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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DER WESTEN NACH DEM HANNIBALISCHEN FRIEDEN.
grossen Schlacht, in der der punische Führer wohl versuchte
durch geschickte und kriegsmässige Leitung die Inferiorität
seiner Truppen zu ersetzen; aber trotz Hamilkars Führung
hielten die Gallier dem Andrang der Legionen nicht Stand
und flohen in wilder Verwirrung. Unter den zahlreichen Tod-
ten war auch der karthagische Offizier. Indess setzten die
Kelten den Kampf fort; dasselbe Heer, welches bei Cremona
gesiegt, wurde das nächste Jahr (555), hauptsächlich durch
die Schuld des sorglosen Führers, von den Insubrern fast
aufgerieben und erst 556 konnte Placentia nothdürftig wieder
hergestellt werden. Aber der Bund der zu dem Verzweiflungs-
kampf vereinigten Cantone ward in sich uneins; die Boier
und die Insubrer geriethen in Zwist und die Cenomanen tra-
ten nicht bloss zurück von dem Nationalbunde, sondern er-
kauften auch die Verzeihung von den Römern durch schimpf-
lichen Verrath der Landsleute, indem sie während einer
Schlacht, die die Insubrer den Römern am Mincius lieferten,
ihre Bundes- und Kampfgenossen von hinten angriffen und
aufreiben halfen (557). So gedemüthigt und im Stich gelassen
bequemten sich die Insubrer nach dem Fall von Comum gleich-
falls zu einem Sonderfrieden (558). Die Bedingungen, welche
Rom den Cenomanen und Insubrern vorschrieb, waren aller-
dings härter, als sie den Gliedern der italischen Eidgenossen-
schaft gewährt zu werden pflegten; namentlich vergass man
nicht die Scheidewand zwischen Italikern und Kelten gesetzlich
zu befestigen und zu verordnen, dass nie ein Bürger dieser
beiden Keltenstämme das römische Bürgerrecht solle gewinnen
können. Indess liess man ihnen ihre Existenz; ihr Gebiet,
in das die räuberischen Alpenbewohner regelmässige Razzias
zu machen pflegten, ward nicht zu dem der Eidgenossenschaft
gezogen, welches vielmehr der Po begrenzte. Wie rasch übri-
gens die Latinisirung dieser Keltenlandschaften vorschritt, be-
weist das Zeugniss des Polybios, der etwa vierzig Jahre später
diese Gegenden bereiste, dass daselbst nur noch wenige Dörfer
unter den Alpen keltisch geblieben seien -- ein Bericht, der
übertrieben scheint, aber auch so beweist, dass die Cultur-
stufe, auf der diese Kelten standen, eine bei weitem niedri-
gere war als die der Sabeller und Etrusker. Die Veneter
dagegen scheinen ihre Nationalität länger behauptet zu haben.
-- Das hauptsächliche Bestreben der Römer war in diesen
Landschaften begreiflicher Weise darauf gerichtet dem Nach-
rücken der transalpinischen Kelten zu steuern und die natür-

DER WESTEN NACH DEM HANNIBALISCHEN FRIEDEN.
groſsen Schlacht, in der der punische Führer wohl versuchte
durch geschickte und kriegsmäſsige Leitung die Inferiorität
seiner Truppen zu ersetzen; aber trotz Hamilkars Führung
hielten die Gallier dem Andrang der Legionen nicht Stand
und flohen in wilder Verwirrung. Unter den zahlreichen Tod-
ten war auch der karthagische Offizier. Indeſs setzten die
Kelten den Kampf fort; dasselbe Heer, welches bei Cremona
gesiegt, wurde das nächste Jahr (555), hauptsächlich durch
die Schuld des sorglosen Führers, von den Insubrern fast
aufgerieben und erst 556 konnte Placentia nothdürftig wieder
hergestellt werden. Aber der Bund der zu dem Verzweiflungs-
kampf vereinigten Cantone ward in sich uneins; die Boier
und die Insubrer geriethen in Zwist und die Cenomanen tra-
ten nicht bloſs zurück von dem Nationalbunde, sondern er-
kauften auch die Verzeihung von den Römern durch schimpf-
lichen Verrath der Landsleute, indem sie während einer
Schlacht, die die Insubrer den Römern am Mincius lieferten,
ihre Bundes- und Kampfgenossen von hinten angriffen und
aufreiben halfen (557). So gedemüthigt und im Stich gelassen
bequemten sich die Insubrer nach dem Fall von Comum gleich-
falls zu einem Sonderfrieden (558). Die Bedingungen, welche
Rom den Cenomanen und Insubrern vorschrieb, waren aller-
dings härter, als sie den Gliedern der italischen Eidgenossen-
schaft gewährt zu werden pflegten; namentlich vergaſs man
nicht die Scheidewand zwischen Italikern und Kelten gesetzlich
zu befestigen und zu verordnen, daſs nie ein Bürger dieser
beiden Keltenstämme das römische Bürgerrecht solle gewinnen
können. Indeſs lieſs man ihnen ihre Existenz; ihr Gebiet,
in das die räuberischen Alpenbewohner regelmäſsige Razzias
zu machen pflegten, ward nicht zu dem der Eidgenossenschaft
gezogen, welches vielmehr der Po begrenzte. Wie rasch übri-
gens die Latinisirung dieser Keltenlandschaften vorschritt, be-
weist das Zeugniſs des Polybios, der etwa vierzig Jahre später
diese Gegenden bereiste, daſs daselbst nur noch wenige Dörfer
unter den Alpen keltisch geblieben seien — ein Bericht, der
übertrieben scheint, aber auch so beweist, daſs die Cultur-
stufe, auf der diese Kelten standen, eine bei weitem niedri-
gere war als die der Sabeller und Etrusker. Die Veneter
dagegen scheinen ihre Nationalität länger behauptet zu haben.
— Das hauptsächliche Bestreben der Römer war in diesen
Landschaften begreiflicher Weise darauf gerichtet dem Nach-
rücken der transalpinischen Kelten zu steuern und die natür-

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[485/0499] DER WESTEN NACH DEM HANNIBALISCHEN FRIEDEN. groſsen Schlacht, in der der punische Führer wohl versuchte durch geschickte und kriegsmäſsige Leitung die Inferiorität seiner Truppen zu ersetzen; aber trotz Hamilkars Führung hielten die Gallier dem Andrang der Legionen nicht Stand und flohen in wilder Verwirrung. Unter den zahlreichen Tod- ten war auch der karthagische Offizier. Indeſs setzten die Kelten den Kampf fort; dasselbe Heer, welches bei Cremona gesiegt, wurde das nächste Jahr (555), hauptsächlich durch die Schuld des sorglosen Führers, von den Insubrern fast aufgerieben und erst 556 konnte Placentia nothdürftig wieder hergestellt werden. Aber der Bund der zu dem Verzweiflungs- kampf vereinigten Cantone ward in sich uneins; die Boier und die Insubrer geriethen in Zwist und die Cenomanen tra- ten nicht bloſs zurück von dem Nationalbunde, sondern er- kauften auch die Verzeihung von den Römern durch schimpf- lichen Verrath der Landsleute, indem sie während einer Schlacht, die die Insubrer den Römern am Mincius lieferten, ihre Bundes- und Kampfgenossen von hinten angriffen und aufreiben halfen (557). So gedemüthigt und im Stich gelassen bequemten sich die Insubrer nach dem Fall von Comum gleich- falls zu einem Sonderfrieden (558). Die Bedingungen, welche Rom den Cenomanen und Insubrern vorschrieb, waren aller- dings härter, als sie den Gliedern der italischen Eidgenossen- schaft gewährt zu werden pflegten; namentlich vergaſs man nicht die Scheidewand zwischen Italikern und Kelten gesetzlich zu befestigen und zu verordnen, daſs nie ein Bürger dieser beiden Keltenstämme das römische Bürgerrecht solle gewinnen können. Indeſs lieſs man ihnen ihre Existenz; ihr Gebiet, in das die räuberischen Alpenbewohner regelmäſsige Razzias zu machen pflegten, ward nicht zu dem der Eidgenossenschaft gezogen, welches vielmehr der Po begrenzte. Wie rasch übri- gens die Latinisirung dieser Keltenlandschaften vorschritt, be- weist das Zeugniſs des Polybios, der etwa vierzig Jahre später diese Gegenden bereiste, daſs daselbst nur noch wenige Dörfer unter den Alpen keltisch geblieben seien — ein Bericht, der übertrieben scheint, aber auch so beweist, daſs die Cultur- stufe, auf der diese Kelten standen, eine bei weitem niedri- gere war als die der Sabeller und Etrusker. Die Veneter dagegen scheinen ihre Nationalität länger behauptet zu haben. — Das hauptsächliche Bestreben der Römer war in diesen Landschaften begreiflicher Weise darauf gerichtet dem Nach- rücken der transalpinischen Kelten zu steuern und die natür-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/499>, abgerufen am 26.11.2024.