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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DER WESTEN NACH DEM HANNIBALISCHEN FRIEDEN.
Spanien die gewöhnliche Station ward. Gegen die westliche-
ren ligurischen Stämme, die die genuesischen Apenninen und
die Seealpen inne hatten, ruhten die Kämpfe nie. Es waren
unbequeme Nachbaren, die zu Lande und zur See zu plündern
pflegten; die Pisaner und die Massalioten hatten von ihren
Einfällen und ihren Corsarenschiffen nicht wenig zu leiden.
Bleibende Ergebnisse wurden indess bei den ewigen Fehden
nicht gewonnen und vielleicht auch nicht bezweckt; ausser
dass man, wie es scheint, darauf ausging den Landweg nach
Spanien freizumachen und die grosse Küstenstrasse von Luna
über Massalia nach Emporiae wenigstens bis an die Alpen
sich zu bahnen; jenseits der Alpen war es die Aufgabe der
Massalioten den römischen Schiffen die Küstenfahrt und den
Landreisenden die Uferstrasse offen zu halten. Das Binnen-
land mit seinen unwegsamen Thälern und seinen Felsen-
nestern, mit seinen armen, aber gewandten und verschlagenen
Bewohnern diente den Römern hauptsächlich als Kriegsschule
zur Uebung und Abhärtung der Soldaten wie der Offiziere. --
Aehnliche sogenannte Kriege wie gegen die Ligurer führte
man gegen die Corsen und mehr noch gegen die Bewohner
des innern Sardinien, welche die gegen sie gerichteten Raub-
züge durch Ueberfälle der Küstenlandschaft vergalten. Im
Andenken geblieben ist die Expedition des Tiberius Gracchus
gegen die Sarden 577, nicht so sehr weil er der Provinz den
,Frieden' gab, sondern weil er bis 80000 der Insulaner er-
schlagen oder gefangen zu haben behauptete und Sclaven von
dort in solcher Masse nach Rom schleppte, dass es Sprich-
wort ward ,spottwohlfeil wie ein Sarde'.

In Africa, wo die Römer unmittelbare Besitzungen nicht
hatten noch haben wollten, ging ihr Bestreben dahin unter
den libyschen Eingebornen, den natürlichen Feinden ihrer
phoenikischen Zwingherren, einen Staat grosszuziehen, nicht
bedeutend genug, um ohne Roms Schutz etwas zu vermögen,
doch genügend, um Karthagos Macht, nachdem dieselbe ausser-
halb Africa vernichtet worden war, auch in Libyen so einzu-
schnüren, dass es der gequälten Stadt unmöglich werde sich
je wieder zu rühren. Der hiezu ausersehene unter den ein-
gebornen Häuptlingen war der Herr von Cirta Massinissa, bis-
her der schwächere Nebenbuhler des mächtigsten westafrica-
nischen Scheiks Syphax von Siga. Der letztere, der für
Karthago Partei ergriffen, war in dem letzten Krieg überwun-
den und gefangen nach Italien abgeführt worden, wo er in

DER WESTEN NACH DEM HANNIBALISCHEN FRIEDEN.
Spanien die gewöhnliche Station ward. Gegen die westliche-
ren ligurischen Stämme, die die genuesischen Apenninen und
die Seealpen inne hatten, ruhten die Kämpfe nie. Es waren
unbequeme Nachbaren, die zu Lande und zur See zu plündern
pflegten; die Pisaner und die Massalioten hatten von ihren
Einfällen und ihren Corsarenschiffen nicht wenig zu leiden.
Bleibende Ergebnisse wurden indeſs bei den ewigen Fehden
nicht gewonnen und vielleicht auch nicht bezweckt; auſser
daſs man, wie es scheint, darauf ausging den Landweg nach
Spanien freizumachen und die groſse Küstenstraſse von Luna
über Massalia nach Emporiae wenigstens bis an die Alpen
sich zu bahnen; jenseits der Alpen war es die Aufgabe der
Massalioten den römischen Schiffen die Küstenfahrt und den
Landreisenden die Uferstraſse offen zu halten. Das Binnen-
land mit seinen unwegsamen Thälern und seinen Felsen-
nestern, mit seinen armen, aber gewandten und verschlagenen
Bewohnern diente den Römern hauptsächlich als Kriegsschule
zur Uebung und Abhärtung der Soldaten wie der Offiziere. —
Aehnliche sogenannte Kriege wie gegen die Ligurer führte
man gegen die Corsen und mehr noch gegen die Bewohner
des innern Sardinien, welche die gegen sie gerichteten Raub-
züge durch Ueberfälle der Küstenlandschaft vergalten. Im
Andenken geblieben ist die Expedition des Tiberius Gracchus
gegen die Sarden 577, nicht so sehr weil er der Provinz den
‚Frieden‘ gab, sondern weil er bis 80000 der Insulaner er-
schlagen oder gefangen zu haben behauptete und Sclaven von
dort in solcher Masse nach Rom schleppte, daſs es Sprich-
wort ward ‚spottwohlfeil wie ein Sarde‘.

In Africa, wo die Römer unmittelbare Besitzungen nicht
hatten noch haben wollten, ging ihr Bestreben dahin unter
den libyschen Eingebornen, den natürlichen Feinden ihrer
phoenikischen Zwingherren, einen Staat groſszuziehen, nicht
bedeutend genug, um ohne Roms Schutz etwas zu vermögen,
doch genügend, um Karthagos Macht, nachdem dieselbe auſser-
halb Africa vernichtet worden war, auch in Libyen so einzu-
schnüren, daſs es der gequälten Stadt unmöglich werde sich
je wieder zu rühren. Der hiezu ausersehene unter den ein-
gebornen Häuptlingen war der Herr von Cirta Massinissa, bis-
her der schwächere Nebenbuhler des mächtigsten westafrica-
nischen Scheiks Syphax von Siga. Der letztere, der für
Karthago Partei ergriffen, war in dem letzten Krieg überwun-
den und gefangen nach Italien abgeführt worden, wo er in

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[489/0503] DER WESTEN NACH DEM HANNIBALISCHEN FRIEDEN. Spanien die gewöhnliche Station ward. Gegen die westliche- ren ligurischen Stämme, die die genuesischen Apenninen und die Seealpen inne hatten, ruhten die Kämpfe nie. Es waren unbequeme Nachbaren, die zu Lande und zur See zu plündern pflegten; die Pisaner und die Massalioten hatten von ihren Einfällen und ihren Corsarenschiffen nicht wenig zu leiden. Bleibende Ergebnisse wurden indeſs bei den ewigen Fehden nicht gewonnen und vielleicht auch nicht bezweckt; auſser daſs man, wie es scheint, darauf ausging den Landweg nach Spanien freizumachen und die groſse Küstenstraſse von Luna über Massalia nach Emporiae wenigstens bis an die Alpen sich zu bahnen; jenseits der Alpen war es die Aufgabe der Massalioten den römischen Schiffen die Küstenfahrt und den Landreisenden die Uferstraſse offen zu halten. Das Binnen- land mit seinen unwegsamen Thälern und seinen Felsen- nestern, mit seinen armen, aber gewandten und verschlagenen Bewohnern diente den Römern hauptsächlich als Kriegsschule zur Uebung und Abhärtung der Soldaten wie der Offiziere. — Aehnliche sogenannte Kriege wie gegen die Ligurer führte man gegen die Corsen und mehr noch gegen die Bewohner des innern Sardinien, welche die gegen sie gerichteten Raub- züge durch Ueberfälle der Küstenlandschaft vergalten. Im Andenken geblieben ist die Expedition des Tiberius Gracchus gegen die Sarden 577, nicht so sehr weil er der Provinz den ‚Frieden‘ gab, sondern weil er bis 80000 der Insulaner er- schlagen oder gefangen zu haben behauptete und Sclaven von dort in solcher Masse nach Rom schleppte, daſs es Sprich- wort ward ‚spottwohlfeil wie ein Sarde‘. In Africa, wo die Römer unmittelbare Besitzungen nicht hatten noch haben wollten, ging ihr Bestreben dahin unter den libyschen Eingebornen, den natürlichen Feinden ihrer phoenikischen Zwingherren, einen Staat groſszuziehen, nicht bedeutend genug, um ohne Roms Schutz etwas zu vermögen, doch genügend, um Karthagos Macht, nachdem dieselbe auſser- halb Africa vernichtet worden war, auch in Libyen so einzu- schnüren, daſs es der gequälten Stadt unmöglich werde sich je wieder zu rühren. Der hiezu ausersehene unter den ein- gebornen Häuptlingen war der Herr von Cirta Massinissa, bis- her der schwächere Nebenbuhler des mächtigsten westafrica- nischen Scheiks Syphax von Siga. Der letztere, der für Karthago Partei ergriffen, war in dem letzten Krieg überwun- den und gefangen nach Italien abgeführt worden, wo er in

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/503>, abgerufen am 22.11.2024.