Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. für die Behandlung der schwierigen griechischen Verhältnisse.Einer aus der jüngeren Generation, die dem hellenischen We- sen sich zuneigten, hatte er mit dem altväterischen Wesen auch den altväterischen Patriotismus von sich abgethan und dachte zwar auch an das Vaterland, aber mehr noch an sich und seine hellenischen Sympathien. Wohl wäre es für Rom wie für Grie- chenland besser gewesen, wenn ein Mann dahin gesandt worden wäre, den weder feine Schmeichelei bestochen noch beissende Spottrede verletzt hätte, der die Erbärmlichkeit der hellenischen Staatsverfassungen nicht über litterarischen und künstlerischen Reminiscenzen vergessen und der Hellas nach Verdienst behan- delt, den Römern aber es erspart hätte unausführbaren Idea- len nachzustreben. -- Der neue Oberbefehlshaber hatte mit dem König sogleich eine Zusammenkunft, während die beiden Heere unthätig sich gegenüber standen. Philippos machte Frie- densvorschläge; er erbot sich alle eigenen Eroberungen zu- rückzugeben und über den den griechischen Städten zugefügten Schaden sich einem billigen Austrag zu unterwerfen; aber an dem Begehren die altmakedonischen Besitzungen, namentlich Thessalien aufzugeben, scheiterten die Verhandlungen. So standen schon vierzig Tage die beiden Heere in dem Engpass des Aoos, ohne dass Philippos wich oder Flamininus sich ent- schliessen konnte entweder den Sturm anzuordnen oder den König stehen zu lassen und die vorjährige Expedition wieder zu versuchen. Da half dem römischen General die Verräthe- rei einiger Vornehmen unter den sonst gut makedonisch ge- sinnten Epeiroten, namentlich des Charops, aus der Verlegen- heit. Sie führten auf Bergpfaden ein römisches Corps von 4000 Mann zu Fuss und 300 Reitern auf die Höhen oberhalb des makedonischen Lagers und wie der Consul alsdann das feindliche Heer von vorn angriff, entschied der Angriff der unvermuthet von den beherrschenden Bergen herabsteigenden römischen Abtheilung die Schlacht. Philippos verlor Lager und Verschanzung und gegen 2000 Mann und wich eilig zurück bis an den Pass Tempe, die Pforte des eigentlichen Makedo- niens. Allen anderen Besitz gab er auf bis auf die Festungen; die thessalischen Städte, die er nicht vertheidigen konnte, zerstörte er selbst -- nur Pherae schloss ihm die Thore und entging dadurch dem gleichen Schicksal. In Folge dieses Sieges traten zunächst die Epeiroten vom makedonischen Bündniss ab, was Flamininus geschickte Milde wesentlich be- schleunigte. In Thessalien waren auf die erste Nachricht vom DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. für die Behandlung der schwierigen griechischen Verhältnisse.Einer aus der jüngeren Generation, die dem hellenischen We- sen sich zuneigten, hatte er mit dem altväterischen Wesen auch den altväterischen Patriotismus von sich abgethan und dachte zwar auch an das Vaterland, aber mehr noch an sich und seine hellenischen Sympathien. Wohl wäre es für Rom wie für Grie- chenland besser gewesen, wenn ein Mann dahin gesandt worden wäre, den weder feine Schmeichelei bestochen noch beiſsende Spottrede verletzt hätte, der die Erbärmlichkeit der hellenischen Staatsverfassungen nicht über litterarischen und künstlerischen Reminiscenzen vergessen und der Hellas nach Verdienst behan- delt, den Römern aber es erspart hätte unausführbaren Idea- len nachzustreben. — Der neue Oberbefehlshaber hatte mit dem König sogleich eine Zusammenkunft, während die beiden Heere unthätig sich gegenüber standen. Philippos machte Frie- densvorschläge; er erbot sich alle eigenen Eroberungen zu- rückzugeben und über den den griechischen Städten zugefügten Schaden sich einem billigen Austrag zu unterwerfen; aber an dem Begehren die altmakedonischen Besitzungen, namentlich Thessalien aufzugeben, scheiterten die Verhandlungen. So standen schon vierzig Tage die beiden Heere in dem Engpaſs des Aoos, ohne daſs Philippos wich oder Flamininus sich ent- schlieſsen konnte entweder den Sturm anzuordnen oder den König stehen zu lassen und die vorjährige Expedition wieder zu versuchen. Da half dem römischen General die Verräthe- rei einiger Vornehmen unter den sonst gut makedonisch ge- sinnten Epeiroten, namentlich des Charops, aus der Verlegen- heit. Sie führten auf Bergpfaden ein römisches Corps von 4000 Mann zu Fuſs und 300 Reitern auf die Höhen oberhalb des makedonischen Lagers und wie der Consul alsdann das feindliche Heer von vorn angriff, entschied der Angriff der unvermuthet von den beherrschenden Bergen herabsteigenden römischen Abtheilung die Schlacht. Philippos verlor Lager und Verschanzung und gegen 2000 Mann und wich eilig zurück bis an den Paſs Tempe, die Pforte des eigentlichen Makedo- niens. Allen anderen Besitz gab er auf bis auf die Festungen; die thessalischen Städte, die er nicht vertheidigen konnte, zerstörte er selbst — nur Pherae schloſs ihm die Thore und entging dadurch dem gleichen Schicksal. In Folge dieses Sieges traten zunächst die Epeiroten vom makedonischen Bündniſs ab, was Flamininus geschickte Milde wesentlich be- schleunigte. In Thessalien waren auf die erste Nachricht vom <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0541" n="527"/><fw place="top" type="header">DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.</fw><lb/> für die Behandlung der schwierigen griechischen Verhältnisse.<lb/> Einer aus der jüngeren Generation, die dem hellenischen We-<lb/> sen sich zuneigten, hatte er mit dem altväterischen Wesen auch<lb/> den altväterischen Patriotismus von sich abgethan und dachte<lb/> zwar auch an das Vaterland, aber mehr noch an sich und seine<lb/> hellenischen Sympathien. Wohl wäre es für Rom wie für Grie-<lb/> chenland besser gewesen, wenn ein Mann dahin gesandt worden<lb/> wäre, den weder feine Schmeichelei bestochen noch beiſsende<lb/> Spottrede verletzt hätte, der die Erbärmlichkeit der hellenischen<lb/> Staatsverfassungen nicht über litterarischen und künstlerischen<lb/> Reminiscenzen vergessen und der Hellas nach Verdienst behan-<lb/> delt, den Römern aber es erspart hätte unausführbaren Idea-<lb/> len nachzustreben. — Der neue Oberbefehlshaber hatte mit<lb/> dem König sogleich eine Zusammenkunft, während die beiden<lb/> Heere unthätig sich gegenüber standen. Philippos machte Frie-<lb/> densvorschläge; er erbot sich alle eigenen Eroberungen zu-<lb/> rückzugeben und über den den griechischen Städten zugefügten<lb/> Schaden sich einem billigen Austrag zu unterwerfen; aber an<lb/> dem Begehren die altmakedonischen Besitzungen, namentlich<lb/> Thessalien aufzugeben, scheiterten die Verhandlungen. So<lb/> standen schon vierzig Tage die beiden Heere in dem Engpaſs<lb/> des Aoos, ohne daſs Philippos wich oder Flamininus sich ent-<lb/> schlieſsen konnte entweder den Sturm anzuordnen oder den<lb/> König stehen zu lassen und die vorjährige Expedition wieder<lb/> zu versuchen. Da half dem römischen General die Verräthe-<lb/> rei einiger Vornehmen unter den sonst gut makedonisch ge-<lb/> sinnten Epeiroten, namentlich des Charops, aus der Verlegen-<lb/> heit. Sie führten auf Bergpfaden ein römisches Corps von<lb/> 4000 Mann zu Fuſs und 300 Reitern auf die Höhen oberhalb<lb/> des makedonischen Lagers und wie der Consul alsdann das<lb/> feindliche Heer von vorn angriff, entschied der Angriff der<lb/> unvermuthet von den beherrschenden Bergen herabsteigenden<lb/> römischen Abtheilung die Schlacht. Philippos verlor Lager und<lb/> Verschanzung und gegen 2000 Mann und wich eilig zurück<lb/> bis an den Paſs Tempe, die Pforte des eigentlichen Makedo-<lb/> niens. Allen anderen Besitz gab er auf bis auf die Festungen;<lb/> die thessalischen Städte, die er nicht vertheidigen konnte,<lb/> zerstörte er selbst — nur Pherae schloſs ihm die Thore und<lb/> entging dadurch dem gleichen Schicksal. In Folge dieses<lb/> Sieges traten zunächst die Epeiroten vom makedonischen<lb/> Bündniſs ab, was Flamininus geschickte Milde wesentlich be-<lb/> schleunigte. In Thessalien waren auf die erste Nachricht vom<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [527/0541]
DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
für die Behandlung der schwierigen griechischen Verhältnisse.
Einer aus der jüngeren Generation, die dem hellenischen We-
sen sich zuneigten, hatte er mit dem altväterischen Wesen auch
den altväterischen Patriotismus von sich abgethan und dachte
zwar auch an das Vaterland, aber mehr noch an sich und seine
hellenischen Sympathien. Wohl wäre es für Rom wie für Grie-
chenland besser gewesen, wenn ein Mann dahin gesandt worden
wäre, den weder feine Schmeichelei bestochen noch beiſsende
Spottrede verletzt hätte, der die Erbärmlichkeit der hellenischen
Staatsverfassungen nicht über litterarischen und künstlerischen
Reminiscenzen vergessen und der Hellas nach Verdienst behan-
delt, den Römern aber es erspart hätte unausführbaren Idea-
len nachzustreben. — Der neue Oberbefehlshaber hatte mit
dem König sogleich eine Zusammenkunft, während die beiden
Heere unthätig sich gegenüber standen. Philippos machte Frie-
densvorschläge; er erbot sich alle eigenen Eroberungen zu-
rückzugeben und über den den griechischen Städten zugefügten
Schaden sich einem billigen Austrag zu unterwerfen; aber an
dem Begehren die altmakedonischen Besitzungen, namentlich
Thessalien aufzugeben, scheiterten die Verhandlungen. So
standen schon vierzig Tage die beiden Heere in dem Engpaſs
des Aoos, ohne daſs Philippos wich oder Flamininus sich ent-
schlieſsen konnte entweder den Sturm anzuordnen oder den
König stehen zu lassen und die vorjährige Expedition wieder
zu versuchen. Da half dem römischen General die Verräthe-
rei einiger Vornehmen unter den sonst gut makedonisch ge-
sinnten Epeiroten, namentlich des Charops, aus der Verlegen-
heit. Sie führten auf Bergpfaden ein römisches Corps von
4000 Mann zu Fuſs und 300 Reitern auf die Höhen oberhalb
des makedonischen Lagers und wie der Consul alsdann das
feindliche Heer von vorn angriff, entschied der Angriff der
unvermuthet von den beherrschenden Bergen herabsteigenden
römischen Abtheilung die Schlacht. Philippos verlor Lager und
Verschanzung und gegen 2000 Mann und wich eilig zurück
bis an den Paſs Tempe, die Pforte des eigentlichen Makedo-
niens. Allen anderen Besitz gab er auf bis auf die Festungen;
die thessalischen Städte, die er nicht vertheidigen konnte,
zerstörte er selbst — nur Pherae schloſs ihm die Thore und
entging dadurch dem gleichen Schicksal. In Folge dieses
Sieges traten zunächst die Epeiroten vom makedonischen
Bündniſs ab, was Flamininus geschickte Milde wesentlich be-
schleunigte. In Thessalien waren auf die erste Nachricht vom
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |