Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL VIII. zeit unter einer Reihe von Kleinstädten gleichen Schlageshervor. -- Nachhaltiger war die Macht der aetolischen Eid- genossenschaft; das kräftige Nordgriechenthum war hier noch ungebrochen, aber freilich ausgeartet in wüste Zucht- und Regimentlosigkeit -- es war Staatsgrundsatz, dass der aetoli- sche Mann gegen jeden, selbst gegen einen mit den Aetolern verbündeten Staat als Reisläufer dienen könne, und auf die dringenden Bitten der übrigen Griechen dies Unwesen abzu- stellen, erklärte die Tagsatzung, eher könne man Aetolien aus Aetolien wegschaffen als diesen Grundsatz aus ihrem Land- recht. Die Aetoler hätten dem griechischen Volke von gro- ssem Nutzen sein können, wenn sie nicht durch diese orga- nisirte Räuberwirthschaft, durch ihre gründliche Verfeindung mit der achaeischen Eidgenossenschaft und durch die unselige Opposition gegen den makedonischen Grossstaat ihrer Nation noch viel mehr geschadet hätten. -- Im Peloponnes hatte der achaeische Bund die besten Elemente des eigentlichen Grie- chenlands zusammengefasst zu einer auf Gesittung, National- sinn und friedliche Schlagfertigkeit gegründeten Eidgenossen- schaft. Indess die Blüthe und namentlich die Wehrhaftigkeit derselben war trotz der äusserlichen Erweiterung geknickt worden durch Aratos diplomatischen Egoismus, welcher den achaeischen Bund durch die leidigen Verwicklungen mit Sparta und die noch leidigere Anrufung makedonischer Intervention im Peloponnes der makedonischen Suprematie so vollständig unterworfen hatte, dass die Hauptfestungen der Landschaft seitdem makedonische Besatzungen empfingen und dort jähr- lich Philippos der Eid der Treue geschworen wurde. Die schwächeren Staaten im Peloponnes, Elis, Messene und Sparta wurden durch ihre alte namentlich durch Grenzstreitigkeiten genährte Verfeindung mit der achaeischen Eidgenossenschaft in ihrer Politik bestimmt und waren aetolisch und antimakedo- nisch gesinnt, weil die Achaeer es mit Philippos hielten. Einige Bedeutung unter diesen Staaten hatte einzig das spartanische Soldatenkönigthum, das nach dem Tode des Machanidas an einen gewissen Nabis gekommen war; er stützte sich immer dreister auf die Vagabunden und fahrenden Söldner, denen er nicht bloss die Häuser und Aecker, sondern auch die Frauen und Kinder der Bürger überwies, und unterhielt ämsig Verbindungen, ja schloss geradezu eine Association zum See- raub auf gemeinschaftliche Rechnung mit der grossen Söldner- und Piratenherberge, der Insel Kreta, wo er auch einige Ort- DRITTES BUCH. KAPITEL VIII. zeit unter einer Reihe von Kleinstädten gleichen Schlageshervor. — Nachhaltiger war die Macht der aetolischen Eid- genossenschaft; das kräftige Nordgriechenthum war hier noch ungebrochen, aber freilich ausgeartet in wüste Zucht- und Regimentlosigkeit — es war Staatsgrundsatz, daſs der aetoli- sche Mann gegen jeden, selbst gegen einen mit den Aetolern verbündeten Staat als Reisläufer dienen könne, und auf die dringenden Bitten der übrigen Griechen dies Unwesen abzu- stellen, erklärte die Tagsatzung, eher könne man Aetolien aus Aetolien wegschaffen als diesen Grundsatz aus ihrem Land- recht. Die Aetoler hätten dem griechischen Volke von gro- ſsem Nutzen sein können, wenn sie nicht durch diese orga- nisirte Räuberwirthschaft, durch ihre gründliche Verfeindung mit der achaeischen Eidgenossenschaft und durch die unselige Opposition gegen den makedonischen Groſsstaat ihrer Nation noch viel mehr geschadet hätten. — Im Peloponnes hatte der achaeische Bund die besten Elemente des eigentlichen Grie- chenlands zusammengefaſst zu einer auf Gesittung, National- sinn und friedliche Schlagfertigkeit gegründeten Eidgenossen- schaft. Indeſs die Blüthe und namentlich die Wehrhaftigkeit derselben war trotz der äuſserlichen Erweiterung geknickt worden durch Aratos diplomatischen Egoismus, welcher den achaeischen Bund durch die leidigen Verwicklungen mit Sparta und die noch leidigere Anrufung makedonischer Intervention im Peloponnes der makedonischen Suprematie so vollständig unterworfen hatte, daſs die Hauptfestungen der Landschaft seitdem makedonische Besatzungen empfingen und dort jähr- lich Philippos der Eid der Treue geschworen wurde. Die schwächeren Staaten im Peloponnes, Elis, Messene und Sparta wurden durch ihre alte namentlich durch Grenzstreitigkeiten genährte Verfeindung mit der achaeischen Eidgenossenschaft in ihrer Politik bestimmt und waren aetolisch und antimakedo- nisch gesinnt, weil die Achaeer es mit Philippos hielten. Einige Bedeutung unter diesen Staaten hatte einzig das spartanische Soldatenkönigthum, das nach dem Tode des Machanidas an einen gewissen Nabis gekommen war; er stützte sich immer dreister auf die Vagabunden und fahrenden Söldner, denen er nicht bloſs die Häuser und Aecker, sondern auch die Frauen und Kinder der Bürger überwies, und unterhielt ämsig Verbindungen, ja schloſs geradezu eine Association zum See- raub auf gemeinschaftliche Rechnung mit der groſsen Söldner- und Piratenherberge, der Insel Kreta, wo er auch einige Ort- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0522" n="508"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. 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DRITTES BUCH. KAPITEL VIII.
zeit unter einer Reihe von Kleinstädten gleichen Schlages
hervor. — Nachhaltiger war die Macht der aetolischen Eid-
genossenschaft; das kräftige Nordgriechenthum war hier noch
ungebrochen, aber freilich ausgeartet in wüste Zucht- und
Regimentlosigkeit — es war Staatsgrundsatz, daſs der aetoli-
sche Mann gegen jeden, selbst gegen einen mit den Aetolern
verbündeten Staat als Reisläufer dienen könne, und auf die
dringenden Bitten der übrigen Griechen dies Unwesen abzu-
stellen, erklärte die Tagsatzung, eher könne man Aetolien aus
Aetolien wegschaffen als diesen Grundsatz aus ihrem Land-
recht. Die Aetoler hätten dem griechischen Volke von gro-
ſsem Nutzen sein können, wenn sie nicht durch diese orga-
nisirte Räuberwirthschaft, durch ihre gründliche Verfeindung
mit der achaeischen Eidgenossenschaft und durch die unselige
Opposition gegen den makedonischen Groſsstaat ihrer Nation
noch viel mehr geschadet hätten. — Im Peloponnes hatte der
achaeische Bund die besten Elemente des eigentlichen Grie-
chenlands zusammengefaſst zu einer auf Gesittung, National-
sinn und friedliche Schlagfertigkeit gegründeten Eidgenossen-
schaft. Indeſs die Blüthe und namentlich die Wehrhaftigkeit
derselben war trotz der äuſserlichen Erweiterung geknickt
worden durch Aratos diplomatischen Egoismus, welcher den
achaeischen Bund durch die leidigen Verwicklungen mit Sparta
und die noch leidigere Anrufung makedonischer Intervention
im Peloponnes der makedonischen Suprematie so vollständig
unterworfen hatte, daſs die Hauptfestungen der Landschaft
seitdem makedonische Besatzungen empfingen und dort jähr-
lich Philippos der Eid der Treue geschworen wurde. Die
schwächeren Staaten im Peloponnes, Elis, Messene und Sparta
wurden durch ihre alte namentlich durch Grenzstreitigkeiten
genährte Verfeindung mit der achaeischen Eidgenossenschaft in
ihrer Politik bestimmt und waren aetolisch und antimakedo-
nisch gesinnt, weil die Achaeer es mit Philippos hielten. Einige
Bedeutung unter diesen Staaten hatte einzig das spartanische
Soldatenkönigthum, das nach dem Tode des Machanidas an
einen gewissen Nabis gekommen war; er stützte sich immer
dreister auf die Vagabunden und fahrenden Söldner, denen
er nicht bloſs die Häuser und Aecker, sondern auch die
Frauen und Kinder der Bürger überwies, und unterhielt ämsig
Verbindungen, ja schloſs geradezu eine Association zum See-
raub auf gemeinschaftliche Rechnung mit der groſsen Söldner-
und Piratenherberge, der Insel Kreta, wo er auch einige Ort-
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