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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
Waffenstillstandes, sondern auf eigene Verantwortlichkeit und
Gefahr. So stand der letzte von Hamilkars ,Löwenbrut' aber-
mals auf dem Boden der Heimath, die er fast noch ein Knabe
verlassen hatte um seine grossartige und doch so durchaus
vergebliche Heldenlaufbahn zu beginnen und westwärts auszie-
hend von Osten her heimzukehren, rings um die karthagische
See einen weiten Siegeskreis beschreibend. Jetzt, wo ge-
schehen war was er hatte verhüten wollen und was er ver-
hütet hätte, wenn er gedurft, jetzt sollte er, wenn möglich,
retten und helfen; und er that es ohne zu klagen und zu
schelten. Mit seiner Ankunft trat die Patriotenpartei offen auf;
das schändliche Urtheil gegen Hasdrubal ward cassirt, neue
Verbindungen mit den numidischen Scheiks durch Hannibals
Gewandtheit angeknüpft und nicht bloss dem thatsächlich ab-
geschlossenen Frieden in der Volksversammlung die Bestäti-
gung verweigert, sondern auch durch die Plünderung einer
an der africanischen Küste gestrandeten römischen Transport-
flotte, ja sogar durch den Ueberfall eines römische Gesandte
führenden römischen Kriegsschiffs der Waffenstillstand gebro-
chen. In gerechter Erbitterung brach Scipio aus seinem La-
ger bei Tunis auf (552) und durchzog das reiche Thal des
Bagradas (Medscherda), indem er den Ortschaften keine Ca-
pitulation mehr gewährte, sondern die Einwohnerschaften der
Flecken und Städte in Masse aufgreifen und verkaufen liess.
Schon war er tief ins Binnenland eingedrungen und stand bei
Naraggara (westlich von Sicca, jetzt Kaf, bei Kas o Dschaber),
als Hannibal, der ihm von Hadrumetum aus entgegengezogen
war, mit ihm zusammentraf. Der punische Feldherr versuchte
den römischen in einer persönlichen Zusammenkunft zu be-
stimmen bessere Bedingungen zu gewähren; allein Scipio, der
schon bis an die äusserste Grenze der Concessionen gegangen
war, konnte unmöglich nach dem Bruch des Waffenstillstandes
zu weiterer Nachgiebigkeit sich verstehen, und es ist nicht glaub-
lich, dass Hannibal bei diesem Schritt etwas Anderes bezweckte
als der Menge zu zeigen, dass die Patrioten keineswegs unbe-
dingt gegen den Frieden seien. Die Conferenz führte zu kei-
nem Ergebniss und so kam es zu der Entscheidungsschlacht
bei Zama (vermuthlich unweit Sicca *). In drei Linien ord-

* Weder Ort noch Zeit der Schlacht sind hinreichend festgestellt. Jener
wird doch wohl kein anderer sein, als das bekannte Zama regia; die Zeit
etwa das Frühjahr 552. Die Bestimmung des Tages auf den 19. October
wegen der Sonnenfinsterniss ist nicht zuverlässig.

DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
Waffenstillstandes, sondern auf eigene Verantwortlichkeit und
Gefahr. So stand der letzte von Hamilkars ‚Löwenbrut‘ aber-
mals auf dem Boden der Heimath, die er fast noch ein Knabe
verlassen hatte um seine groſsartige und doch so durchaus
vergebliche Heldenlaufbahn zu beginnen und westwärts auszie-
hend von Osten her heimzukehren, rings um die karthagische
See einen weiten Siegeskreis beschreibend. Jetzt, wo ge-
schehen war was er hatte verhüten wollen und was er ver-
hütet hätte, wenn er gedurft, jetzt sollte er, wenn möglich,
retten und helfen; und er that es ohne zu klagen und zu
schelten. Mit seiner Ankunft trat die Patriotenpartei offen auf;
das schändliche Urtheil gegen Hasdrubal ward cassirt, neue
Verbindungen mit den numidischen Scheiks durch Hannibals
Gewandtheit angeknüpft und nicht bloſs dem thatsächlich ab-
geschlossenen Frieden in der Volksversammlung die Bestäti-
gung verweigert, sondern auch durch die Plünderung einer
an der africanischen Küste gestrandeten römischen Transport-
flotte, ja sogar durch den Ueberfall eines römische Gesandte
führenden römischen Kriegsschiffs der Waffenstillstand gebro-
chen. In gerechter Erbitterung brach Scipio aus seinem La-
ger bei Tunis auf (552) und durchzog das reiche Thal des
Bagradas (Medscherda), indem er den Ortschaften keine Ca-
pitulation mehr gewährte, sondern die Einwohnerschaften der
Flecken und Städte in Masse aufgreifen und verkaufen lieſs.
Schon war er tief ins Binnenland eingedrungen und stand bei
Naraggara (westlich von Sicca, jetzt Kaf, bei Kas o Dschaber),
als Hannibal, der ihm von Hadrumetum aus entgegengezogen
war, mit ihm zusammentraf. Der punische Feldherr versuchte
den römischen in einer persönlichen Zusammenkunft zu be-
stimmen bessere Bedingungen zu gewähren; allein Scipio, der
schon bis an die äuſserste Grenze der Concessionen gegangen
war, konnte unmöglich nach dem Bruch des Waffenstillstandes
zu weiterer Nachgiebigkeit sich verstehen, und es ist nicht glaub-
lich, daſs Hannibal bei diesem Schritt etwas Anderes bezweckte
als der Menge zu zeigen, daſs die Patrioten keineswegs unbe-
dingt gegen den Frieden seien. Die Conferenz führte zu kei-
nem Ergebniſs und so kam es zu der Entscheidungsschlacht
bei Zama (vermuthlich unweit Sicca *). In drei Linien ord-

* Weder Ort noch Zeit der Schlacht sind hinreichend festgestellt. Jener
wird doch wohl kein anderer sein, als das bekannte Zama regia; die Zeit
etwa das Frühjahr 552. Die Bestimmung des Tages auf den 19. October
wegen der Sonnenfinsterniſs ist nicht zuverlässig.
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[476/0490] DRITTES BUCH. KAPITEL VI. Waffenstillstandes, sondern auf eigene Verantwortlichkeit und Gefahr. So stand der letzte von Hamilkars ‚Löwenbrut‘ aber- mals auf dem Boden der Heimath, die er fast noch ein Knabe verlassen hatte um seine groſsartige und doch so durchaus vergebliche Heldenlaufbahn zu beginnen und westwärts auszie- hend von Osten her heimzukehren, rings um die karthagische See einen weiten Siegeskreis beschreibend. Jetzt, wo ge- schehen war was er hatte verhüten wollen und was er ver- hütet hätte, wenn er gedurft, jetzt sollte er, wenn möglich, retten und helfen; und er that es ohne zu klagen und zu schelten. Mit seiner Ankunft trat die Patriotenpartei offen auf; das schändliche Urtheil gegen Hasdrubal ward cassirt, neue Verbindungen mit den numidischen Scheiks durch Hannibals Gewandtheit angeknüpft und nicht bloſs dem thatsächlich ab- geschlossenen Frieden in der Volksversammlung die Bestäti- gung verweigert, sondern auch durch die Plünderung einer an der africanischen Küste gestrandeten römischen Transport- flotte, ja sogar durch den Ueberfall eines römische Gesandte führenden römischen Kriegsschiffs der Waffenstillstand gebro- chen. In gerechter Erbitterung brach Scipio aus seinem La- ger bei Tunis auf (552) und durchzog das reiche Thal des Bagradas (Medscherda), indem er den Ortschaften keine Ca- pitulation mehr gewährte, sondern die Einwohnerschaften der Flecken und Städte in Masse aufgreifen und verkaufen lieſs. Schon war er tief ins Binnenland eingedrungen und stand bei Naraggara (westlich von Sicca, jetzt Kaf, bei Kas o Dschaber), als Hannibal, der ihm von Hadrumetum aus entgegengezogen war, mit ihm zusammentraf. Der punische Feldherr versuchte den römischen in einer persönlichen Zusammenkunft zu be- stimmen bessere Bedingungen zu gewähren; allein Scipio, der schon bis an die äuſserste Grenze der Concessionen gegangen war, konnte unmöglich nach dem Bruch des Waffenstillstandes zu weiterer Nachgiebigkeit sich verstehen, und es ist nicht glaub- lich, daſs Hannibal bei diesem Schritt etwas Anderes bezweckte als der Menge zu zeigen, daſs die Patrioten keineswegs unbe- dingt gegen den Frieden seien. Die Conferenz führte zu kei- nem Ergebniſs und so kam es zu der Entscheidungsschlacht bei Zama (vermuthlich unweit Sicca *). In drei Linien ord- * Weder Ort noch Zeit der Schlacht sind hinreichend festgestellt. Jener wird doch wohl kein anderer sein, als das bekannte Zama regia; die Zeit etwa das Frühjahr 552. Die Bestimmung des Tages auf den 19. October wegen der Sonnenfinsterniſs ist nicht zuverlässig.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/490>, abgerufen am 24.11.2024.