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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL VIII.
Siege der Römer sogleich die Athamanen und Aetoler einge-
brochen und die Römer folgten bald; das platte Land war leicht
überschwemmt, allein die festen Städte, die gut makedonisch
gesinnt waren und von Philippos Unterstützung empfingen, fielen
nur nach tapferem Widerstand oder widerstanden sogar dem
überlegenen Feind; so vor allem Atrax am linken Ufer des
Peneios, wo in der Bresche die Phalanx statt der Mauer
stand. Bis auf diese thessalischen Festungen und das Gebiet
der treuen Akarnanen war somit ganz Nordgriechenland in
den Händen der Coalition. -- Dagegen war der Süden durch
die Festungen Chalkis und Korinth, die durch das Gebiet der
makedonisch gesinnten Boeotier mit einander die Verbindung
unterhielten, und durch die achaeische Neutralität noch immer
wesentlich in makedonischer Gewalt und Flamininus entschloss
sich, da es doch zu spät war, um dies Jahr noch in Make-
donien einzudringen, zunächst Landheer und Flotte gegen
Korinth und die Achaeer zu wenden. Die Flotte, die wieder
die rhodischen und pergamenischen Schiffe an sich gezogen
hatte, hatte bisher sich damit beschäftigt zwei kleinere Städte
auf Euboea, Eretria und Karystos einzunehmen und daselbst
Beute zu machen; worauf beide indess ebenso wie Oreos wieder
aufgegeben und von dem makedonischen Commandanten von
Chalkis Philokles aufs Neue besetzt wurden. Jetzt wandte die
Flotte der Bundesgenossen sich nach Kenchreae, dem östlichen
Hafen von Korinth, um diese starke Festung zu bedrohen. Von
der anderen Seite rückte Flamininus in Phokis ein und be-
setzte die Landschaft, in der nur Elateia eine längere Belage-
rung aushielt; sie und namentlich Antikyra am korinthischen
Meerbusen waren zum Winterquartier ausersehen. Die Achaeer,
die also auf der einen Seite die römischen Legionen sich
nähern, auf der andern die Flotte der Bundesgenossen schon
in ihrem eigenen Gebiet sahen, verzichteten auf ihre sittlich
ehrenwerthe, aber politisch unhaltbare Neutralität; nachdem
die Gesandten der am engsten an Makedonien geknüpften
Städte Dyme, Megalopolis und Argos die Tagsatzung verlassen
hatten, beschloss dieselbe den Beitritt zu der Coalition gegen
Philippos, und Kykliades und andere Führer der makedonischen
Partei verliessen die Heimath. Sofort vereinigten sich die
Truppen der Achaeer mit der römischen Flotte und eilten
Korinth zu Lande einzuschliessen, welche Stadt, die Zwing-
burg Philipps gegen die Achaeer, ihnen römischer Seits für
ihren Beitritt zu dem Bunde zugesichert worden war. Allein

DRITTES BUCH. KAPITEL VIII.
Siege der Römer sogleich die Athamanen und Aetoler einge-
brochen und die Römer folgten bald; das platte Land war leicht
überschwemmt, allein die festen Städte, die gut makedonisch
gesinnt waren und von Philippos Unterstützung empfingen, fielen
nur nach tapferem Widerstand oder widerstanden sogar dem
überlegenen Feind; so vor allem Atrax am linken Ufer des
Peneios, wo in der Bresche die Phalanx statt der Mauer
stand. Bis auf diese thessalischen Festungen und das Gebiet
der treuen Akarnanen war somit ganz Nordgriechenland in
den Händen der Coalition. — Dagegen war der Süden durch
die Festungen Chalkis und Korinth, die durch das Gebiet der
makedonisch gesinnten Boeotier mit einander die Verbindung
unterhielten, und durch die achaeische Neutralität noch immer
wesentlich in makedonischer Gewalt und Flamininus entschloſs
sich, da es doch zu spät war, um dies Jahr noch in Make-
donien einzudringen, zunächst Landheer und Flotte gegen
Korinth und die Achaeer zu wenden. Die Flotte, die wieder
die rhodischen und pergamenischen Schiffe an sich gezogen
hatte, hatte bisher sich damit beschäftigt zwei kleinere Städte
auf Euboea, Eretria und Karystos einzunehmen und daselbst
Beute zu machen; worauf beide indeſs ebenso wie Oreos wieder
aufgegeben und von dem makedonischen Commandanten von
Chalkis Philokles aufs Neue besetzt wurden. Jetzt wandte die
Flotte der Bundesgenossen sich nach Kenchreae, dem östlichen
Hafen von Korinth, um diese starke Festung zu bedrohen. Von
der anderen Seite rückte Flamininus in Phokis ein und be-
setzte die Landschaft, in der nur Elateia eine längere Belage-
rung aushielt; sie und namentlich Antikyra am korinthischen
Meerbusen waren zum Winterquartier ausersehen. Die Achaeer,
die also auf der einen Seite die römischen Legionen sich
nähern, auf der andern die Flotte der Bundesgenossen schon
in ihrem eigenen Gebiet sahen, verzichteten auf ihre sittlich
ehrenwerthe, aber politisch unhaltbare Neutralität; nachdem
die Gesandten der am engsten an Makedonien geknüpften
Städte Dyme, Megalopolis und Argos die Tagsatzung verlassen
hatten, beschloſs dieselbe den Beitritt zu der Coalition gegen
Philippos, und Kykliades und andere Führer der makedonischen
Partei verlieſsen die Heimath. Sofort vereinigten sich die
Truppen der Achaeer mit der römischen Flotte und eilten
Korinth zu Lande einzuschlieſsen, welche Stadt, die Zwing-
burg Philipps gegen die Achaeer, ihnen römischer Seits für
ihren Beitritt zu dem Bunde zugesichert worden war. Allein

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[528/0542] DRITTES BUCH. KAPITEL VIII. Siege der Römer sogleich die Athamanen und Aetoler einge- brochen und die Römer folgten bald; das platte Land war leicht überschwemmt, allein die festen Städte, die gut makedonisch gesinnt waren und von Philippos Unterstützung empfingen, fielen nur nach tapferem Widerstand oder widerstanden sogar dem überlegenen Feind; so vor allem Atrax am linken Ufer des Peneios, wo in der Bresche die Phalanx statt der Mauer stand. Bis auf diese thessalischen Festungen und das Gebiet der treuen Akarnanen war somit ganz Nordgriechenland in den Händen der Coalition. — Dagegen war der Süden durch die Festungen Chalkis und Korinth, die durch das Gebiet der makedonisch gesinnten Boeotier mit einander die Verbindung unterhielten, und durch die achaeische Neutralität noch immer wesentlich in makedonischer Gewalt und Flamininus entschloſs sich, da es doch zu spät war, um dies Jahr noch in Make- donien einzudringen, zunächst Landheer und Flotte gegen Korinth und die Achaeer zu wenden. Die Flotte, die wieder die rhodischen und pergamenischen Schiffe an sich gezogen hatte, hatte bisher sich damit beschäftigt zwei kleinere Städte auf Euboea, Eretria und Karystos einzunehmen und daselbst Beute zu machen; worauf beide indeſs ebenso wie Oreos wieder aufgegeben und von dem makedonischen Commandanten von Chalkis Philokles aufs Neue besetzt wurden. Jetzt wandte die Flotte der Bundesgenossen sich nach Kenchreae, dem östlichen Hafen von Korinth, um diese starke Festung zu bedrohen. Von der anderen Seite rückte Flamininus in Phokis ein und be- setzte die Landschaft, in der nur Elateia eine längere Belage- rung aushielt; sie und namentlich Antikyra am korinthischen Meerbusen waren zum Winterquartier ausersehen. Die Achaeer, die also auf der einen Seite die römischen Legionen sich nähern, auf der andern die Flotte der Bundesgenossen schon in ihrem eigenen Gebiet sahen, verzichteten auf ihre sittlich ehrenwerthe, aber politisch unhaltbare Neutralität; nachdem die Gesandten der am engsten an Makedonien geknüpften Städte Dyme, Megalopolis und Argos die Tagsatzung verlassen hatten, beschloſs dieselbe den Beitritt zu der Coalition gegen Philippos, und Kykliades und andere Führer der makedonischen Partei verlieſsen die Heimath. Sofort vereinigten sich die Truppen der Achaeer mit der römischen Flotte und eilten Korinth zu Lande einzuschlieſsen, welche Stadt, die Zwing- burg Philipps gegen die Achaeer, ihnen römischer Seits für ihren Beitritt zu dem Bunde zugesichert worden war. Allein

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/542>, abgerufen am 22.11.2024.