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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL VII.
der Haft starb; sein Sohn Vermina erlangte durch demüthiges
Bitten von den Römern den Besitz eines kleinen Theils des
väterlichen Gebiets (554), allein er vermochte nicht den Mas-
sinissa um die Stellung des bevorzugten Drängers von Kar-
thago zu bringen, welche diesem das ältere römische Bünd-
niss zuwarf. Massinissa nutzte zur Erweiterung seiner Macht
sorgfältig die Gunst, deren er in Rom genoss und welche die
Römer bei allen Gelegenheiten mit absichtlicher Deutlichkeit
hervortreten liessen, so dass man sogar ihm die Ehre erwies,
die nichtitalischen Bundesgenossen nicht leicht ausserhalb ihrer
Heimath gespendet ward, mit seinen numidischen Reitern
neben den Legionen gegen Philippos fechten zu dürfen, und
ihm schon 554 Gebietserweiterungen in Aussicht stellte --
natürlich auf Kosten Karthagos. Es war das nicht schwer
bei der Unsicherheit der africanischen Grenzverhältnisse, wel-
che theils in der Natur der Landschaft, theils vielleicht auch
in der Absicht der römischen Ordner begründet war; die Be-
stimmung des Friedensvertrags, die den Karthagern zwar ihr
Gebiet ungeschmälert liess, aber Massinissa alle diejenigen
Besitzungen garantirte, die er oder sein Vorweser innerhalb
der karthagischen Grenzen besessen hatten, sieht fast so aus,
als wäre sie da um Controversen nicht zu heben, sondern
zu wecken. Aehnlich steht es mit der durch den römischen
Friedenstractat den Karthagern auferlegten Verpflichtung nicht
gegen römische Bundesgenossen Krieg zu führen, so dass sie
nach dem Wortlaut des Vertrags nicht einmal aus ihrem eige-
nen und unbestrittenen Gebiet den numidischen Nachbar zu
vertreiben befugt waren. Unter solchen Verhältnissen und
bei der Parteilichkeit der einzigen Macht, die hier als Schieds-
richter einschreiten konnte, ist die peinliche Lage Karthagos
begreiflich. Schon 561 sah Karthago sich unter nichtigen
Vorwänden überfallen und den reichsten Theil seines Gebiets,
die Landschaft Emporiae an der kleinen Syrte, theils von den
Numidiern geplündert, theils sogar von ihnen in Besitz ge-
nommen. So gingen die Uebergriffe beständig weiter; das
platte Land kam in die Hände der Numidier und mit Mühe
behaupteten die Karthager sich in den grösseren Ortschaften.
Alle Bitten und Beschwerden hatten nur den Erfolg, dass
entweder römische Commissionen in Africa erschienen, die
nach gründlicher Untersuchung zu keiner Entscheidung kamen,
oder bei den Verhandlungen in Rom die Beauftragten Massi-
nissas Mangel an Instructionen vorschützten und die Sache

DRITTES BUCH. KAPITEL VII.
der Haft starb; sein Sohn Vermina erlangte durch demüthiges
Bitten von den Römern den Besitz eines kleinen Theils des
väterlichen Gebiets (554), allein er vermochte nicht den Mas-
sinissa um die Stellung des bevorzugten Drängers von Kar-
thago zu bringen, welche diesem das ältere römische Bünd-
niſs zuwarf. Massinissa nutzte zur Erweiterung seiner Macht
sorgfältig die Gunst, deren er in Rom genoſs und welche die
Römer bei allen Gelegenheiten mit absichtlicher Deutlichkeit
hervortreten lieſsen, so daſs man sogar ihm die Ehre erwies,
die nichtitalischen Bundesgenossen nicht leicht auſserhalb ihrer
Heimath gespendet ward, mit seinen numidischen Reitern
neben den Legionen gegen Philippos fechten zu dürfen, und
ihm schon 554 Gebietserweiterungen in Aussicht stellte —
natürlich auf Kosten Karthagos. Es war das nicht schwer
bei der Unsicherheit der africanischen Grenzverhältnisse, wel-
che theils in der Natur der Landschaft, theils vielleicht auch
in der Absicht der römischen Ordner begründet war; die Be-
stimmung des Friedensvertrags, die den Karthagern zwar ihr
Gebiet ungeschmälert lieſs, aber Massinissa alle diejenigen
Besitzungen garantirte, die er oder sein Vorweser innerhalb
der karthagischen Grenzen besessen hatten, sieht fast so aus,
als wäre sie da um Controversen nicht zu heben, sondern
zu wecken. Aehnlich steht es mit der durch den römischen
Friedenstractat den Karthagern auferlegten Verpflichtung nicht
gegen römische Bundesgenossen Krieg zu führen, so daſs sie
nach dem Wortlaut des Vertrags nicht einmal aus ihrem eige-
nen und unbestrittenen Gebiet den numidischen Nachbar zu
vertreiben befugt waren. Unter solchen Verhältnissen und
bei der Parteilichkeit der einzigen Macht, die hier als Schieds-
richter einschreiten konnte, ist die peinliche Lage Karthagos
begreiflich. Schon 561 sah Karthago sich unter nichtigen
Vorwänden überfallen und den reichsten Theil seines Gebiets,
die Landschaft Emporiae an der kleinen Syrte, theils von den
Numidiern geplündert, theils sogar von ihnen in Besitz ge-
nommen. So gingen die Uebergriffe beständig weiter; das
platte Land kam in die Hände der Numidier und mit Mühe
behaupteten die Karthager sich in den gröſseren Ortschaften.
Alle Bitten und Beschwerden hatten nur den Erfolg, daſs
entweder römische Commissionen in Africa erschienen, die
nach gründlicher Untersuchung zu keiner Entscheidung kamen,
oder bei den Verhandlungen in Rom die Beauftragten Massi-
nissas Mangel an Instructionen vorschützten und die Sache

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[490/0504] DRITTES BUCH. KAPITEL VII. der Haft starb; sein Sohn Vermina erlangte durch demüthiges Bitten von den Römern den Besitz eines kleinen Theils des väterlichen Gebiets (554), allein er vermochte nicht den Mas- sinissa um die Stellung des bevorzugten Drängers von Kar- thago zu bringen, welche diesem das ältere römische Bünd- niſs zuwarf. Massinissa nutzte zur Erweiterung seiner Macht sorgfältig die Gunst, deren er in Rom genoſs und welche die Römer bei allen Gelegenheiten mit absichtlicher Deutlichkeit hervortreten lieſsen, so daſs man sogar ihm die Ehre erwies, die nichtitalischen Bundesgenossen nicht leicht auſserhalb ihrer Heimath gespendet ward, mit seinen numidischen Reitern neben den Legionen gegen Philippos fechten zu dürfen, und ihm schon 554 Gebietserweiterungen in Aussicht stellte — natürlich auf Kosten Karthagos. Es war das nicht schwer bei der Unsicherheit der africanischen Grenzverhältnisse, wel- che theils in der Natur der Landschaft, theils vielleicht auch in der Absicht der römischen Ordner begründet war; die Be- stimmung des Friedensvertrags, die den Karthagern zwar ihr Gebiet ungeschmälert lieſs, aber Massinissa alle diejenigen Besitzungen garantirte, die er oder sein Vorweser innerhalb der karthagischen Grenzen besessen hatten, sieht fast so aus, als wäre sie da um Controversen nicht zu heben, sondern zu wecken. Aehnlich steht es mit der durch den römischen Friedenstractat den Karthagern auferlegten Verpflichtung nicht gegen römische Bundesgenossen Krieg zu führen, so daſs sie nach dem Wortlaut des Vertrags nicht einmal aus ihrem eige- nen und unbestrittenen Gebiet den numidischen Nachbar zu vertreiben befugt waren. Unter solchen Verhältnissen und bei der Parteilichkeit der einzigen Macht, die hier als Schieds- richter einschreiten konnte, ist die peinliche Lage Karthagos begreiflich. Schon 561 sah Karthago sich unter nichtigen Vorwänden überfallen und den reichsten Theil seines Gebiets, die Landschaft Emporiae an der kleinen Syrte, theils von den Numidiern geplündert, theils sogar von ihnen in Besitz ge- nommen. So gingen die Uebergriffe beständig weiter; das platte Land kam in die Hände der Numidier und mit Mühe behaupteten die Karthager sich in den gröſseren Ortschaften. Alle Bitten und Beschwerden hatten nur den Erfolg, daſs entweder römische Commissionen in Africa erschienen, die nach gründlicher Untersuchung zu keiner Entscheidung kamen, oder bei den Verhandlungen in Rom die Beauftragten Massi- nissas Mangel an Instructionen vorschützten und die Sache

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/504>, abgerufen am 22.11.2024.