deren bis siebentausend aus allen Gegenden Italiens dem Rufe des beliebten Offiziers folgten. So ging Scipio im Frühjahr 550 mit zwei starken Veteranenlegionen (etwa 30000 Mann), 40 Kriegs- und 400 Transportschiffen nach Africa unter Segel und landete glücklich, ohne den geringsten Widerstand zu finden, am schönen Vorgebirge in der Nähe von Utica.
Die Karthager, die seit langem erwarteten, dass auf die Plünderungszüge, welche die römischen Geschwader in den letzten Jahren häufig nach der africanischen Küste gemacht hatten, ein ernstlicherer Einfall folgen werde, hatten, um des- sen sich zu erwehren, nicht bloss den italisch-makedonischen Krieg aufs Neue in Gang zu bringen versucht, sondern auch daheim gerüstet um die Römer zu empfangen. Es war gelungen von den beiden grossen westafricanischen Scheiks, Massinissa von Cirta (Constantine), dem Herrn der Massyler, und Syphax von Siga (an der Tafnamündung westlich von Oran), dem Herrn der Massaesyler, den letzteren, den bei weitem mäch- tigeren, durch Vertrag und Verschwägerung eng an Karthago zu knüpfen, den andern aber, den alten Nebenbuhler des Syphax, völlig zu beseitigen. Massinissa war nach verzweifelter Gegen- wehr der vereinigten Macht der Karthager und des Syphax erlegen und hatte seine Länder dem letztern zur Beute lassen müssen; er selbst irrte mit wenigen Reitern in der Wüste. Ausser dem Zuzug, der von Syphax zu erwarten war, stand ein karthagisches Heer von 20000 Mann zu Fuss, 6000 Reitern und 140 Elephanten -- Hanno war eigends desshalb auf Ele- phantenjagd ausgeschickt worden -- schlagfertig zum Schutz der Hauptstadt, unter der Führung des in Spanien erprobten Feldherrn Hasdrubal Gisgons Sohn; im Hafen lag eine starke Flotte. Ein makedonisches Corps unter Sopater und eine Sendung keltiberischer Söldner wurden demnächst erwartet. -- Auf das Gerücht von Scipios Landung traf Massinissa sofort in dem Lager des Feldherrn ein, dem er vor nicht langem in Spanien als Feind gegenübergestanden hatte; allein der länder- lose Fürst brachte zunächst den Römern nichts als seine per- sönliche Tüchtigkeit, und die Libyer, obwohl der Aushebungen und Steuern herzlich müde, hatten doch in ähnlichen Fällen zu bittere Erfahrungen gemacht um sich sofort für die Römer zu erklären. So begann Scipio den Feldzug. So lange er nur die schwächere karthagische Armee gegen sich hatte, war er im Vortheil und konnte nach einigen glücklichen Reitergefechten zur Belagerung von Utica schreiten; allein als Syphax eintraf, an-
HANNIBALISCHER KRIEG.
deren bis siebentausend aus allen Gegenden Italiens dem Rufe des beliebten Offiziers folgten. So ging Scipio im Frühjahr 550 mit zwei starken Veteranenlegionen (etwa 30000 Mann), 40 Kriegs- und 400 Transportschiffen nach Africa unter Segel und landete glücklich, ohne den geringsten Widerstand zu finden, am schönen Vorgebirge in der Nähe von Utica.
Die Karthager, die seit langem erwarteten, daſs auf die Plünderungszüge, welche die römischen Geschwader in den letzten Jahren häufig nach der africanischen Küste gemacht hatten, ein ernstlicherer Einfall folgen werde, hatten, um des- sen sich zu erwehren, nicht bloſs den italisch-makedonischen Krieg aufs Neue in Gang zu bringen versucht, sondern auch daheim gerüstet um die Römer zu empfangen. Es war gelungen von den beiden groſsen westafricanischen Scheiks, Massinissa von Cirta (Constantine), dem Herrn der Massyler, und Syphax von Siga (an der Tafnamündung westlich von Oran), dem Herrn der Massaesyler, den letzteren, den bei weitem mäch- tigeren, durch Vertrag und Verschwägerung eng an Karthago zu knüpfen, den andern aber, den alten Nebenbuhler des Syphax, völlig zu beseitigen. Massinissa war nach verzweifelter Gegen- wehr der vereinigten Macht der Karthager und des Syphax erlegen und hatte seine Länder dem letztern zur Beute lassen müssen; er selbst irrte mit wenigen Reitern in der Wüste. Auſser dem Zuzug, der von Syphax zu erwarten war, stand ein karthagisches Heer von 20000 Mann zu Fuſs, 6000 Reitern und 140 Elephanten — Hanno war eigends deſshalb auf Ele- phantenjagd ausgeschickt worden — schlagfertig zum Schutz der Hauptstadt, unter der Führung des in Spanien erprobten Feldherrn Hasdrubal Gisgons Sohn; im Hafen lag eine starke Flotte. Ein makedonisches Corps unter Sopater und eine Sendung keltiberischer Söldner wurden demnächst erwartet. — Auf das Gerücht von Scipios Landung traf Massinissa sofort in dem Lager des Feldherrn ein, dem er vor nicht langem in Spanien als Feind gegenübergestanden hatte; allein der länder- lose Fürst brachte zunächst den Römern nichts als seine per- sönliche Tüchtigkeit, und die Libyer, obwohl der Aushebungen und Steuern herzlich müde, hatten doch in ähnlichen Fällen zu bittere Erfahrungen gemacht um sich sofort für die Römer zu erklären. So begann Scipio den Feldzug. So lange er nur die schwächere karthagische Armee gegen sich hatte, war er im Vortheil und konnte nach einigen glücklichen Reitergefechten zur Belagerung von Utica schreiten; allein als Syphax eintraf, an-
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HANNIBALISCHER KRIEG.
deren bis siebentausend aus allen Gegenden Italiens dem Rufe
des beliebten Offiziers folgten. So ging Scipio im Frühjahr
550 mit zwei starken Veteranenlegionen (etwa 30000 Mann),
40 Kriegs- und 400 Transportschiffen nach Africa unter Segel
und landete glücklich, ohne den geringsten Widerstand zu
finden, am schönen Vorgebirge in der Nähe von Utica.
Die Karthager, die seit langem erwarteten, daſs auf die
Plünderungszüge, welche die römischen Geschwader in den
letzten Jahren häufig nach der africanischen Küste gemacht
hatten, ein ernstlicherer Einfall folgen werde, hatten, um des-
sen sich zu erwehren, nicht bloſs den italisch-makedonischen
Krieg aufs Neue in Gang zu bringen versucht, sondern auch
daheim gerüstet um die Römer zu empfangen. Es war gelungen
von den beiden groſsen westafricanischen Scheiks, Massinissa
von Cirta (Constantine), dem Herrn der Massyler, und Syphax
von Siga (an der Tafnamündung westlich von Oran), dem
Herrn der Massaesyler, den letzteren, den bei weitem mäch-
tigeren, durch Vertrag und Verschwägerung eng an Karthago zu
knüpfen, den andern aber, den alten Nebenbuhler des Syphax,
völlig zu beseitigen. Massinissa war nach verzweifelter Gegen-
wehr der vereinigten Macht der Karthager und des Syphax
erlegen und hatte seine Länder dem letztern zur Beute lassen
müssen; er selbst irrte mit wenigen Reitern in der Wüste.
Auſser dem Zuzug, der von Syphax zu erwarten war, stand
ein karthagisches Heer von 20000 Mann zu Fuſs, 6000 Reitern
und 140 Elephanten — Hanno war eigends deſshalb auf Ele-
phantenjagd ausgeschickt worden — schlagfertig zum Schutz
der Hauptstadt, unter der Führung des in Spanien erprobten
Feldherrn Hasdrubal Gisgons Sohn; im Hafen lag eine starke
Flotte. Ein makedonisches Corps unter Sopater und eine
Sendung keltiberischer Söldner wurden demnächst erwartet.
— Auf das Gerücht von Scipios Landung traf Massinissa sofort
in dem Lager des Feldherrn ein, dem er vor nicht langem in
Spanien als Feind gegenübergestanden hatte; allein der länder-
lose Fürst brachte zunächst den Römern nichts als seine per-
sönliche Tüchtigkeit, und die Libyer, obwohl der Aushebungen
und Steuern herzlich müde, hatten doch in ähnlichen Fällen
zu bittere Erfahrungen gemacht um sich sofort für die Römer
zu erklären. So begann Scipio den Feldzug. So lange er nur
die schwächere karthagische Armee gegen sich hatte, war er im
Vortheil und konnte nach einigen glücklichen Reitergefechten zur
Belagerung von Utica schreiten; allein als Syphax eintraf, an-
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/487>, abgerufen am 24.11.2024.
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