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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
bei; sie schossen den syrischen Königen bedeutende Summen
vor, deren Rückzahlung später unter den römischen Friedens-
bedingungen eine Rolle spielte, und selbst Gebietserwerbungen
gelangen auf diesem Wege, wie zum Beispiel Aegina, das die
verbündeten Römer und Aetoler im letzten Krieg den Bundes-
genossen Philipps, den Achaeern entrissen hatten, von den
Aetolern, denen es vertragsmässig zufiel, um 30 Talente (45000
Thlr.) an Attalos verkauft ward. Indess trotz des Glanzes des
Hofes und trotz des Titels des Staatsoberhaupts behielt das
pergamenische Gemeinwesen immer etwas vom städtischen
Charakter, wie es denn auch in seiner Politik gewöhnlich
mit den Freistädten zusammenging. Attalos selbst, der Lorenz
von Medici des Alterthums, blieb sein Lebelang ein reicher
Bürgersmann und das Familienleben der Attaliden, aus deren
Hause trotz des Königtitels die Eintracht und Innigkeit nicht
gewichen war, stach sehr ab gegen die wüste Schandwirth-
schaft der adlicheren Dynastien. -- In dem europäischen
Griechenland waren ausser den römischen Besitzungen an der
Ostküste, von denen in der wichtigsten, Kerkyra ein römischer
Beamter residirte, und den vollständig makedonischen Gebieten
noch mehr oder minder im Stande eine eigene Politik zu
verfolgen die Epeiroten, Akarnanen und Aetoler im nördlichen,
die Boeoter und Athener im mittleren Griechenland und die
Achaeer, Lakedaemonier, Messenier und Eleer im Peloponnes. --
Unter diesen waren die Republiken der Epeiroten, Akarnanen
und Boeoter in vielfacher Weise eng an Makedonien geknüpft,
die Akarnanen namentlich, weil sie der von den Aetolern drohen-
den Unterdrückung einzig durch makedonischen Schutz zu ent-
gehen vermochten; von Bedeutung war keine von ihnen. Die
inneren Zustände waren sehr verschieden; wie es zum Theil
aussah, dafür mag als Beispiel dienen, dass bei den Boeotern,
wo es freilich am ärgsten zuging, es Sitte geworden war
jedes Vermögen, das nicht in gerader Linie vererbte, an die
Kneipgesellschaften zu vermachen und es für die Bewerber
um die Staatsämter manches Jahrzehend die erste Wahlbe-
dingung war, dass sie sich verpflichteten keinem Gläubi-
ger, am wenigsten einem Ausländer, die Ausklagung seiner
Schuldner zu gestatten. -- Die Athener pflegten von Alexan-
dreia aus gegen Makedonien unterstützt zu werden und standen
im engen Bunde mit den Aetolern; auch sie indess waren
völlig machtlos und nur der Nimbus attischer Kunst und
Poesie hob diese unwürdigen Nachfolger einer herrlichen Vor-

DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
bei; sie schossen den syrischen Königen bedeutende Summen
vor, deren Rückzahlung später unter den römischen Friedens-
bedingungen eine Rolle spielte, und selbst Gebietserwerbungen
gelangen auf diesem Wege, wie zum Beispiel Aegina, das die
verbündeten Römer und Aetoler im letzten Krieg den Bundes-
genossen Philipps, den Achaeern entrissen hatten, von den
Aetolern, denen es vertragsmäſsig zufiel, um 30 Talente (45000
Thlr.) an Attalos verkauft ward. Indeſs trotz des Glanzes des
Hofes und trotz des Titels des Staatsoberhaupts behielt das
pergamenische Gemeinwesen immer etwas vom städtischen
Charakter, wie es denn auch in seiner Politik gewöhnlich
mit den Freistädten zusammenging. Attalos selbst, der Lorenz
von Medici des Alterthums, blieb sein Lebelang ein reicher
Bürgersmann und das Familienleben der Attaliden, aus deren
Hause trotz des Königtitels die Eintracht und Innigkeit nicht
gewichen war, stach sehr ab gegen die wüste Schandwirth-
schaft der adlicheren Dynastien. — In dem europäischen
Griechenland waren auſser den römischen Besitzungen an der
Ostküste, von denen in der wichtigsten, Kerkyra ein römischer
Beamter residirte, und den vollständig makedonischen Gebieten
noch mehr oder minder im Stande eine eigene Politik zu
verfolgen die Epeiroten, Akarnanen und Aetoler im nördlichen,
die Boeoter und Athener im mittleren Griechenland und die
Achaeer, Lakedaemonier, Messenier und Eleer im Peloponnes. —
Unter diesen waren die Republiken der Epeiroten, Akarnanen
und Boeoter in vielfacher Weise eng an Makedonien geknüpft,
die Akarnanen namentlich, weil sie der von den Aetolern drohen-
den Unterdrückung einzig durch makedonischen Schutz zu ent-
gehen vermochten; von Bedeutung war keine von ihnen. Die
inneren Zustände waren sehr verschieden; wie es zum Theil
aussah, dafür mag als Beispiel dienen, daſs bei den Boeotern,
wo es freilich am ärgsten zuging, es Sitte geworden war
jedes Vermögen, das nicht in gerader Linie vererbte, an die
Kneipgesellschaften zu vermachen und es für die Bewerber
um die Staatsämter manches Jahrzehend die erste Wahlbe-
dingung war, daſs sie sich verpflichteten keinem Gläubi-
ger, am wenigsten einem Ausländer, die Ausklagung seiner
Schuldner zu gestatten. — Die Athener pflegten von Alexan-
dreia aus gegen Makedonien unterstützt zu werden und standen
im engen Bunde mit den Aetolern; auch sie indeſs waren
völlig machtlos und nur der Nimbus attischer Kunst und
Poesie hob diese unwürdigen Nachfolger einer herrlichen Vor-

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[507/0521] DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. bei; sie schossen den syrischen Königen bedeutende Summen vor, deren Rückzahlung später unter den römischen Friedens- bedingungen eine Rolle spielte, und selbst Gebietserwerbungen gelangen auf diesem Wege, wie zum Beispiel Aegina, das die verbündeten Römer und Aetoler im letzten Krieg den Bundes- genossen Philipps, den Achaeern entrissen hatten, von den Aetolern, denen es vertragsmäſsig zufiel, um 30 Talente (45000 Thlr.) an Attalos verkauft ward. Indeſs trotz des Glanzes des Hofes und trotz des Titels des Staatsoberhaupts behielt das pergamenische Gemeinwesen immer etwas vom städtischen Charakter, wie es denn auch in seiner Politik gewöhnlich mit den Freistädten zusammenging. Attalos selbst, der Lorenz von Medici des Alterthums, blieb sein Lebelang ein reicher Bürgersmann und das Familienleben der Attaliden, aus deren Hause trotz des Königtitels die Eintracht und Innigkeit nicht gewichen war, stach sehr ab gegen die wüste Schandwirth- schaft der adlicheren Dynastien. — In dem europäischen Griechenland waren auſser den römischen Besitzungen an der Ostküste, von denen in der wichtigsten, Kerkyra ein römischer Beamter residirte, und den vollständig makedonischen Gebieten noch mehr oder minder im Stande eine eigene Politik zu verfolgen die Epeiroten, Akarnanen und Aetoler im nördlichen, die Boeoter und Athener im mittleren Griechenland und die Achaeer, Lakedaemonier, Messenier und Eleer im Peloponnes. — Unter diesen waren die Republiken der Epeiroten, Akarnanen und Boeoter in vielfacher Weise eng an Makedonien geknüpft, die Akarnanen namentlich, weil sie der von den Aetolern drohen- den Unterdrückung einzig durch makedonischen Schutz zu ent- gehen vermochten; von Bedeutung war keine von ihnen. Die inneren Zustände waren sehr verschieden; wie es zum Theil aussah, dafür mag als Beispiel dienen, daſs bei den Boeotern, wo es freilich am ärgsten zuging, es Sitte geworden war jedes Vermögen, das nicht in gerader Linie vererbte, an die Kneipgesellschaften zu vermachen und es für die Bewerber um die Staatsämter manches Jahrzehend die erste Wahlbe- dingung war, daſs sie sich verpflichteten keinem Gläubi- ger, am wenigsten einem Ausländer, die Ausklagung seiner Schuldner zu gestatten. — Die Athener pflegten von Alexan- dreia aus gegen Makedonien unterstützt zu werden und standen im engen Bunde mit den Aetolern; auch sie indeſs waren völlig machtlos und nur der Nimbus attischer Kunst und Poesie hob diese unwürdigen Nachfolger einer herrlichen Vor-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/521>, abgerufen am 22.11.2024.