Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. stauration eines seit zwanzig Jahren beseitigten Regimentswürde nur ein Schreckensregiment durch das andre abgelöst haben; der Ausweg, den Flamininus ergriff, war eben darum der rechte, weil er beide extreme Parteien nicht befriedigte. Endlich schien dafür gründlich gesorgt, dass es mit dem spar- tanischen See- und Landraub ein Ende hatte und das Regi- ment daselbst, wie es nun eben war, nur der eigenen Ge- meinde unbequem fallen konnte. Es ist möglich, dass Flami- ninus, der den Nabis kannte und wissen musste, wie wün- schenswerth dessen Beseitigung war, dieselbe unterliess um nicht durch unabsehbare Verwicklungen den reinen Eindruck seiner Erfolge zu trüben und dass die Römer überdiess ein Gegengewicht gegen die Macht der achaeischen Eidgenos- senschaft im Peloponnes zu conserviren suchten; indess der erste Vorwurf trifft einen Nebenpunct und in letzterer Hin- sicht ist es wenig wahrscheinlich, dass die Römer sich herab- liessen die Achaeer zu fürchten. -- Somit war wenigstens äusserlich der Friede zwischen den kleinen griechischen Staa- ten gestiftet. Aber auch die inneren Verhältnisse der einzel- nen Gemeinden gaben dem römischen Schiedsrichter zu thun. Die Boeoter trugen ihre makedonische Gesinnung selbst noch nach dem Frieden mit Philippos offen zur Schau; als Flami- ninus auf ihre Bitte die Rückkehr der in Philippos Diensten gestandenen Boeoter bewilligt hatte, ward der entschiedenste makedonische Parteigänger Brachyllas zum Vorstand der boeoti- schen Genossenschaft erwählt und auch sonst Flamininus auf alle Weise gereizt. Er ertrug es mit beispielloser Geduld; indess die römisch gesinnten Boeoter, die wussten, was nach dem Abzug der Römer ihrer warte, beschlossen den Tod des Brachyllas, und Flamininus, dessen Erlaubniss sie sich dazu erbitten zu müssen glaubten, liess es geschehen. Brachyllas ward hienach ermordet; worauf die Boeoter sich nicht begnügten die Mörder zu verfolgen, sondern auch den einzeln durch ihr Gebiet passirenden römischen Soldaten auflauerten und deren an 500 erschlugen. Dies war denn doch zu arg; Flamininus legte ihnen eine Busse von einem Talent für jeden Soldaten auf und da sie diese nicht zahlten, nahm er die nächstliegen- den Truppen zusammen und belagerte Koroneia (558). Nun kamen freilich demüthige Bitten und auf die Fürbitte der Achaeer und Athener liess Flamininus von den Schuldigen ab gegen eine sehr mässige Busse. Die makedonische Partei indess blieb dennoch in der kleinen Landschaft am Ruder; ihrer DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. stauration eines seit zwanzig Jahren beseitigten Regimentswürde nur ein Schreckensregiment durch das andre abgelöst haben; der Ausweg, den Flamininus ergriff, war eben darum der rechte, weil er beide extreme Parteien nicht befriedigte. Endlich schien dafür gründlich gesorgt, daſs es mit dem spar- tanischen See- und Landraub ein Ende hatte und das Regi- ment daselbst, wie es nun eben war, nur der eigenen Ge- meinde unbequem fallen konnte. Es ist möglich, daſs Flami- ninus, der den Nabis kannte und wissen muſste, wie wün- schenswerth dessen Beseitigung war, dieselbe unterlieſs um nicht durch unabsehbare Verwicklungen den reinen Eindruck seiner Erfolge zu trüben und daſs die Römer überdieſs ein Gegengewicht gegen die Macht der achaeischen Eidgenos- senschaft im Peloponnes zu conserviren suchten; indeſs der erste Vorwurf trifft einen Nebenpunct und in letzterer Hin- sicht ist es wenig wahrscheinlich, daſs die Römer sich herab- lieſsen die Achaeer zu fürchten. — Somit war wenigstens äuſserlich der Friede zwischen den kleinen griechischen Staa- ten gestiftet. Aber auch die inneren Verhältnisse der einzel- nen Gemeinden gaben dem römischen Schiedsrichter zu thun. Die Boeoter trugen ihre makedonische Gesinnung selbst noch nach dem Frieden mit Philippos offen zur Schau; als Flami- ninus auf ihre Bitte die Rückkehr der in Philippos Diensten gestandenen Boeoter bewilligt hatte, ward der entschiedenste makedonische Parteigänger Brachyllas zum Vorstand der boeoti- schen Genossenschaft erwählt und auch sonst Flamininus auf alle Weise gereizt. Er ertrug es mit beispielloser Geduld; indeſs die römisch gesinnten Boeoter, die wuſsten, was nach dem Abzug der Römer ihrer warte, beschlossen den Tod des Brachyllas, und Flamininus, dessen Erlaubniſs sie sich dazu erbitten zu müssen glaubten, lieſs es geschehen. Brachyllas ward hienach ermordet; worauf die Boeoter sich nicht begnügten die Mörder zu verfolgen, sondern auch den einzeln durch ihr Gebiet passirenden römischen Soldaten auflauerten und deren an 500 erschlugen. Dies war denn doch zu arg; Flamininus legte ihnen eine Buſse von einem Talent für jeden Soldaten auf und da sie diese nicht zahlten, nahm er die nächstliegen- den Truppen zusammen und belagerte Koroneia (558). Nun kamen freilich demüthige Bitten und auf die Fürbitte der Achaeer und Athener lieſs Flamininus von den Schuldigen ab gegen eine sehr mäſsige Buſse. 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DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
stauration eines seit zwanzig Jahren beseitigten Regiments
würde nur ein Schreckensregiment durch das andre abgelöst
haben; der Ausweg, den Flamininus ergriff, war eben darum
der rechte, weil er beide extreme Parteien nicht befriedigte.
Endlich schien dafür gründlich gesorgt, daſs es mit dem spar-
tanischen See- und Landraub ein Ende hatte und das Regi-
ment daselbst, wie es nun eben war, nur der eigenen Ge-
meinde unbequem fallen konnte. Es ist möglich, daſs Flami-
ninus, der den Nabis kannte und wissen muſste, wie wün-
schenswerth dessen Beseitigung war, dieselbe unterlieſs um
nicht durch unabsehbare Verwicklungen den reinen Eindruck
seiner Erfolge zu trüben und daſs die Römer überdieſs
ein Gegengewicht gegen die Macht der achaeischen Eidgenos-
senschaft im Peloponnes zu conserviren suchten; indeſs der
erste Vorwurf trifft einen Nebenpunct und in letzterer Hin-
sicht ist es wenig wahrscheinlich, daſs die Römer sich herab-
lieſsen die Achaeer zu fürchten. — Somit war wenigstens
äuſserlich der Friede zwischen den kleinen griechischen Staa-
ten gestiftet. Aber auch die inneren Verhältnisse der einzel-
nen Gemeinden gaben dem römischen Schiedsrichter zu thun.
Die Boeoter trugen ihre makedonische Gesinnung selbst noch
nach dem Frieden mit Philippos offen zur Schau; als Flami-
ninus auf ihre Bitte die Rückkehr der in Philippos Diensten
gestandenen Boeoter bewilligt hatte, ward der entschiedenste
makedonische Parteigänger Brachyllas zum Vorstand der boeoti-
schen Genossenschaft erwählt und auch sonst Flamininus auf alle
Weise gereizt. Er ertrug es mit beispielloser Geduld; indeſs die
römisch gesinnten Boeoter, die wuſsten, was nach dem Abzug
der Römer ihrer warte, beschlossen den Tod des Brachyllas,
und Flamininus, dessen Erlaubniſs sie sich dazu erbitten zu
müssen glaubten, lieſs es geschehen. Brachyllas ward hienach
ermordet; worauf die Boeoter sich nicht begnügten die Mörder
zu verfolgen, sondern auch den einzeln durch ihr Gebiet
passirenden römischen Soldaten auflauerten und deren an
500 erschlugen. Dies war denn doch zu arg; Flamininus
legte ihnen eine Buſse von einem Talent für jeden Soldaten
auf und da sie diese nicht zahlten, nahm er die nächstliegen-
den Truppen zusammen und belagerte Koroneia (558). Nun
kamen freilich demüthige Bitten und auf die Fürbitte der
Achaeer und Athener lieſs Flamininus von den Schuldigen ab
gegen eine sehr mäſsige Buſse. Die makedonische Partei indeſs
blieb dennoch in der kleinen Landschaft am Ruder; ihrer
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