Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL VIII. Die schwache makedonische Flotte unter Herakleides stand un-thätig bei Herakleia und wagte nicht den Feinden das Meer streitig zu machen. Frühzeitig gingen diese in die Winter- quartiere, die Römer nach dem Peiraeeus und Kerkyra, die Rhodier und Pergamener in die Heimath. -- Der römische Feldzugsplan war vollständig gescheitert; die Truppen standen nach einem äusserst beschwerlichen Feldzug im Herbst genau da, von wo sie im Frühling aufgebrochen waren, und ohne das rechtzeitige Dareinschlagen der Aetoler und die glücklich gewonnene Schlacht am Pass von Eordaea hätte von der ge- sammten Macht vielleicht kein Mann das römische Gebiet wieder gesehen. Die vierfache Offensive hatte überall ihren Zweck verfehlt und Philippos sah im Herbste nicht bloss sein ganzes Gebiet vom Feind gereinigt, sondern er konnte noch einen freilich vergeblichen Versuch machen die an der aeto- lisch-thessalischen Grenze gelegene und die Peneios-Ebene be- herrschende feste Stadt Thaumakoi den Aetolern zu entreissen. Wenn Antiochos, um dessen Beistand Philippos vergeblich zu den Göttern flehte, sich im nächsten Feldzug mit ihm ver- einigte, so durfte er grosse Erfolge erwarten. Es schien in der That, als schicke Antiochos sich dazu an; sein Heer erschien in Kleinasien und besetzte einige Ortschaften des Königs Attalos, der von den Römern militärischen Schutz er- bat. Diese indess beeilten sich nicht den Grosskönig jetzt zum Bruch zu drängen; sie schickten Gesandte, die in der That es erreichten, dass Attalos Gebiet geräumt ward. Von daher hatte Philippos nichts zu hoffen. Indess der glückliche Ausgang des letzten Feldzugs hatte DRITTES BUCH. KAPITEL VIII. Die schwache makedonische Flotte unter Herakleides stand un-thätig bei Herakleia und wagte nicht den Feinden das Meer streitig zu machen. Frühzeitig gingen diese in die Winter- quartiere, die Römer nach dem Peiraeeus und Kerkyra, die Rhodier und Pergamener in die Heimath. — Der römische Feldzugsplan war vollständig gescheitert; die Truppen standen nach einem äuſserst beschwerlichen Feldzug im Herbst genau da, von wo sie im Frühling aufgebrochen waren, und ohne das rechtzeitige Dareinschlagen der Aetoler und die glücklich gewonnene Schlacht am Paſs von Eordaea hätte von der ge- sammten Macht vielleicht kein Mann das römische Gebiet wieder gesehen. Die vierfache Offensive hatte überall ihren Zweck verfehlt und Philippos sah im Herbste nicht bloſs sein ganzes Gebiet vom Feind gereinigt, sondern er konnte noch einen freilich vergeblichen Versuch machen die an der aeto- lisch-thessalischen Grenze gelegene und die Peneios-Ebene be- herrschende feste Stadt Thaumakoi den Aetolern zu entreiſsen. Wenn Antiochos, um dessen Beistand Philippos vergeblich zu den Göttern flehte, sich im nächsten Feldzug mit ihm ver- einigte, so durfte er groſse Erfolge erwarten. Es schien in der That, als schicke Antiochos sich dazu an; sein Heer erschien in Kleinasien und besetzte einige Ortschaften des Königs Attalos, der von den Römern militärischen Schutz er- bat. Diese indeſs beeilten sich nicht den Groſskönig jetzt zum Bruch zu drängen; sie schickten Gesandte, die in der That es erreichten, daſs Attalos Gebiet geräumt ward. Von daher hatte Philippos nichts zu hoffen. Indeſs der glückliche Ausgang des letzten Feldzugs hatte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0540" n="526"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. KAPITEL VIII.</fw><lb/> Die schwache makedonische Flotte unter Herakleides stand un-<lb/> thätig bei Herakleia und wagte nicht den Feinden das Meer<lb/> streitig zu machen. Frühzeitig gingen diese in die Winter-<lb/> quartiere, die Römer nach dem Peiraeeus und Kerkyra, die<lb/> Rhodier und Pergamener in die Heimath. — Der römische<lb/> Feldzugsplan war vollständig gescheitert; die Truppen standen<lb/> nach einem äuſserst beschwerlichen Feldzug im Herbst genau<lb/> da, von wo sie im Frühling aufgebrochen waren, und ohne<lb/> das rechtzeitige Dareinschlagen der Aetoler und die glücklich<lb/> gewonnene Schlacht am Paſs von Eordaea hätte von der ge-<lb/> sammten Macht vielleicht kein Mann das römische Gebiet<lb/> wieder gesehen. 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DRITTES BUCH. KAPITEL VIII.
Die schwache makedonische Flotte unter Herakleides stand un-
thätig bei Herakleia und wagte nicht den Feinden das Meer
streitig zu machen. Frühzeitig gingen diese in die Winter-
quartiere, die Römer nach dem Peiraeeus und Kerkyra, die
Rhodier und Pergamener in die Heimath. — Der römische
Feldzugsplan war vollständig gescheitert; die Truppen standen
nach einem äuſserst beschwerlichen Feldzug im Herbst genau
da, von wo sie im Frühling aufgebrochen waren, und ohne
das rechtzeitige Dareinschlagen der Aetoler und die glücklich
gewonnene Schlacht am Paſs von Eordaea hätte von der ge-
sammten Macht vielleicht kein Mann das römische Gebiet
wieder gesehen. Die vierfache Offensive hatte überall ihren
Zweck verfehlt und Philippos sah im Herbste nicht bloſs sein
ganzes Gebiet vom Feind gereinigt, sondern er konnte noch
einen freilich vergeblichen Versuch machen die an der aeto-
lisch-thessalischen Grenze gelegene und die Peneios-Ebene be-
herrschende feste Stadt Thaumakoi den Aetolern zu entreiſsen.
Wenn Antiochos, um dessen Beistand Philippos vergeblich zu
den Göttern flehte, sich im nächsten Feldzug mit ihm ver-
einigte, so durfte er groſse Erfolge erwarten. Es schien in
der That, als schicke Antiochos sich dazu an; sein Heer
erschien in Kleinasien und besetzte einige Ortschaften des
Königs Attalos, der von den Römern militärischen Schutz er-
bat. Diese indeſs beeilten sich nicht den Groſskönig jetzt
zum Bruch zu drängen; sie schickten Gesandte, die in der
That es erreichten, daſs Attalos Gebiet geräumt ward. Von
daher hatte Philippos nichts zu hoffen.
Indeſs der glückliche Ausgang des letzten Feldzugs hatte
Philipps Muth oder Uebermuth so gehoben, daſs, nachdem er
der Neutralität der Achaeer und der Treue der Makedonier
sich durch die Aufopferung einiger festen Plätze und des
verabscheuten Admirals Herakleides aufs Neue versichert hatte,
im nächsten Frühling 556 er es war, der die Offensive ergriff
und in die atintanische Landschaft einrückte, um in dem
engen Paſs, wo sich der Aoos (Viosa) zwischen den Bergen
Aeropos und Asmaos durchwindet, ein wohl verschanztes La-
ger zu beziehen. Ihm gegenüber lagerte das durch neue
Truppensendungen verstärkte römische Heer, dessen Oberbefehl
Publius Villius führte, bis im Sommer 556 der neue Consul
Titus Quinctius Flamininus denselben übernahm. Flamininus war
ein junger Mann von dreiſsig Jahren, ein geschickter Offizier
und besserer Diplomat und in vieler Hinsicht wohl geeignet
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