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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
ihrem Bunde einverleibt. Mit den Aetolern dagegen machte
man wenig Umstände; sie durften die phokischen und lokri-
schen Städte in ihre Symmachie aufnehmen, allein ihre Ver-
suche dieselbe auch auf Akarnanien und Thessalien auszudeh-
nen wurden theils entschieden zurückgewiesen, theils in die
Ferne geschoben, und die thessalischen Städte vielmehr in
vier kleine selbstständige Eidgenossenschaften geordnet. Dem
rhodischen Städtebund kam die Befreiung von Thasos und Lem-
nos, der thrakischen und kleinasiatischen Städte zu Gute. -- Die
schwierigste Aufgabe blieb die Ordnung der inneren Verhält-
nisse, sowohl der Staaten zu einander, als der einzelnen
Staaten unter sich. Die dringendste Angelegenheit war der
zwischen den Spartanern und Achaeern seit 550 geführte
Krieg, dessen Vermittelung den Römern nothwendig zufiel.
Allein nach vielfachen Versuchen Nabis zum Nachgeben, na-
mentlich zur Herausgabe der von Philippos ihm ausgelieferten
achaeischen Bundesstadt Argos zu bestimmen blieb Flamininus
doch zuletzt nichts übrig als dem eigensinnigen kleinen Raub-
herrn, der auf den offenkundigen Groll der Aetoler gegen die
Römer und auf Antiochos Einrücken in Europa rechnete und
die Rückstellung von Argos beharrlich weigerte, endlich von
den sämmtlichen Hellenen auf einer grossen Tagfahrt in Ko-
rinth den Krieg erklären zu lassen und mit der Flotte und
dem römisch - bundesgenössischen Heere, darunter auch mit
einem von Philippos gesandten Contingent sowie mit den
lakedämonischen Emigranten unter dem legitimen König von
Sparta Agesipolis, in den Peloponnes einzurücken (559). Um
den Gegner durch die überwältigende Uebermacht sogleich zu
erdrücken, waren nicht weniger als 50000 Mann auf die
Beine gebracht und mit Vernachlässigung der übrigen Städte
sogleich die Hauptstadt selbst von ihnen umstellt worden;
allein man erreichte nicht ganz den gewünschten Zweck.
Nabis hatte eine beträchtliche Armee, bis 15000 Mann, dar-
unter 5000 Söldner ins Feld gestellt und seine Herrschaft
durch ein vollständiges Schreckensregiment, die Hinrichtung
einer Masse ihm verdächtiger Offiziere und Bewohner der
Landschaft aufs Neue befestigt. Sogar als nach den ersten Er-
folgen der römischen Armee und Flotte er selber sich ent-
schloss nachzugeben und die von Flamininus ihm gestellten
verhältnissmässig sehr günstigen Bedingungen anzunehmen,
verwarf ,das Volk', das heisst das von Nabis in Sparta domi-
cilirte Raubgesindel, nicht mit Unrecht die Rechenschaft nach

DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
ihrem Bunde einverleibt. Mit den Aetolern dagegen machte
man wenig Umstände; sie durften die phokischen und lokri-
schen Städte in ihre Symmachie aufnehmen, allein ihre Ver-
suche dieselbe auch auf Akarnanien und Thessalien auszudeh-
nen wurden theils entschieden zurückgewiesen, theils in die
Ferne geschoben, und die thessalischen Städte vielmehr in
vier kleine selbstständige Eidgenossenschaften geordnet. Dem
rhodischen Städtebund kam die Befreiung von Thasos und Lem-
nos, der thrakischen und kleinasiatischen Städte zu Gute. — Die
schwierigste Aufgabe blieb die Ordnung der inneren Verhält-
nisse, sowohl der Staaten zu einander, als der einzelnen
Staaten unter sich. Die dringendste Angelegenheit war der
zwischen den Spartanern und Achaeern seit 550 geführte
Krieg, dessen Vermittelung den Römern nothwendig zufiel.
Allein nach vielfachen Versuchen Nabis zum Nachgeben, na-
mentlich zur Herausgabe der von Philippos ihm ausgelieferten
achaeischen Bundesstadt Argos zu bestimmen blieb Flamininus
doch zuletzt nichts übrig als dem eigensinnigen kleinen Raub-
herrn, der auf den offenkundigen Groll der Aetoler gegen die
Römer und auf Antiochos Einrücken in Europa rechnete und
die Rückstellung von Argos beharrlich weigerte, endlich von
den sämmtlichen Hellenen auf einer groſsen Tagfahrt in Ko-
rinth den Krieg erklären zu lassen und mit der Flotte und
dem römisch - bundesgenössischen Heere, darunter auch mit
einem von Philippos gesandten Contingent sowie mit den
lakedämonischen Emigranten unter dem legitimen König von
Sparta Agesipolis, in den Peloponnes einzurücken (559). Um
den Gegner durch die überwältigende Uebermacht sogleich zu
erdrücken, waren nicht weniger als 50000 Mann auf die
Beine gebracht und mit Vernachlässigung der übrigen Städte
sogleich die Hauptstadt selbst von ihnen umstellt worden;
allein man erreichte nicht ganz den gewünschten Zweck.
Nabis hatte eine beträchtliche Armee, bis 15000 Mann, dar-
unter 5000 Söldner ins Feld gestellt und seine Herrschaft
durch ein vollständiges Schreckensregiment, die Hinrichtung
einer Masse ihm verdächtiger Offiziere und Bewohner der
Landschaft aufs Neue befestigt. Sogar als nach den ersten Er-
folgen der römischen Armee und Flotte er selber sich ent-
schloſs nachzugeben und die von Flamininus ihm gestellten
verhältniſsmäſsig sehr günstigen Bedingungen anzunehmen,
verwarf ‚das Volk‘, das heiſst das von Nabis in Sparta domi-
cilirte Raubgesindel, nicht mit Unrecht die Rechenschaft nach

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[535/0549] DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. ihrem Bunde einverleibt. Mit den Aetolern dagegen machte man wenig Umstände; sie durften die phokischen und lokri- schen Städte in ihre Symmachie aufnehmen, allein ihre Ver- suche dieselbe auch auf Akarnanien und Thessalien auszudeh- nen wurden theils entschieden zurückgewiesen, theils in die Ferne geschoben, und die thessalischen Städte vielmehr in vier kleine selbstständige Eidgenossenschaften geordnet. Dem rhodischen Städtebund kam die Befreiung von Thasos und Lem- nos, der thrakischen und kleinasiatischen Städte zu Gute. — Die schwierigste Aufgabe blieb die Ordnung der inneren Verhält- nisse, sowohl der Staaten zu einander, als der einzelnen Staaten unter sich. Die dringendste Angelegenheit war der zwischen den Spartanern und Achaeern seit 550 geführte Krieg, dessen Vermittelung den Römern nothwendig zufiel. Allein nach vielfachen Versuchen Nabis zum Nachgeben, na- mentlich zur Herausgabe der von Philippos ihm ausgelieferten achaeischen Bundesstadt Argos zu bestimmen blieb Flamininus doch zuletzt nichts übrig als dem eigensinnigen kleinen Raub- herrn, der auf den offenkundigen Groll der Aetoler gegen die Römer und auf Antiochos Einrücken in Europa rechnete und die Rückstellung von Argos beharrlich weigerte, endlich von den sämmtlichen Hellenen auf einer groſsen Tagfahrt in Ko- rinth den Krieg erklären zu lassen und mit der Flotte und dem römisch - bundesgenössischen Heere, darunter auch mit einem von Philippos gesandten Contingent sowie mit den lakedämonischen Emigranten unter dem legitimen König von Sparta Agesipolis, in den Peloponnes einzurücken (559). Um den Gegner durch die überwältigende Uebermacht sogleich zu erdrücken, waren nicht weniger als 50000 Mann auf die Beine gebracht und mit Vernachlässigung der übrigen Städte sogleich die Hauptstadt selbst von ihnen umstellt worden; allein man erreichte nicht ganz den gewünschten Zweck. Nabis hatte eine beträchtliche Armee, bis 15000 Mann, dar- unter 5000 Söldner ins Feld gestellt und seine Herrschaft durch ein vollständiges Schreckensregiment, die Hinrichtung einer Masse ihm verdächtiger Offiziere und Bewohner der Landschaft aufs Neue befestigt. Sogar als nach den ersten Er- folgen der römischen Armee und Flotte er selber sich ent- schloſs nachzugeben und die von Flamininus ihm gestellten verhältniſsmäſsig sehr günstigen Bedingungen anzunehmen, verwarf ‚das Volk‘, das heiſst das von Nabis in Sparta domi- cilirte Raubgesindel, nicht mit Unrecht die Rechenschaft nach

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/549>, abgerufen am 22.11.2024.