und die Flotte vollständig ausreichten, und ausser-
dem ihm gestattet in Italien Freiwillige aufzubieten. Es war
augenscheinlich, dass der Senat die Expedition nicht anord-
nete, sondern vielmehr geschehen liess; Scipio erhielt nicht
die Hälfte der Mittel, die man einst Regulus zu Gebot gestellt
hatte, und überdies eben dasjenige Corps, das seit Jahren vom
Senat mit berechneter Zurücksetzung behandelt worden war.
Die africanische Armee war im Sinne der Majorität des Senats
ein verlorner Posten von Strafcompagnien und Volontärs,
deren Untergang der Staat allenfalls verschmerzen konnte. --
Ein anderer Mann als Scipio hätte vielleicht erklärt, dass die
africanische Expedition entweder mit anderen Mitteln oder
gar nicht unternommen werden müsse; allein Scipios Zuver-
sicht ging auf die Bedingungen ein, wie sie immer waren,
um nur zu dem heissersehnten Zug zu gelangen. Sorgfältig
vermied er so weit es anging das Volk unmittelbar zu be-
lästigen, um nicht der Popularität der Expedition zu schaden.
Was die Kosten derselben anlangte, namentlich die beträcht-
lichen des Flottenbaus, so wurden diese im Wesentlichen
beigeschafft durch eine sogenannte freiwillige Contribution der
etruskischen Städte, das heisst durch eine den Arretinern
und den sonstigen punisch gesinnten Gemeinden zur Strafe
auferlegt Kriegssteuer. Die Mannschaft verstärkten Freiwillige,

DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
genug um es nicht zum Aeuſsersten kommen zu lassen. Auch
der Senat konnte nicht verkennen, daſs die africanische Ex-
pedition nothwendig und es nicht weise war, dieselbe aufs
Unbestimmte hinauszuschieben; nicht verkennen, daſs Scipio
ein äuſserst fähiger Offizier und insofern zum Führer eines
solchen Krieges wohl geeignet war und daſs, wenn einer, er es
vermochte vom Volke die Verlängerung seines Oberbefehls so
lange als nöthig und die Aufbietung der letzten Kräfte zu erlan-
gen. Die Majorität kam zu dem Entschluſs Scipio den gewünsch-
ten Auftrag zu ertheilen, nachdem derselbe zuvor die der höch-
sten Regierungsbehörde schuldige Rücksicht wenigstens der Form
nach gewahrt und im Voraus sich dem Beschluſs des Senats un-
terworfen hatte. Scipio sollte dies Jahr nach Sicilien gehen um
den Bau der Flotte, die Herstellung des Belagerungsmaterials
und die Bildung der Expeditionsarmee zu betreiben, und dann
im nächsten Jahre in Africa landen. Es ward ihm hiezu die
sicilische Armee — noch immer jene beiden aus den Trüm-
mern des cannensischen Heeres gebildeten Legionen — zur
Disposition gestellt, da zur Deckung der Insel eine schwache
Besatzung und die Flotte vollständig ausreichten, und auſser-
dem ihm gestattet in Italien Freiwillige aufzubieten. Es war
augenscheinlich, daſs der Senat die Expedition nicht anord-
nete, sondern vielmehr geschehen lieſs; Scipio erhielt nicht
die Hälfte der Mittel, die man einst Regulus zu Gebot gestellt
hatte, und überdies eben dasjenige Corps, das seit Jahren vom
Senat mit berechneter Zurücksetzung behandelt worden war.
Die africanische Armee war im Sinne der Majorität des Senats
ein verlorner Posten von Strafcompagnien und Volontärs,
deren Untergang der Staat allenfalls verschmerzen konnte. —
Ein anderer Mann als Scipio hätte vielleicht erklärt, daſs die
africanische Expedition entweder mit anderen Mitteln oder
gar nicht unternommen werden müsse; allein Scipios Zuver-
sicht ging auf die Bedingungen ein, wie sie immer waren,
um nur zu dem heiſsersehnten Zug zu gelangen. Sorgfältig
vermied er so weit es anging das Volk unmittelbar zu be-
lästigen, um nicht der Popularität der Expedition zu schaden.
Was die Kosten derselben anlangte, namentlich die beträcht-
lichen des Flottenbaus, so wurden diese im Wesentlichen
beigeschafft durch eine sogenannte freiwillige Contribution der
etruskischen Städte, das heiſst durch eine den Arretinern
und den sonstigen punisch gesinnten Gemeinden zur Strafe
auferlegt Kriegssteuer. Die Mannschaft verstärkten Freiwillige,

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[472/0486] DRITTES BUCH. KAPITEL VI. genug um es nicht zum Aeuſsersten kommen zu lassen. Auch der Senat konnte nicht verkennen, daſs die africanische Ex- pedition nothwendig und es nicht weise war, dieselbe aufs Unbestimmte hinauszuschieben; nicht verkennen, daſs Scipio ein äuſserst fähiger Offizier und insofern zum Führer eines solchen Krieges wohl geeignet war und daſs, wenn einer, er es vermochte vom Volke die Verlängerung seines Oberbefehls so lange als nöthig und die Aufbietung der letzten Kräfte zu erlan- gen. Die Majorität kam zu dem Entschluſs Scipio den gewünsch- ten Auftrag zu ertheilen, nachdem derselbe zuvor die der höch- sten Regierungsbehörde schuldige Rücksicht wenigstens der Form nach gewahrt und im Voraus sich dem Beschluſs des Senats un- terworfen hatte. Scipio sollte dies Jahr nach Sicilien gehen um den Bau der Flotte, die Herstellung des Belagerungsmaterials und die Bildung der Expeditionsarmee zu betreiben, und dann im nächsten Jahre in Africa landen. Es ward ihm hiezu die sicilische Armee — noch immer jene beiden aus den Trüm- mern des cannensischen Heeres gebildeten Legionen — zur Disposition gestellt, da zur Deckung der Insel eine schwache Besatzung und die Flotte vollständig ausreichten, und auſser- dem ihm gestattet in Italien Freiwillige aufzubieten. Es war augenscheinlich, daſs der Senat die Expedition nicht anord- nete, sondern vielmehr geschehen lieſs; Scipio erhielt nicht die Hälfte der Mittel, die man einst Regulus zu Gebot gestellt hatte, und überdies eben dasjenige Corps, das seit Jahren vom Senat mit berechneter Zurücksetzung behandelt worden war. Die africanische Armee war im Sinne der Majorität des Senats ein verlorner Posten von Strafcompagnien und Volontärs, deren Untergang der Staat allenfalls verschmerzen konnte. — Ein anderer Mann als Scipio hätte vielleicht erklärt, daſs die africanische Expedition entweder mit anderen Mitteln oder gar nicht unternommen werden müsse; allein Scipios Zuver- sicht ging auf die Bedingungen ein, wie sie immer waren, um nur zu dem heiſsersehnten Zug zu gelangen. Sorgfältig vermied er so weit es anging das Volk unmittelbar zu be- lästigen, um nicht der Popularität der Expedition zu schaden. Was die Kosten derselben anlangte, namentlich die beträcht- lichen des Flottenbaus, so wurden diese im Wesentlichen beigeschafft durch eine sogenannte freiwillige Contribution der etruskischen Städte, das heiſst durch eine den Arretinern und den sonstigen punisch gesinnten Gemeinden zur Strafe auferlegt Kriegssteuer. Die Mannschaft verstärkten Freiwillige,

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/486>, abgerufen am 24.11.2024.